Seit Dezember macht ein Entschlieรungsantrag von CDU und SPD im Landtag Furore, der wie ein Versuch wirkt, die Versรคumnisse von drei Jahren aufzuholen. Denn mehrere Anfragen der verkehrspolitischen Sprecherin der Grรผnen-Fraktion, Katja Meier, hatten in den Monaten zuvor ergeben, dass es regelrecht klemmt im versprochenen Radwegebau und Millionen-Gelder einfach nicht ausgereicht wurden. Obwohl riesiger Bedarf in den Kommunen besteht.
Es stand so im Koalitionsvertrag, es wurden auch Extra-Fรถrdertรถpfe aufgelegt. Doch selbst Stรคdten wie Leipzig wurde unverblรผmt gesagt, sie sollten auf eine Antragstellung verzichten, weil der Topf leer wรคre.
Was die Regierungskoalition aus CDU und SPD dann Ende November vorlegte, las sich wie ein Versuch, jetzt noch eiligst vor Ende der Legislaturperiode zu klรคren, was schiefgelaufen sein kรถnnte. Der Antrag nannte sich โFahrradwegebau beschleunigen, Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungseinheiten stรคrkenโ und wurde am 14. Dezember auch im Landtag besprochen.
Wo Kaja Meier dann in ihrer Rede sehr bissig wurde. Denn zu einigen der Antrags-Vorschlรคge hatte sie in den vergangen drei Jahren immer wieder angefragt und jedes Mal ausweichende Antworten bekommen, die sich sogar regelrecht widersprachen.
Ganz besonders bei der geplanten Grรผndung einer Arbeitsgemeinschaft kommunaler Radwegebau.
Die taucht im Antrag ganz zum Schluss auf. Man wolle sich dafรผr einsetzen, โdie Kommunen bei der Fรถrderung des Radverkehrs zu unterstรผtzen und bis zum Sommer 2018 die Grรผndung einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte, Gemeinden und Landkreise zu initiieren, deren Geschรคftsstelle die Organisation und den Informationsaustausch der radverkehrspolitischen Akteure in Sachsen verbessern soll.โ
Tatsรคchlich aber ist das der zentrale Punkt โ nรคmlich genau die Schnittstelle zu schaffen, wo das Land (als Fรถrdermittelgeber) mit den Kommunen alle Probleme beim Ausbau des kommunalen Radwegenetzes bespricht und klรคrt. Schnell und unbรผrokratisch.
Wozu auch alle andere Punkte im Papier gehรถren, denn augenscheinlich entstehen fast alle Probleme im bรผrokratischen Prozedere mit staatlichen Behรถrden, die oft unterschiedlichen Ministerien unterstellt sind. Dass viele Radwege an Umweltvertrรคglichkeitsprรผfungen scheitern sollen, gehรถrt wohl zu den grรถรten Spรครen in dem Papier, das ziemlich deutlich macht, dass Antrรคge zum Radwegebau fast alle irgendwo im staatlichen Behรถrdendickicht versickern.
Wenn Bรผrokraten keine Lust zur Bewilligung haben, nutzt auch der schรถnste Fรถrdertopf nichts.
Und die 2014 angedachte AG mit den Kommunen?
Die wird im Antragspapier quasi noch einmal neu aus der Taufe gehoben: โIn vielen anderen Bundeslรคndern haben sich Arbeitsgemeinschaften fรผr den Radverkehr als ein erfolgreiches Mittel zur schnellen Umsetzung bewรคhrt. Auch in Sachsen gibt es mittlerweile viele Kommunen, die bei der Grรผndung einer solchen Arbeitsgemeinschaft vorangehen wollen. Sie versprechen sich davon nicht nur eine bessere Koordinierung bei der Fรถrdermittelvergabe, sondern auch eine Stรคrkung der fachlichen Arbeit durch die Bรผndelung von Ressourcen bei einer zentralen Anlaufstelle, z. B. fรผr Beratungen zu verkehrsrechtlichen und planerischen Neuerungen oder fรผr gemeinsame Kommunikations- und Marketingmaรnahmen.โ
Na und, fragte Katja Maier am 14. Dezember in ihrer Landtagsrede: Warum wird die nicht einfach gegrรผndet, wenn so viele Kommunen mitmachen mรถchten?
Sie hatte da schon so eine Ahnung: โSeit 2015 stehen im Haushalt Finanzmittel fรผr die Arbeitsgemeinschaften fahrradfreundlicher Stรคdte bereit. Abgerufen wurden sie seit drei Jahren nicht.
Was ist hier passiert?
Im Februar 2016 (also vor 22 Monaten) antwortete Minister Dulig auf meine Anfrage:
โDer Sรคchsische Stรคdte- und Gemeindetag hatte die Aufgabe รผbernommen, herauszufinden, welche Stรคdte und Gemeinden Interesse an einer Mitarbeit in einer AG fahrradfreundlicher Stรคdte haben.
Zwรถlf Kommunen haben ihr Interesse auf die interne Anfrage des Stรคdte- und Gemeindetags bekundet.
Die Namen der zwรถlf Kommunen liegen der Staatsregierung nicht vor. Sie wurden aufgrund der Vertraulichkeit der Abfrage vom Stรคdte- und Gemeindetag nicht benannt.โ
Wie bitte? Datenschutz ist uns Grรผnen wichtig, aber das klingt absurd.
Der zustรคndige Minister beauftragt den Stรคdte- und Gemeindetag, das Interesse abzufragen und darf dann aus Datenschutzgrรผnden nicht erfahren, wer Interesse hat?
Radio Eriwan lรคsst grรผรen.โ
Dabei belieร sie es nicht. Denn was das Verkehrsministerium den interessierten Kommunen mitteilte, besagte just das Gegenteil dessen, was jetzt im Antrag von CDU und SPD steht.
Katja Meier: โMittlerweile war ich in mehr als zehn sรคchsischen Kommunen unterwegs und habe das Thema Radverkehrsfรถrderung mit Oberbรผrgermeistern oder Baudezernentinnen diskutiert.
Ich habe wirklich alle gefragt โ 9 von 10 hatten noch nie etwas von einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte gehรถrt, nur einer konnte sich an die Abfrage des Stรคdte- und Gemeindetags erinnern.
So habe ich diese auch noch zu Gesicht bekommen und ich muss sagen: eine Werbung war dieses Anschreiben nicht.
Versteckt unter mehreren anderen Themenpunkten wurde lediglich der Ausschnitt im Koalitionsvertrag zitiert und darunter geschrieben:
โEs ist zu prรผfen, ob รผber die bestehende LAG Radverkehr im Wirtschaftsministerium hinaus รผberhaupt Bedarf fรผr eine landesweite Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte bestehtโ
Keine Erklรคrung der mรถglichen Vorteile, kein Werben, kein Erklรคren. Nix.โ
Wie gesagt: Wenn Bรผrokraten nichts bewilligen wollen, dann sorgen sie schon dafรผr, dass die Antragsteller entmutigt werden.
Und dabei belieรen sie es nicht. Es kommt noch besser. Denn wenn man finanzschwache Kommunen verschrecken will, dann sagt man ihnen nicht, dass sie Geld fรผr ihre Arbeit bekommen kรถnnen, sondern dass man welches von ihnen verlangt.
Eine ganz tolle Strategie, fand Katja Meier: โIm April 2017 habe ich nochmals nachgefragt, was denn nun aus dem Versprechen wรผrde.
Die Antwort des Ministers diesmal:
โEine erste Umfrage bei den sรคchsischen Stรคdten und Gemeinden hat ein geringes Interesse ergeben. Nur wenige Kommunen sind gegenwรคrtig bereit, in einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte mitzuarbeiten und ggf. auch Beitrรคge zu errichten.โ
Das ist natรผrlich eine Superwerbestrategie: Statt mit den Vorteilen zu werben, zu verkรผnden, dass wรผrde die Kommunen erst mal Geld kosten.โ
Das alles klingt nicht mehr danach, dass die Radwegeabteilung im Verkehrsministerium personell unterbesetzt sein kรถnnte, sondern dass sie mit Mitarbeitern besetzt ist, die alles dafรผr tun, kommunalen Radwegebau in Sachsen zu verunmรถglichen. Und zwar so erfolgreich, dass die Regierungskoalition beim Thema Radwegebau noch genau da steht, wo sie 2014 angefangen hat.
Bestimmt gibt es dafรผr einen internen Preis des โBesten Verhinderersโ.
Diese Preisverleihung darf durchaus รถffentlich stattfinden.
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Die komplette Rede von Katja Meier zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD โFahrradwegebau beschleunigen, Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungseinheiten stรคrkenโโ
- Sitzung des Sรคchsischen Landtags, 14. Dezember, TOP 6
โ Es gilt das gesprochene Wort โ
Herr Prรคsident,
meine Damen und Herren,
โDer Landtag mรถge beschlieรen, die Staatsregierung zu ersuchen, die Kommunen und Landkreise bei der Grรผndung einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte, Gemeinden und Landkreise zu unterstรผtzen mit dem Ziel, die Kommunikation, Organisation und den Informationsaustausch der radverkehrspolitischen Akteure in Sachsen zu optimieren.โ
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe gerade nicht aus dem aktuell vorliegenden Antrag zitiert, sondern aus einem vor mehr als zwei Jahren eingereichten Antrag von CDU und SPD.
Was bedeutet es, wenn die Grรผndung dieser Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen im Koalitionsvertrag von 2014 steht, in einem Antrag von CDU und SPD 2015 nochmals fixiert wird und heute Ende 2017 eine Abstimmung im Landtagsplenum erfolgt?
Wie muss ich diesen Antrag heute verstehen?
Als Misstrauensvotum von CDU und SPD gegenรผber Minister Dulig?
Als Zeichen, dass der Minister sein Haus nicht im Griff hat?
Kann Minister Dulig das Anliegen des Koalitionsvertrages auch im dritten Jahr nicht gegen seinen Abteilungsleiter Verkehr im Ministerium fรผr Wirtschaft und Arbeit durchsetzen? Sind die Hinterlassenschaften der FDP im Ministerium so mรคchtig? Genieรen sie so viel Narrenfreiheit, dass es ihnen schlichtweg egal sein kann, wer โunter ihnen Minister istโ?
Auch wenn ich mittlerweile an meinem eigenen Optimismus zweifle, aber das kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass Ihnen der Radverkehr vรถllig egal ist. Offensichtlich ist aber Radverkehrsfรถrderung keine Chefsache und wird mit viel kreativer Energie im Ministerium selbst blockiert.
Zur Erinnerung: In den Kommunen gibt es einen riesigen Bedarf fรผr neue Radverkehrsanlagen. Gerade in kleineren Kommunen ist die Verwaltung รผberlastet und personell ausgedรผnnt. Aber es fehlt an unbรผrokratischer Unterstรผtzung und kompetenter Beratung im Ministerium.
In fast jedem anderen Bundesland und auch unter den verschiedensten Regierungskoalitionen wurde die Grรผndung solcher Arbeitsgemeinschaften fahrradfreundlicher Stรคdte (AGFS) oder AG Nahmobilitรคt initiiert, koordiniert und unterstรผtzt. Nicht als siebzehnte sinnlose Kaffeerunde รผberlasteter Vertreterinnen der Kommunalbehรถrden sondern als Schnittstelle und Schaltstelle, um Kommunen unter die Arme zu greifen.
Mit eigener Geschรคftsstelle und eigenem Personal bekommen Kommunen Weiterbildungsangebote, einen Fรถrderleitfaden, Musterantrรคge, best practice-Beispiele fรผr kompliziertere Lรถsungen bei der Radverkehrsplanung. Ein echter Mehrwert also, der Arbeit abnehmen soll. Dienstleistungsorientiert, zugewandt und aufsuchend.
Seit 2015 stehen im Haushalt Finanzmittel fรผr die von Arbeitsgemeinschaften fahrradfreundlicher Stรคdte bereit. Abgerufen wurden sie seit drei Jahren nicht.
Was ist hier passiert? Im Februar 2016 (also vor 22 Monaten) antwortete Minister Dulig auf meine Anfrage: โDer Sรคchsische Stรคdte- und Gemeindetag hatte die Aufgabe รผbernommen, herauszufinden, welche Stรคdte und Gemeinden Interesse an einer Mitarbeit in einer AG fahrradfreundlicher Stรคdte haben. Zwรถlf Kommunen haben ihr Interesse auf die interne Anfrage des Stรคdte- und Gemeindetags bekundet. Die Namen der zwรถlf Kommunen liegen der Staatsregierung nicht vor. Sie wurden aufgrund der Vertraulichkeit der Abfrage vom Stรคdte- und Gemeindetag nicht benannt.โ
Wie bitte? Datenschutz ist uns Grรผnen wichtig, aber das klingt absurd. Der zustรคndige Minister beauftragt den Stรคdte- und Gemeindetag das Interesse abzufragen und darf dann aus Datenschutzgrรผnden nicht erfahren, wer Interesse hat? Radio Eriwan lรคsst grรผรen.
Mittlerweile war ich in mehr als zehn sรคchsischen Kommunen unterwegs und habe das Thema Radverkehrsfรถrderung mit Oberbรผrgermeistern oder Baudezernentinnen diskutiert. Ich habe wirklich alle gefragt โ 9 von 10 hatten noch nie etwas von einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte gehรถrt, nur einer konnte sich an die Abfrage des Stรคdte- und Gemeindetags erinnern. So habe ich diese auch noch zu Gesicht bekommen und ich muss sagen: eine Werbung war dieses Anschreiben nicht.
Versteckt unter mehreren anderen Themenpunkten wurde lediglich der Ausschnitt im Koalitionsvertrag zitiert und darunter geschrieben: โEs ist zu prรผfen, ob รผber die bestehende LAG Radverkehr im Wirtschaftsministerium hinaus รผberhaupt Bedarf fรผr eine landesweite Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte besteht.โ Keine Erklรคrung der mรถglichen Vorteile, kein Werben, kein Erklรคren. Nix.
Aber es geht noch weiter: Im April 2017 habe ich nochmals nachgefragt, was denn nun aus dem Versprechen wรผrde.
Die Antwort des Ministers diesmal: โEine erste Umfrage bei den sรคchsischen Stรคdten und Gemeinden hat ein geringes Interesse ergeben. Nur wenige Kommunen sind gegenwรคrtig bereit, in einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte mitzuarbeiten und ggf. auch Beitrรคge zu errichten.โ
Das ist natรผrlich eine Superwerbestrategie: Statt mit den Vorteilen zu werben, zu verkรผnden, dass wรผrde die Kommunen erst mal Geld kosten. รbrigens, die KommunalvertreterInnen, mit denen ich gesprochen habe, hatten alle groรes Interesse an einer solchen Arbeitsgemeinschaft. Nachdem ich das Prinzip und die Vorteile in Ruhe erklรคrt hatte. Das hรคtten Sie auch machen kรถnnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natรผrlich werden wir dem Antrag zustimmen, er ist nicht falsch, unschรคdlich und insbesondere mit der Konkretisierung als Grรผndungsdatum der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Stรคdte auf Sommer 2018 ein echter Fortschritt.
Das im Landesamt fรผr Straรenbau und Verkehr (LASuV) quasi kein Personal beschรคftigt ist, das sich ausschlieรlich und fachlich gut ausgebildet mit Radverkehr beschรคftigt ist keine neue Erkenntnis โ dafรผr brauche ich keinen x-ten Prรผfauftrag. Von den 60 Stellen, die im Doppelhaushalt geschaffen wurden, gab es keine einzige fรผr Radverkehrsplanung, das ist ein Unding. Genau das wรคren aber die Stellschrauben, die den Unterschied ums Ganze machen beim Thema Radverkehrsfรถrderung.
Wir bringen deshalb einen eigenen umfassenderen Antrag dazu ein, Sie werden in Kรผrze Gelegenheit haben, auch diesem zuzustimmen, um wirklich entscheidend beim Radverkehr voranzukommen!
Der Antrag von CDU und SPD. Drs. 11417
Grรผne Landtagsabgeordnete fordert Verkehrsminister Dulig auf, sein Ministerium endlich auf Vordermann zu bringen
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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