Wie sehr die politische Debatte um den Verkehr in Leipzig herumeiert, konnte man ja seit 2015 schon exemplarisch beobachten. Damals ging es im Stadtrat um den Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr und öffentlicher Raum - und wie verbissen wurde um die Zielmarke für den ÖPNV gefeilscht - sollen es 23 oder 25 Prozent sein? Und wieviel Autoverkehr darf es sein? Als ob die Verkehrsmittelwahl in Leipzig eine Entscheidung in der Quengelzone ist. Und nicht eine, die jeder Leipziger täglich anhand harter Fakten fällt. Zeit für eine Umfrage, findet das UFZ.

Dass es die sogenannte bürgerliche Fraktion im Stadtrat war, die regelrecht ein Drama mit dem Motto “Weltuntergang” um die Zahlen im STEP Verkehr aufführte, war kein Zufall. Dort haben alle umweltfreundlichen Verkehrsarten seit Jahren keine Lobby, egal, ob es um Fußgänger, Radfahrer oder ÖPNV-Nutzer geht.

Man betrachtet die Welt nur durch die Windschutzscheibe und stellt dann mit grimmiger Miene fest: Die Anderen stören. Die stehen im Weg, nehmen Platz weg. Und künftig will die Stadt wohl gar den armen Autofahrern noch mehr Straßen und Parkräume beschneiden? Also quasi vormundschaftlich entscheiden, wer welches Verkehrsmittel nutzen darf?

Dass gerade die umweltfreundlichen Verkehrsarten in Leipzig seit 20 Jahren unter permanenter Unterfinanzierung leiden, andererseits aber als einzige die größeren Kapazitäten haben, um den wachsenden Verkehr in der Stadt aufzunehmen, spielt im Weltbild der Nur-Auto-Fahrer keine Rolle.

Der Radverkehr ist das beste Beispiel. Der nimmt sogar zu, obwohl die Radwegebedingungen sich nur zögerlich und punktuell verbessern. Immer mehr (junge) Leipziger schwingen sich auch im Berufsverkehr aufs Rad, weil sie so schneller zum Ziel kommen.

Doch während man für den Kfz-Verkehr so ziemlich alles berechnen kann, radeln die Radfahrer aus Planersicht leidlich im Dunkeln. Nur die jährlichen Bürgerumfragen bringen immer wieder ein paar belastbare Zahlen ans Licht. So gaben 2016 immerhin 34 Prozent der Befragten an, täglich oder mehrmals wöchentlich das Rad zu benutzen. 41 Prozent sind mit den Radverkehrsanlagen mehr oder weniger zufrieden.

Aber schon die Frage “Wird in Leipzig genügend für den Radverkehr getan?” zeigte, dass die Fähigkeit, so etwas einzuschätzen, deutlich auseinandergeht, wenn jemand nur gelegentlich radelt oder täglich fahren muss. Denn die (fast) täglichen Radfahrer stellten nur zu 42 Prozent fest, dass genug für den Radverkehr getan werde, bei den Selten-Radlern waren es 77 Prozent.

Da schließt sich jetzt eine Online-Umfrage zum Radfahren in Leipzig an, die das Umweltforschungszentrum veranstaltet.

Im Rahmen einer unabhängigen Forschungsarbeit am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sind alle Leipzigerinnen und Leipziger eingeladen, ihre Erfahrungen zum Radfahren in Leipzig mitzuteilen. Die Ergebnisse sollen vor dem Hintergrund einer nachhaltigen und gesundheitsfördernden Stadtentwicklung ein aktuelles Meinungsbild liefern.

Da geht es um die Häufigkeit des Radfahrens, die zurückgelegten Wegstrecken, aber auch um die Frage, ob man (auch) noch ein Auto nutzt, ob man den ÖPNV benutzt und welche Gründe einen zum Radfahren bewegen (oder davon abhalten). Denn bei der Wahl des Verkehrsmittels geht es immer um die Motivation: Ist man damit schneller, flexibler, spart man Zeit? Ist es bequem und leicht verfügbar? Oder ersetzt das Rad gar die fehlende Straßenbahnverbindung? Halten einen schlechte Radwege oder verstopfte Straßen vom Radfahren ab? Oder lohnen sich sogar Umwege, weil Radfahren selbst gesund, entspannend und angenehm ist?

Es entsteht, wenn man alle Felder ausfüllt, ein recht komplexes Bild von Radfahrern in Leipzig – auch nach Wohnorten aufdröselbar und Einkommen.

Je mehr Leipziger mitmachen, umso aussagekräftiger wird das Ergebnis natürlich, das möglicherweise hilft, die Diskussion um den Radverkehr in Leipzig auf eine festere Basis zu stellen.

Bis hin zu der Frage, was die Leipziger am Radfahren hindert – und ob sich das abstellen lässt.

Die Umfrage ist anonym. Eine Teilnahme ist vom 27. Januar bis 17. Februar 2018 im Internet möglich unter:

www.ufz.de/radfrage

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar