Liegt es wirklich nur an fehlenden Verkehrsplanern, wenn wichtige Pläne zur Leipziger Verkehrsentwicklung um Jahre hinterherkleckern? Nicht unbedingt, stellt jetzt die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat fest. Denn eine Radnetzplanung liegt nach Informationen der Linksfraktion seit Jahren in der Schublade. Dabei sollte sie schon 2015 beschlossen werden.

Man merkt, wie einige Fraktionen mittlerweile immer zorniger werden, weil Verkehrspläne, die der Stadtrat bestellt hat, mittlerweile um Jahre verschoben werden. Manche sind längst fertig, hätten längst beschlossen werden können. Doch augenscheinlich ist es eben nicht so, wie LVZ und CDU suggerieren – dass das Baudezernat nicht hinterherkommt, die bestellten Vorlagen zu erarbeiten – sondern der Oberbürgermeister. Dem beide jetzt gern auch noch eine Stabsstelle Verkehr zuordnen würden. Frei nach dem Motto: Wenn andere die Arbeit nicht schaffen, kriegt das auch noch der OBM auf den Tisch.

Man träumt augenscheinlich von so einer Art OBM-Generaldirektion, in der die Bürgermeister dann keine Rolle mehr spielen. Alles wird zentral gesteuert wie in einem ordentlichen Kombinat historischen Zuschnitts.

Aber die Tatsache, dass der Radnetzplan dem Stadtrat bis heute nicht vorgelegt wurde, schafft ja geradezu Raum für diese Kapriolen am Spielfeldrand, bei denen dann gern so getan wird, als wäre Leipzig auf einem falschen Verkehrskurs und den Radfahrern würde neuerdings zu viel des Guten getan.

Dabei warten die nun seit fünf Jahren darauf, dass endlich eine ordentliche Radnetzplanung auf dem Tisch liegt.

„In vielen Kommunen ist ein umfassendes Radnetz ein wesentlicher Bestandteil der Radverkehrskonzeption. Im Mittelpunkt steht die systematische Betrachtung des Alltagsradverkehrs. Dabei werden alle relevanten Ziele und Quellen wie Bildungseinrichtungen oder Einrichtungen des täglichen Bedarfs einbezogen. Erst mit der systematischen Betrachtung ist eine bessere Verzahnung der Netzelemente anderer Verkehrsarten möglich“, stellt die Linksfraktion dazu fest.

„Damit können bereits im Vorfeld gegenseitige Konfliktpotenziale erkannt und in der Folge verringert oder sogar eliminiert werden. Ein Netzplan kann dann auch die Basis für eine intelligente Beschilderung bzw. Radwegweisung sein. Auch hilft ein Netzplan, ausgewählte relevante Strecken für eine ganzjährige Befahrung zu identifizieren und sukzessive in den kommunalen Winterdienst einzubeziehen.“

Und natürlich geht es um Geld

Keine Verkehrsart wurde in Leipzig so lange völlig unterfinanziert wie der Radverkehr. Umso mehr Furore machen natürlich die Abmarkierungen auf der Georg-Schumann-Straße und der Dresdner Straße. Das kostete wenig, sorgte aber in beiden Fällen für gewaltiges Aufsehen, weil es erstmals sichtbare Verkehrstrassen für Radfahrer schuf, wo vorher keine waren. Denn – wie erwähnt – ein ausgebautes und durchgeplantes großes Radnetz gibt es nicht.

„Aufgrund der knappen Finanzmittel in den Kommunen lässt eine systematische Betrachtung des Radverkehrs eine Abarbeitung nach Prioritäten, zum Beispiel anhand der Radverkehrsbelegung zu. Ein konzentrierter Mitteleinsatz reduziert die Kosten für den Ausbau und den Unterhalt der Radverkehrsanlagen zum Teil erheblich. Darüber hinaus führt ein gezielter Mitteleinsatz zu einer qualitativen Verbesserung der Infrastruktur und zu einer größeren Akzeptanz des Radverkehrs“, stellt die Linksfraktion lauter Selbstverständlichkeiten fest, die aber in der öffentlichen Verkehrsdebatte nicht vorkommen. Eben weil es den beschlossenen Grundplan nicht gibt. Und wo nichts beschlossen ist, beginnen die Gefühligkeiten. Das ist wie mit dem Auenwald. Alles, was nicht öffentlich ausdiskutiert und beschlossen wurde, wird zum Tuummelplatz der Ressentiments und Mutmaßungen.

Und dabei ist jetzt schon klar, dass Leipzig das Potenzial zu einer richtigen Radfahrerstadt hat – nicht nur mit 20 Prozent Anteil am Gesamtverkehr, sondern mit 25, 30 oder auch mehr. Die Stadt liegt ja flach wie ein Omelette in der Landschaft.

Nur: Das Gelbe vom Ei ist sie nicht mehr. Eher ein Pfannkuchen, bei dem man Eier, Milch und Zucker weggelassen hat. An den Rand der Möglichkeiten gespart von einem Land, dem die Dukaten auf der Bank wichtiger sind als die Investitionen in die Gegenwart. Oder gar ein attraktives Radnetz in Leipzig. Stichwort: Fördergelder des Freistaates Sachsen.

„Damit wird der Radverkehr einen noch signifikanteren Anteil bei der Entlastung anderer Verkehrsarten leisten als ohnehin jetzt schon“, stellt die Linksfraktion fest. „Hier und da einen Radweg abzumarkieren wie in Leipzig, ist keine systematische Verkehrspolitik. Der Oberbürgermeister hat es leider bisher versäumt, den im Juni 2012 getroffenen Ratsbeschluss (RVB-1261/12), dem Stadtrat, den Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten bis Ende des II. Quartals 2015 eine Radnetzplanung vorzulegen, mit einer gesamtstädtischen Radverkehrslösung abzustimmen. Frappierend kommt hinzu, dass eine nahezu ausgearbeitete Radnetzplanung seit Jahren in der Stadtverwaltung in der Schublade liegt.“

Das kann schon frustrieren

Erst recht, wenn gewählte Stadträte seit Jahren auf diese Vorlagen warten, weil sie zugucken können, wie sich draußen im Netz die Konflikte häufen. Und dann ist da noch der völlig abgetauchte Radverkehrsbeauftragte. Das muss man erst mal fertigbringen, in dieser Position vier Jahre lang einfach mal nichts zu vermelden.

„Der Ort für klärende Erläuterungen, nämlich der ‚jährliche Bericht des Radverkehrsbeauftragten‘, wurde letztmalig im Frühjahr 2013 veröffentlicht“, stellt die Linksfraktion fest. „Solange es keine abgestimmte Radnetzplanung gibt, werden auch künftig Bürgerinnen und Bürger, Stadträte, Ortschaftsräte und Stadtbezirksbeiräte singuläre Verbesserungsvorschläge zum Radverkehr vorbringen. Einen Plan, inwieweit diese Vorschläge sich in ein Gesamtgefüge einpassen, gibt es bisher nicht.“

Das nennt man: lauter verpasste Chancen, auch die Diskussion um die Verkehrspolitik in Leipzig endlich auf eine feste Basis zu stellen.

Was tun? – Der Beschlussvorschlag der Linksfraktion: „Der Oberbürgermeister legt dem Stadtrat die mit dem Radverkehrsentwicklungsplan beschlossene Radnetzplanung (Hauptnetzrad) bis zum 31.03.2018 vor. Die vorzulegende Leipziger Radnetzplanung ist dabei mit dem SachsenNetzRad sinnvoll nutzungsorientiert zu verknüpfen.“

Kommt in Leipzig jetzt der Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Autofahrerseligkeit?

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