Während einigen Parteien in Leipzig die im Oktober vorgestellten sechs Mobilitätsszenarien schon viel zu weit gehen, stellt der BUND Leipzig nun fest, dass sie eigentlich nicht weit genug gehen, wenn es darum geht, die Umweltziele der Stadt zu erreichen. Er spricht sich für eine schnelle Umstellung des Stadtverkehrs auf gesunde und klimafreundliche Verkehrsmittel aus.

Bei der jährlichen Mitgliederversammlung am 8. Dezember stimmten die Mitglieder für einen entsprechenden Leitantrag.

Zu Beginn der Versammlung richtete Norman Volger (Fraktionsvorsitzender Grüne Fraktion Leipzig) ein Grußwort an die Mitglieder. Darin verdeutlichte er die Nachhaltigkeitsentwicklungen in Leipzig in den letzten Jahren, aber auch die Probleme, die es noch zu bewältigen gilt.

Im Verlauf der Mitgliederversammlung wurde der Leitantrag der BUND Regionalgruppe zu „Leipzig nachhaltig mobil“ vorgestellt und beschlossen. Der BUND fordert darin ein anspruchsvolles und zukunftsfähiges Verkehrskonzept mit der Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr zum Umweltverbund (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr) das sich – statt auf die Vereinnahmung des öffentlichen Raumes durch Fahrzeuge – auf den Lebens- und Bewegungsraum der Stadtbewohner fokussiert.

Zudem kritisiert der BUND Leipzig in seinem Leitantrag die „Mobilitätsstrategien 2030“, die derzeit dem Stadtrat vorliegen, da in keiner dieser Mobilitätsstrategien der gesamte Umweltverbund gefördert wird.

„Statt einer schrittweisen Anhebung der Anteile umweltfreundlicher Mobilität, brauchen wir dringend konsequente und fortschrittliche Konzepte, die eine umweltgerechte Stadtentwicklung für alle Akteure anstrebt und die Herausforderungen einer wachsenden Stadt auch in den nächsten Jahrzehnten nachhaltig meistern kann“, so der BUND.

Tatsächlich blenden alle sechs Mobilitätsszenarien die Tatsache aus, dass Leipzig seit zehn Jahren nicht mehr die nötigen Gelder in umweltfreundliche Verkehrsarten investiert hat. So hatte man zwar die Sanierung des LVB-Netzes auf dem Plan, aber nicht die Planung für ein Netz, das ein Wachstum von 150 Millionen Nutzern auf 200, 220 Millionen stemmen kann. Im ÖPNV-Szenario werden auch mal 265 Millionen für möglich gehalten. Man merkt allen sechs Szenarien an, dass man sich einen wirklich leistungsfähigen ÖPNV in Leipzig nicht vorstellen kann.

Nur so als Seitenschwenk: Auch die Autoren der IHK-Studie fordern mehr und schlagen einen leistungsstarken Mittleren Ring für den ÖPNV vor. Etwas, was heute noch gar nicht zu denken ist. Die Tangenten werden von Bussen befahren, die sich oft in zahlreichen Windungen durch die Ortsteile schleppen. Wer es eilig hat, fährt auch mit der Straßenbahn erst einmal über den City-Ring. Das sieht nur auf den ersten Blick flott aus – bei näherem Hinschauen haben die ÖPNV-Nutzer dieselben Flaschenhälse im Netz wie die Autofahrer. Flott ist man tatsächlich nur mit der S-Bahn unterwegs. Wenn man an deren Strecke wohnt.

Die Mobilitätsszenarien kaschieren die Tatsache, dass Leipzig gerade beim ÖPNV und beim Radverkehr all die Jahre gespart hat und den Richtungswechsel in der Verkehrspolitik längst verpasst hat. Der wäre 2009 fällig gewesen.

Aber zumindest eine frohe Botschaft liest man ja aus Dresden. In der Absichtserklärung der CDU/SPD-Koalition kann man lesen: „Wir werden den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Sachsen stärken und ausbauen. Mit der Umsetzung der Empfehlungen der ÖPN-Strategiekommission werden wir im Jahr 2018 beginnen.“

Diese Empfehlungen liegen noch nicht vor. Auf die wartet auch Verkehrsminister Martin Dulig noch. Sein Ministerium meldete am 28. September: „Ein kundenfreundlicher, leistungsfähiger, innovativer und wirtschaftlicher Öffentlicher Nahverkehr ist eine Herausforderung, der sich die ÖPNV-Strategiekommission angenommen hat. Der Arbeitsplan der Kommission sieht vor, dass die Staatsregierung zum Jahresende die Vorschläge der Kommission im Rahmen eines Abschlussberichtes übergeben bekommt. Diese Vorschläge haben beratenden Charakter. Die Staatsregierung wird die Überlegungen und Vorschläge der Kommission bewerten, über dessen Ausgestaltung und Umfang entscheiden. In Abstimmung mit den kommunalen Aufgabenträgern sind die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen im Haushalt zu schaffen.“

Da hätte man in Leipzig ja schon mal vorarbeiten können, um Visionen für ein leistungsfähiges ÖPNV-Netz vorzulegen. So ein bisschen war das so auch geplant, denn seit 2016 sollte eigentlich der neue Nahverkehrsplan der Stadt diskutiert werden. Die erste Bürgerveranstaltung fand damals auch statt. Aber dann verschwand der ganze Prozess hinter den Kulissen, was die Linksfraktion im Juni 2017 dazu brachte, mal nachzufragen: „Mit Vorlage Nr. IV-DS-02809 wurden der Ratsversammlung am 24. August 2016 die Evaluierung des derzeit gültigen Nahverkehrsplans sowie ein Zeitplan zum Fortschreibungsprozess vorgelegt. In dem Zeitplan ist zu lesen, dass von Januar 2017 bis September 2017 die Beteiligungsphase läuft. Im Beschluss heißt es: ‚Diese Phase beginnt damit, dass der Entwurf des neuen Nahverkehrsplans mittels Vorlage für die Dienstberatung des OBM 1. Lesung für den weiteren Beteiligungsprozess bestätigt wird.‘“

Was dann logische Fragen nach sich zog: „Wann wird den Stadträten und Stadträtinnen die Vorlage zu den drei Mobilitätsszenarien zur Beratung vorgelegt? Wann wird der Entwurf des Nahverkehrsplans in die Beteiligungsphase starten? Wie will die Stadtverwaltung den schon jetzt eingetretenen Zeitverzug aufholen? Wird noch immer an dem Ziel festgehalten, den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag für die Jahre 2019 ff. bis zum September 2018 anzupassen?“.

Stattdessen hat die Stadt ihre sechs Mobilitätsszenarien vorgelegt, von denen eines dann zur Grundlage werden soll für den neuen Radverkehrsentwicklungsplan und den Nahverkehrsplan. Aber welches Konzept es sein soll, wird der Stadtrat frühestens im Frühjahr 2018 entscheiden. Wenn überhaupt.

Und damit ist auch der restliche Terminplan für den Nahverkehrsplan Makulatur, wie er auf der Homepage der Stadt zu lesen ist: „Aufbauend auf den Ergebnissen der Evaluation sowie der Szenarienentwicklung und -untersuchung wird dann die eigentliche Fortschreibung des Nahverkehrsplanes erarbeitet. Anfang 2018 wird es auch dazu ein umfangreiches Beteiligungsverfahren geben. Der Beschluss des Stadtrates zur zweiten Fortschreibung des Nahverkehrsplans ist im II. Quartal 2018 vorgesehen.“

Vor 2019 ist mit keinem beschließbaren Ergebnis zu rechnen.

Die Chance, frühzeitig einen wirklich belastbaren Nahverkehrsplan vorzulegen und damit auch in Dresden für Aktion zu sorgen, wurde vertrödelt und verpasst.

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