„Investitionen in den Nahverkehr, neue Radwege und mehr Ladestationen für E-Autos!“ Das ungefähr ist der Strauß von Möglichkeiten, mit denen die Bundesregierung glaubt, die Luftgrenzwerte in deutschen Städten minimieren und (Diesel-)Fahrverbote vermeiden zu können. 1 Milliarde Euro sollen dafür im „Dieselfonds“ zur Verfügung gestellt werden, so ein Ergebnis des nunmehr dritten „Dieselgipfels“ am 28. November. Der Bahnkundenverband hat da noch ein paar andere Ideen.

750 Millionen Euro stellt der Bund selbst bereit, 250 Millionen Euro sollen die Autohersteller beisteuern. Denn dass rund 90 deutsche Städte noch immer Probleme mit der Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe haben, hat ja direkt mit der Trickserei bei Dieselfahrzeugen zu tun. Hätten die neuen Diesel-Pkw allesamt die in den Verkaufspapieren zugesagten Grenzwerte eingehalten, hätten deutsche Städte keine Probleme mehr haben dürfen, die EU-Grenzwerte einzuhalten. Dann hätte allein die Erneuerung des Fahrzeugparks binnen fünf Jahren dazu geführt, dass insbesondere die Stickoxidbelastung in den Großstädten unter die Grenzwerte gefallen wären.

Viele Autofahrer sind ja ganz bewusst auf neue und scheinbar umweltfreundlichere Dieselmodelle umgestiegen.

Aber wie schaffen es die Städte jetzt, so schnell wie möglich die Luftschadstoffbelastung so weit zu senken, dass Fahrverbote vermieden werden können?

Da wirkt das 1-Milliarde-Paket eigentlich ziemlich klein, erst recht wenn man erfährt, dass sich die Autohersteller mit der Umrüstung der Hardware schwertun.

„Die dritte Auflage des ‚Dieselgipfels‘ gestern hat es gezeigt: die Automobilindustrie ist nicht bereit, einen spürbaren Anteil an der Umstellung auf umweltfreundlichere Antriebstechnologien zu leisten. Bedauerlich ist, dass sie in dieser Haltung durch die Bundesregierung gestärkt wird“, kritisierte am Mittwoch, 29. November,  der Deutsche Bahnkunden-Verband (DBV).

Der die Lösung eben nicht in teuer aufgerüsteten Autos sieht, sondern in einer deutlichen Stärkung des ÖPNV. Denn wenn immer mehr Menschen gute Gründe haben, auf das Auto in der Stadt zu verzichten und auf Bus und Bahn umzusteigen, trägt das sofort zu einer Minimierung der Luftbelastung bei. Ein Handicap ist meist die Unmöglichkeit, das eigene Fahrrad mitzunehmen, um nicht nur am Startort, sondern auch am Zielort auch noch auf den letzten Metern unabhängig mobil sein zu können.

Die Kombination aus Bahn, Bus und Fahrrad sei eine der Antworten auf die Frage, wie kurzfristig in den Städten die Luftqualität verbessert werden könne, betont der DBV.

„Wer sein Fahrrad in Bahn und Bus ohne Probleme mitnehmen kann, der hat einen Grund weniger sein Auto zu nutzen“, formuliert der DBV. „Wenn dann auch noch Straßenbahnen und Busse zuverlässiger fahren, braucht es weniger Fahrzeugreserven für Verspätungen. Die Beschleunigung führt dazu, dass für die gleiche Strecke und den gleichen Takt weniger Fahrzeuge benötigt werden.“

Deshalb müssten nach Meinung des DBV in den kommenden Monaten Maßnahmen im Vordergrund stehen, die kurzfristig Verbesserungen direkt im ÖPNV bringen. Insbesondere die Beschleunigung von Bahn und Bus im Straßenraum koste wenig und könne schnell zu Einsparungen führen.

Die To-do-Liste des DBV, um den ÖPNV kurzfristig zu beschleunigen:

– Ausbau von Busspuren und konsequente Überwachung.
– Ausbau von Vorrangschaltungen für Bahnen und Busse insbesondere an Kreuzungen und staugefährdeten Stellen.
– Ausweisung von Halteverboten an allen Haltestellen, damit sie zügig angefahren und wieder verlassen werden können.
– Anschaffung von Anhängern für den Fahrradtransport in ländlichen Regionen.
– An nachfragestarken Umsteigepunkten Einrichtung von personalbetreuten Abstellanlagen für Fahrräder.
– Freigabe der Fahrradmitnahme in Überlandbussen.
– Attraktive Preise für Kombifahrscheine für die Fahrradmitnahme.
– Überprüfung und Vereinfachung der Fördermöglichkeiten für Straßenbahnen und deren Infrastruktur.
– Deutliche Erhöhung der Fahrrad-Mitnahmekapazitäten in den Großstädten im Rahmen von Neuausschreibungen von Verkehren.
– Bei Großveranstaltungen müssen auch An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Eintrittspreis automatisch eingepreist sein, wenn für die Verkehrsunternehmen ein Mehraufwand entsteht.

***

Einiges davon ist ja bekanntlich in Leipzig schon umgesetzt, bei manchen Punkten aber gibt es Konflikte bis hinein in die Stadtpolitik. Aber gerade der Punkt der Fahrradmitnahmemöglichkeit zeigt, wo auch in der Leipziger Region noch Potenziale bestehen. Die S-Bahnen sind gerade im Berufsverkehr auf großzahlige Fahrradmitnahme nicht eingerichtet, Leipzigs Straßenbahnen erst recht nicht. Aber gerade wenn alltägliche Wege länger als 5 Kilometer und die Anlaufwege zur Haltestelle lang sind, findet der ÖPNV im Fahrrad eine wichtige Ergänzung. Eine, die wichtiger ist als die gern propagierte Umsteigemöglichkeit von der Straßenbahn aufs Auto.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar