Fรผr Freikรคufer Oh ja, die Welt ist voller รrsche. Man kรถnnte heulen ... :( oder ;( usw ... Jรผngst schrieb ich hier รผber einen sehr beeindruckenden Vorfall in einer Leipziger Straรenbahn. Eigentlich kรถnnte ich jeden Tag Straรenbahnerlebnisse aufschreiben. Auch solche, die vom Gegenteil erzรคhlen und in Frustration und Beleidigung mรผnden. Und in die Frage, was es tatsรคchlich bringt, Menschen einen Arsch zu nennen.
So wie es โGarleโ in seinem Kommentar sagte: โMan sollte einem Arsch schon sagen, dass er ein Arsch ist! โ Egal, ob es ein verlogener Politiker ist oder ein Straรenbahnfahrer, der nicht verinnerlicht hat, dass er lebend Gut befรถrdert!โ
Ich versteh diese Wut. Ich kenne sie auch. Es gibt Tage im Leipziger Liniennetz, da schaukelt sie sich regelrecht auf, weil die erste Bahn zu spรคt kommt oder รผberfรผllt ist, nicht aus der Haltestelle kommt, weil Fahrgรคste beim Einsteigen trรถdeln. Oder sie bleibt vor der nรคchsten Ampel stecken, weil die Spur von Linksabbiegern verstellt ist. Was ja bekanntlich Kettenreaktionen auslรถst. Nicht nur verpasste Anschlรผsse, die sich ja bekanntlich nur fรผr den Fahrgast aufsummieren. Denn 3 Minuten Verspรคtung beim Anschluss kรถnnen schnell mal bedeuten, dass man dann 15 Minuten warten muss auf die nรคchste Bahn. Die dann mรถglicherweise wieder trรถdelt, weil sie nicht in Haltestellen hineinkommt oder heraus โฆ ich fรผhre das gar nicht erst aus. Die Vielfahrenden wissen das, was einen da als von der Zeit getriebenen Menschen alles auf die Palme bringen kann.
Und dann schalte ich um im Kopf und versuche, mich in den Fahrer da vorn hineinzuversetzen, der fรผr die meisten dieser Stรถrungen und Verzรถgerungen gar nicht verantwortlich ist. Der selbst seinen Fahrplan hat, der ihm aber an manchen Tagen regelrecht um die Ohren fliegt. Wer regelmรครig Straรenbahn fรคhrt, hรถrt es ja. In den Niederflurstraรenbahnen NGT 8 haben die LVB in der letzten Zeit den Automatismus der schlieรenden Tรผren direkt mit der Klingel verbunden. Das Tรผrenschlieรen geht direkt mit einem schrillen Dauerklingeln einher, das man auch รผbersetzen kรถnnte mit: โGeht endlich aus der Tรผr! Wir wollen weiter!โ
Was manchmal mit echten Trรถdlern zu tun hat, meist aber mit der schlichten Tatsache, dass die Bahn sowieso schon ihrem Fahrplan hinterherhechelt. Es ist im Grunde das akustische Signal der Verzweiflung, das die LVB da geschaltet haben. Die vielen Hindernisse und Ausbremsungen im Leipziger Straรenbahnnetz sorgen tagtรคglich fรผr so massive Verspรคtungen im Fahrplan, dass am Ende nur noch das Signal an die Fahrgรคste bleibt: Steigt schneller ein!
Und wer lรคnger mitfรคhrt, merkt auch, was so einem Straรenbahnfahrer alles in den Weg kommt: Komplette Grรผnphasen an Kreuzungen kann er nicht nehmen, weil vor ihm ein Linksabbieger nicht in die Spur kommt. Wie oft erlebt man, dass gar nichts mehr geht, weil ein Autofahrer, der โschnell mal zum Bรคckerโ will, sein Fahrzeug halb auf den Schienen abgestellt hat.
Kรผrzlich in Gohlis erlebt, als die 10 und die 11 wegen der Baustelle am Chausseehaus durch die Menckestraรe mussten โ und dann bei nรคchster Gelegenheit tatsรคchlich ein Brรถtchenholer sein Auto in der Kurve zur Menckestraรe parkte. Das war ein lautes Klingeln und auch gleich noch ein paar Autoschlangen in alle vier Himmelsrichtungen, denn die Bahn stand ja mitten auf der Kreuzung und blockierte auch den Autoverkehr. Nach fรผnf Minuten kam der Bursche dann angewetzt โ ohne Brรถtchen. So lange hat es gebraucht, bis er kapierte, dass das Klingeln und Hupen auf der Straรe seinem Parkverhalten galt.
Da war ich bestimmt nicht der Einzige in der Bahn, der gedacht hat: โDieser Arsch.โ
Aber weil ich so etwas schon รถfter erlebt habe, frage ich mich dann jedes Mal auch: Wie geht es eigentlich dem Fahrer, der so etwas immer wieder erlebt auf seiner Tour? Der froh ist, wenn er mal ohne solche Hindernisse durchkommt?
Und die Fahrgรคste heil und unversehrt und mรถglichst ohne zu groรe Verspรคtung hingebracht hat, wo sie hinwollen.
Dass einige Fahrer im Umgang mit den Fahrgรคsten nicht wirklich souverรคn sind, merkt man in Problemsituationen natรผrlich. Die LVB wirbt um sie ja nicht, weil sie ein ordentliches Studium in Sozialwissenschaften absolviert haben, sondern weil sie Straรenbahnen fahren sollen. Was in einem reibungslos funktionierenden System natรผrlich einfacher und konfliktรคrmer ist als in diesem oft schon an seine Grenzen gebrachten Leipziger System.
Fรผr mich spiegelt sich auch im Stress der Fahrer ein auf Kante gespartes System, รผber dessen Aufwertung und Ausweitung viel zu spรคt diskutiert wird. Seit zehn Jahren wurde das System LVB auf Kante geplant. Das bekommen die Fahrgรคste genauso zu spรผren wie die Fahrer.
Noch eine Arsch-Szene gefรคllig? Auch mehrfach erlebt? Meistens dann, wenn die Straรenbahn endlich freie Fahrt รผber die Kreuzung hat und endlich losfรคhrt und man sogar schon im Anfahren merkt, dass der Fahrer gerade gemerkt hat, dass ihm doch noch in letzter Sekunde unbedingt noch ein Rotfahrer die Fahrbahn queren muss. Zum Glรผck ist die Straรenbahn in solchen Momenten noch recht langsam und die Rรคder schrillen beim Bremsen, was bei 30 Tonnen, die wieder zum Halten gebracht werden sollen, natรผrlich trotzdem nicht gleich hilft. Es gibt dann meistens ein Krachen und Scheppern und das rotlichternde Auto kommt auf der Kreuzung ziemlich zerdeppert zum Stehen.
Wer darf dann eigentlich sagen: โDer Arsch!โ?
Was ja bekanntlich nichts bringt, denn oft genug sitzt in diesem โIch hatte doch noch Orangeโ-Auto ein Zeitgenosse, der doch auch nur in Eile war, weil die Kinder noch und die Arbeit und der Stau โฆ usw. Was trotzdem alles keine guten Grรผnde sind, doch noch bei Rot รผber die Kreuzung kommen zu wollen.
Und seit ich dieses Krachen nun รถfter erlebt habe, achte ich auch รถfter drauf, wenn โmeineโ Straรenbahn freie Fahrt bekommt und losfรคhrt, wie viele Pkw trotzdem noch im selben Moment die Kreuzung queren mit quietschenden Reifen und wahrscheinlich von Fahrern gesteuert, die felsenfest darauf vertrauen, das ihnen dabei nie etwas passiert. Und wie knapp vorm Bug der Straรenbahn sie gerade noch drรผberkommen, wรคhrend der Fahrer der Bahn natรผrlich wieder im Schreckmoment steckt, Bremse und Klingel gleichzeitig bedient โ und dann wahrscheinlich niemanden hat, den er anschreien kann. Auรer prophylaktisch in seiner Fahrerkabine so fรผr sich allein.
Aber ich denke รผber dieses โArschโ noch ein bisschen weiter nach. Diese Geschichte bekommt noch einen zweiten Teil.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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Also erstmal generelle Zustimmung. Aber: als aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ist sicher jedem schon aufgefallen, dass das โgrรผnโ einer Straรenbahn ein paar Augenblicke vor dem grรผn der Autos daneben kommt. Bis zu geschรคtzten anderthalb Sekunden.
Es gibt also durchaus Kreuzungen, bei der auf der Kreuzung wartende Linksabbieger der querenden Straรe noch auf den entgegenkommenden Verkehr warten, dann erst die Kreuzung rรคumen kรถnnen. Da hat aber die Straรenbahn schon grรผn und fรคhrt auch gleich mit vollโstromโ los. Und klingelt sich den Weg frei. Oder macht eine Vollbremsung, da die Situation รผberhaut nicht vor zu ahnen war.