Die beiden Mobilitätsszenarien, die bei den LVB ein Weiterso beschreiben (bei dem die Kosten trotzdem steigen), sind in allen sechs vorgestellten Szenarien natürlich die preiswertesten. Ungefähr nach dem Motto: Was kann sich eine arme Stadt wie Leipzig eigentlich noch leisten? Ziemlich deutlich zeigen alle beide: Wenn Bund und Land sich bei der ÖPNV-Finanzierung nicht bewegen, bekommt Leipzig massive Verkehrsprobleme.
Und zwar ganz egal, ob die Stadt nun das Tangentenviereck ausbaut oder anderswo neue Straßen und Tunnel baut. Dafür wäre allein das steigende Pkw-Aufkommen zu groß. „Ich kenne keine Stadt, die ihre Stauprobleme mit noch mehr Straßen in den Griff bekommen hätte“, sagt OBM Burkhard Jung. Eigentlich hat es auch die IHK-Verkehrsstudie so deutlich gesagt: Wenn Leipzig den ÖPNV nicht kräftig ausbaut, kriegt es seine künftigen Verkehrsprobleme nicht in den Griff.
Drei Szenarien lösen übrigens viele der absehbaren Probleme und wurden von den Fachexperten auch dementsprechend hoch bewertet.
Dazu gehört auch das „Nachhaltigkeits-Szenario“.
Grundgedanke ist hier der Primat der „nachhaltigen Mobilität“ und Förderung des Umweltverbundes. Also eigentlich genau das, was der Stadtrat längst beschlossen hat.
Aber jetzt kommen erstmals harte Zahlen auf den Tisch.
„Bei diesem Szenario ist die lebenswerte Gestaltung der Stadt, die Verkehrslösungen auf verträgliche Weise einbettet, das oberste Ziel. Im Mittelpunkt steht die Förderung von nachhaltiger, sauberer und alle Bevölkerungsgruppen einschließender Mobilität. Der Umweltverbund spielt die Hauptrolle bei der Bewältigung des durch die wachsende Bevölkerungszahl steigenden Verkehrsaufkommens. Für alle Verkehrsteilnehmer soll Leipzig nachhaltig weiterentwickelt werden.“
Umweltverbund heißt, dass eben nicht nur in Straßenbahn und Bus mehr investiert wird, sondern auch in Radwege. Und 56 bis 60 Millionen Euro für ein besseres Radwegenetz bis 2030, das für viele Leipziger wirklich attraktiv erscheint, über 12 Jahre gerechnet, ist nicht zu viel Geld. Denn das Ergebnis ist ein Radanteil am Modal Split von 23 Prozent, ebenso viel übrigens wie beim ÖPNV. Dieses Szenario setzt also das um, was der Stadtrat beschlossen hat.
Beim Ausbau des ÖPNV (neue Strecken, neue Fahrzeuge, dichtere Takte, mehr Haltestellen) kommt man freilich auf eine Investitionsgröße von zusätzlich 843 bis 991 Millionen Euro, also der von Burkhard Jung beschworenen Milliarde.
Was nicht unrealistisch ist. Pro Jahr wären das rund 80 Millionen Euro mehr. Aber wenn die LVB jemals mehr als 180, 190 Millionen Fahrgäste transportieren wollen (heute sind es 150 Millionen), dann kommen sie um diese Investitionen nicht umhin. Die Planer sehen die Zielzahl bei den Fahrgästen bei 220 Millionen.
Das freilich ist eine Zahl, die ich bezweifle. Wenn es die LVB wirklich so ernst meinen, dann sind 250, 270 Millionen die eigentliche Zielgröße.
Die Investition in der Größenordnung hat aber sichtbare Vorteile:
– Steigerung der Fahrgastzahlen und Auslastung im ÖPNV
– Geschwindigkeit im ÖPNV und im Kfz-Verkehr bleibt im Vergleich zu heute konstant
– Die Grenzwerte bei Stickoxid und CO2 werden eingehalten, sehr leises Szenario
– Hoher öffentlicher Finanzierungsaufwand für ÖPNV
– Wirtschaftsverkehr/Anlieferung auf heutigem Geschwindigkeitsniveau
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Das heißt: Da Radfahrer und ÖPNV-Nutzer fast die Hälfte des Verkehrs ausmachen, bleiben die Straßen befahrbar und ersticken nicht im Stau.
Was eben bislang fehlte, war die Bezifferung der realen Investitionsgröße. Was der ADFC so kommentiert: „Die Vorstellung der Mobilitätsszenarien für die Stadt Leipzig am heutigen Dienstag durch den Oberbürgermeister, die Baubürgermeisterin und den Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes stellt die Debatte über die Zukunft der Mobilität in der stark wachsenden mitteldeutschen Metropole vom Kopf auf die Füße. Es ist wichtig, dass der Stadtrat eine zukunftsweisende Entscheidung auf Grundlage möglichst vielschichtiger Informationen und in Kenntnis der unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse aller Menschen in Leipzig trifft. Der ADFC Leipzig begrüßt die Transparenz, mit der auch die Öffentlichkeit über die Konsequenzen unterschiedlicher Mobilitätsszenarien informiert und durch ein Beteiligungsverfahren in die Entscheidungsfindung einbezogen wird.“
„Mobilität für Menschen ist ein elementarer Baustein für eine lebenswerte Stadt“, stellt Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig fest. „Es ist daher wichtig, sich die Wirkungen jedes einzelnen Szenarios auf die Gesamtstadt vor Augen zu führen und sich dabei die Frage zu stellen: In was für einer Stadt wollen wir leben?“
Wobei das Fahrrad in einem anderen Szenario sogar direkt im Zentrum steht.
Dazu kommen wir noch.
Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie
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