Es ist schon erstaunlich, zu welchen Diskussionen so ein einzelner Park(ing) Day anregt. Heute ist ja wieder einer. An diesem Tag okkupieren Menschen und Initiativen tapfer einzelne Stellplätze im Stadtgebiet und veranstalten darauf ein publikumswirksames Sit-in. Oder ein bisschen mehr. Autofahrer fluchen, weil sie der Überzeugung sind, dass der Stellplatz ihnen gehört. Was ja dann nach Adam Ries 250.184 Plätze ergibt, die quasi einem Pkw-Besitzer „gehören“ in Leipzig.
Einige davon befinden sich in Garagen und privaten Parkräumen, gehören in dem Sinn also tatsächlich dem Autobesitzer, egal, ob gemietet oder gepachtet. Aber die meisten Autos stehen auf öffentlichen Straßen und die Besitzer zahlen keinen Cent dafür. Trotzdem ist dieser Raum für andere Nutzungen nicht verfügbar. Darauf macht der Park(ing) Day aufmerksam.
Den übrigens die Leipziger Jusos dazu nutzen, flächendeckende Parkraumgebühren für Leipzig zu fordern. Ein ganz heißes Eisen. Die Jusos Leipzig betreiben von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr ihren Park(ing) Day-Aktionsstand in den Parklücken vor der Schillerstraße 5.
Hierzu erklärt Marco Rietzschel, Vorsitzender der Jusos Leipzig: „Wer in Leipzig mit dem Öffentlichen Nahverkehr fährt, muss ein Ticket kaufen. Wer hingegen sein Auto in der Stadt abstellt, muss dafür häufig nicht zahlen. Das wollen wir ändern. Leipzig ist die am schnellsten wachsende Großstadt in Deutschland. Dieses Wachstum lässt einen enormen Druck auf die zur Verfügung stehenden Flächen entstehen. Andere deutsche Großstädte haben seit Jahren eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung. Für uns Jusos Leipzig steht fest: Parkraum gibt es nicht für lau!“
Katharina Baum, die kommunalpolitische Sprecherin der Jusos Leipzig, fügt hinzu: „An dem bundesweiten Aktionstag Park(ing) Day nehmen wir als Jusos Leipzig natürlich teil. Wir wollen mit unserer Aktion mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Parkraum lenken. Eine funktionierende Bewirtschaftung ist ein wichtiges Steuerungselement, um die verkehrspolitischen Ziele der Stadt zu erreichen. Zugleich stellt eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung Mehreinnahmen sicher, die z. B. zu einer Stabilisierung der Ticketpreise für den öffentlichen Nahverkehr führen können. In unseren Augen ist der Anteil an konventionellen Parkflächen zu hoch um den zukünftigen Herausforderungen entgegenzutreten. Wir wollen eine effizientere Nutzung über einen höheren Anteil an Sonderflächen. Die Stadt Leipzig muss gezielt Parkflächen ausschließlich für den Wirtschaftsverkehr bereitstellen, um Gewerbe und Einzelhandel zu entlasten. Zugleich muss der Anteil an Carsharingflächen und Fahrradbügeln steigen um eine ökologischere und effizientere Nutzung der knappen Parkflächen zu ermöglichen.“
Und auch die Leipziger FDP fühlt sich von diesem Park(ing) Day bewegt. Denn der macht auch darauf aufmerksam, dass Leipzig mit der alten Verkehrspolitik eigentlich an seine Grenzen gekommen ist. Nicht nur beim verfügbaren Parkraum.
Voraus ging dem aber die Kritik der Handwerkskammer am Park(ing) Day. Denn dort fürchtet man, dass die mobilen Handwerker nun noch weniger Parklücken finden, um ihr in der Regel notwendiges Fahrzeug bei Reparatur- und anderen Einsätzen nahe am Einsatzort zu parken.
Aber das löst ja das Problem nicht.
FDP-Stadtrat René Hobusch, Vorsitzender der Freibeuter-Fraktion im Stadtrat, findet, dass Leipzig jetzt wirklich über seine Verkehrszukunft nachdenken sollte: „Das Problem in Leipzig ist nicht ein einzelner Parking Day. Das Recht, eine solche Veranstaltung durchzuführen, ist geschützt durch das Versammlungsrecht wie jede andere Versammlung in der Stadt auch. Das Problem der Stadt ist die Konzeptlosigkeit beim Thema Verkehr der Zukunft.“
Dass er auch ein bisschen sauer ist, verhehlt er nicht. Denn der Verkehr der Zukunft spielt im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) eine wichtige Rolle. Und was da am Ende steht, das hat sich ja der OBM in Konturen ausgedacht und müsste es eigentlich mit den Ratsfraktionen diskutieren.
„Wir diskutieren über INSEK. Beim Workshop mit den Stadträten am Wochenende glänzt der Oberbürgermeister jedoch durch Abwesenheit. Seine Ideen teilt Jung stattdessen wie ein Sonnenkönig über die Medien mit. Das ist schlechter Stil“, sagt Hobusch. Auch wenn nur wenige Aspekte dazu im erwähnten LVZ-Interview erschienen. Das auf seine Art wieder sehr einseitig war, aber damit eben auch dafür sorgt, dass die Verkehrsdiskussion in Leipzig Schlagseite bekommt.
Der Liberale appelliert an eine konstruktive Zusammenarbeit derer, die schließlich über die Entwicklung der Stadt bis 2030 entscheiden: „Die Probleme und die wachsenden Herausforderungen an eine moderne urbane Mobilität können wir nur gemeinsam und ohne ideologische Scheuklappen angehen und lösen.“
Und die Jusos sind am Park(ing) Day auch nicht allein unterwegs.
Anlässlich des Park(ing) Day 2017 am Freitag, 15. September, liegen dem Ordnungsamt mehrere Versammlungsanmeldungen vor. PKW-Stellplätze werden für eine Zeit zu autofreien Bereichen umgestaltet, um einen Raum für Kommunikation zu schaffen. Im Zuge dessen erfolgt durch die Stadt Leipzig zum Teil die Freihaltung der benannten Bereiche mittels Halteverbotszeichen. Eine Einhaltung ist für die ungestörte Durchführung der Versammlungen unabdingbar.
Für folgende Bereiche liegen der Versammlungsbehörde Anmeldungen vor:
- Arthur-Polenz-Straße 46
- Bernhard-Göring-Straße 159
- Bornaische Straße 3d
- Demmeringstraße 32
- Holbeinstraße, Ecke Alfred-Frank-Straße
- Karl-Heine-Straße 68
- Karl-Heine-Straße 77-79
- Karl-Liebknecht-Straße 52-54
- Kolonnadenstraße 5-7
- Lindenauer Markt 13
- Richterstraße 4-6
- Schillerstraße 5
Es gibt 3 Kommentare
Nun, Frank, eine etwas mit Milch und Mädchen gerechnete Aufgabe…
Würden alle privaten Autos wegfallen, benötigt man keineswegs die 4fache Menge ÖPNV! Vielleicht maximal das Doppelte (siehe Modal Split).
Gehe davon aus, dass der Flächenverbrauch pro Person beim ÖPNV wesentlich effektiver ist als beim privaten PKW! Um Längen!
Zum Wirtschaftsverkehr: Alles eine Frage des Maximalwahnsinns!
Bisher ist noch niemand verhungert, weil nicht ausreichend Waren nach Leipzig geliefert werden konnten! Und ein Haus kann auch gern 2 Monate länger beim Bauen benötigen, damit in Ruhe geliefert werden kann. Für Wirtschaftsverkehr in gesundem Maß ist ausreichend Fläche vorhanden! Sogar noch mehr, wenn nicht jeder Vierte mit dem Privatauto fährt.
Wichtig wäre eine Mautanpassung, damit LKW’s nicht durch die Stadt brettern, um Euros zu sparen.
Und es gibt kein Recht auf einen privaten Stellplatz – das dürfte schon aufgrund des begrenzten Platzes jedem einleuchten!
Der hier erwähnte Straßenbereich ist für die Autofahrer bzw. Anwohner nicht gerade zum Nulltarif zu bekommen. Nein dafür gibt es Straßenausbaubeiträge die schön gezahlt werden dürfen oder Kfz bzw. die anderen Steuern. Die die Nutzer des ÖPNV nicht bezahlen müssen. Der braucht nämlich auch Straßen und wenn die privaten PKWs wegfallen würden müssten mit einmal mindestens das 4 fache an ÖPNV bereitgestellt werden und die Straßen müssten für den Wirtschaftsverkehr doch gebaut werden. Mal sehen wie viel dann das Ticket kostet, wenn davon auch noch die Straßen für die Busse gebaut werden müssen.
Zu einer wachsenden Mobilität gehört für mich nicht, dass in den letzten Jahren immer mehr Firmenfahrzeuge – und ich rede von Transportern, Werkstattwagen, LKW’s sowie Sattelschleppern oder deren Antriebsmaschinen – mitten im Wohngebiet abgestellt werden und somit wertvollen gemeinsamen Parkraum in Anspruch nehmen. Und das auch noch kostenfrei. Diese dienen der Gewinnerzielung und sollten auf Firmenterritorium untergebracht werden. Hierüber sollte bitte auch gern gedacht werden.