Nach 2015 hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) wieder einen „Fahrrad-Monitor“ vorgelegt, der eigentlich mehrere Funktionen erfüllt: Er zeigt, wie fahrrad(un)freundlich die Radfahrer ihre Regierungen einschätzen – und was sie davon abhält, aufs Fahrrad zu steigen. Und der Hauptgrund, der gerade ältere Menschen vom Radfahren abhält, ist die Gefährlichkeit im Straßenverkehr – verbunden mit dem Fehlen sicherer Radwege.

Mangelhaftes Sicherheitsgefühl ist das größte Hemmnis, dass in Deutschland mehr Menschen für ihre Wege im Alltag das Fahrrad nutzen. Das stellt denn auch der ADFC Sachsen zum „Fahrrad-Monitor“ fest. Demnach fühlen sich 47 Prozent der Befragten mit dem Fahrrad im Straßenverkehr „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ sicher. Nur 4 Prozent geben an, sich sehr sicher zu fühlen. Für Unsicherheit sorgen vor allem zu viel Verkehr (71 Prozent), zu wenig separate Radwege (70 Prozent) und rücksichtslose Autofahrer (65 Prozent).

„Die schlechte Bewertung des Sicherheitsgefühls halte ich für ein Alarmsignal“, sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen. „Die Angst vor drängelnden Autos, die Mischung von Rad- und Fußverkehr sowie unklare Situationen wegen mangelhafter Radwegführungen drängen sich vielen Menschen auf dem Rad immer wieder unangenehm in den Vordergrund. Das ist ein unguter Cocktail, der Menschen eher vom Radfahren abschreckt als es ihnen schmackhaft zu machen.“

Und das ist vor allem ein Stadtproblem.

Die Treiber der Fahrradnutzung. Grafik: ADFC
Die Treiber der Fahrradnutzung. Grafik: ADFC

Was daran liegt, dass in den größeren Städten auch deutlich mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind, die Radverkehrsanlagen aber dem wachsenden Bedarf nicht mehr entsprechen und motorisierte Verkehrsteilnehmer den Straßenraum als ihr eigenes Territorium betrachten. Auf schwächere Verkehrsteilnehmer wird meist wenig Rücksicht genommen.

Und es ist nicht nur Sachsen, dessen Regierung als ziemlich fahrradunfreundlich erscheint.

63 Prozent der Befragten finden, die Verkehrspolitik sollte sich stärker beim Radwegebau engagieren, 55 Prozent halten mehr sichere Abstellmöglichkeiten für wichtig, ebenso viele wünschen sich eine bessere Trennung von Rad- und Fußgängerverkehr.

Nur 3 Prozent der Befragten empfinden die Sächsische Staatsregierung als „sehr fahrradfreundlich“. Damit erreicht sie unter den Bundesländern Platz 11.

Wobei die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind: In vielen Bundesländern haben viel zu wenige Teilnehmer ihre Antworten gegeben. Das betrifft gerade die anderen ostdeutschen Flächenländer. Von der Einschätzung her liegt Sachsen in etwa auf Augenhöhe mit Hessen (Rang 9) und Berlin (Rang 7).

Aber spannender ist dann, was die Befragung zur Nutzung des Fahrrades ergab und zu den Gründen, warum Menschen aufs Rad umsteigen – oder eben auch nicht.

Wobei gerade die ländlichen Räume durch fehlende Radwege und den hohen Druck, weiter das Automobil zu benutzen, auffallen. Obwohl gerade dort das Fahrrad ein ideales Verkehrsmittel wäre. Aber gerade dort sind fast alle Infrastrukturen auf das Automobil ausgerichtet.

Welche Verbesserungen sich Radfahrer wünschen. Grafik: ADFC
Welche Verbesserungen sich Radfahrer wünschen. Grafik: ADFC

„Die Menschen wollen auch im Alltag mehr Wege mit dem Rad zurücklegen, doch dafür fehlt oft sichere Infrastruktur. An vielen Stellen kommen Radwegeprojekte seit Jahren nicht voran, in Einzelfällen warten die Betroffenen seit 15 Jahren auf ihren Radweg“, kommentiert Krause diese völlig inakzeptable Entwicklung aus sächsischer Sicht.

„Wenn der Freistaat beim Radwegebau vorankommen will, braucht es auf Landesebene mehr Fachplaner. Sachsen scheint das einzige Bundesland zu sein, was die Herausforderung des Radverkehrs völlig ohne eigenes Personal bewerkstelligen will. In zahlreichen Bundesländern gibt es längst eigene Referate für Nahmobilität und Radverkehr. Entsprechende Strukturen sind auch im Freistaat dringend erforderlich“, so der sächsische ADFC-Geschäftsführer.

Burkhard Stork, Bundesgeschäftsführer des ADFC: „Die Diesel-Krise hat es noch einmal schmerzlich deutlich gemacht: Unsere Verkehrsprobleme sind so immens, damit kann der Bund die Städte und Gemeinden nicht allein lassen. Die nächste Bundesregierung hat den Auftrag, Deutschlands Verkehrssystem ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Und das bedeutet: Mehr Rad, mehr Fuß, mehr ÖPNV – und deutlich weniger Auto, egal mit welchem Antrieb.“

Der Fahrrad-Monitor ist eine repräsentative Online-Befragung, die vom Marktforschungsinstitut sinus im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums im Juni 2017 durchgeführt wurde. Befragt wurden 3.156 Deutsche zwischen 14 und 69 Jahren.

Die LEIPZIGER ZEITUNG ist da: Seit 15. September überall zu kaufen, wo es gute Zeitungen gibt

Ein Blitzlicht in einen drögen Wahlkampf, in dem alle ungelösten Probleme unter den Tisch gelächelt werden

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar