Für FreikäuferSo, wie es „Spiegel Online“ am 13. August gemacht hat, funktioniert es einfach nicht. Erst füttert das Magazin die Leser mit der Überschrift „Was bringt der Verzicht auf Auto, Reisen, Fleisch?“ in der Themenwoche „Umwelt“ an – dann gibt es erst mal eine Gardinenpredigt. Aber was der besagte Verzicht tatsächlich bringt, erfährt der Leser nicht, soll er sich gar selbst zusammensuchen. Dabei kann man so etwas auch plastisch machen – beim Thema Verkehr zum Beispiel.
Der steuert bei den 11,9 Tonnen Kohlendioxid, die nach Rechnung des Umweltbundesamtes jeder Bundesbürger jedes Jahr verursacht, satte 2,19 Tonnen pro Nase bei. Das klingt nicht nach viel. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: In den 11,9 Tonnen stecken auch noch die größten CO2-Schleudern Europas – die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz, in NRW und in Mitteldeutschland. Ohne diese massive Verunreinigung der Luft würde sich der CO2-Wert fast halbieren.
Die Umweltverbände kämpfen nicht grundlos gegen diese alte, umweltschädliche Technologie.
Das Leipziger CO2-Aufkommen von rund 6 Tonnen pro Nase zeigt so ungefähr, wo Deutschland hinkommen kann, wenn es die Reduktion des Treibhausgases CO2 nur einigermaßen konsequent vorantreibt. Tatsächliches Ziel sind ja bekanntlich 2 Tonnen. Das ist hochambitioniert.
Aber so seltsam das in den Ohren der Verfechter der alten, schmutzigen Technologien klingt: Es ist machbar. Und jeder Einzelne kann etwas dafür tun. Sogar sehr viel.
Greifen wir uns einfach den Verkehr heraus. 2011 lag Leipzigs CO2-Aufkommen im Bereich Verkehr ungefähr auf Bundesniveau: 2,26 Tonnen pro Einwohner und Jahr. Der Wert hat sich bis 2013 verschlechtert – auf 2,5 Tonnen. Möglich, dass das durch das Hineinrechnen der Flüge so kommt, die die Leipziger unternehmen. Was eigentlich schon Erkenntnis Nr. 1 ist: Die Nutzung von Flugzeugen schraubt die eigene CO2-Bilanz nach oben.
Aber wie ist das mit dem Auto?
Und da sind wir mitten in der Stadtpolitik. Denn wenn wir das jetzt durchrechnen, merkt man ziemlich schnell, dass Leipzig sogar richtig klug beraten wäre, den ÖPNV massiv auszubauen, so massiv, dass wirklich nur noch die Leipziger mit dem Pkw unterwegs sind, die nicht darauf verzichten können.
Die meisten können darauf verzichten. Oder könnten es, wenn das System nur besser ausgebaut wäre, dichter, leistungsfähiger und anschlussfähiger wäre. Denn wer auf das Auto komplett verzichtet und mit Bus und Bahn fährt, senkt sein eigenes verkehrsbedingtes CO2-Potenzial rapide.
Die Zahlen: Der oben ermittelte CO2-Wert pro Einwohner bedeutete 2013 eine Gesamt CO2-Menge, allein verursacht durch den Leipziger Verkehr, von 1,329 Millionen Tonnen CO2.
Die Leipziger Verkehrsbetriebe als Träger der ÖPNV in Leipzig haben 2015 zuletzt einen „Umweltbericht“ herausgebracht, in dem sie alle durch sie selbst verursachten CO2-Belastungen aufgeführt haben: 18.146 Tonnen durch den Fahrleitungsstrom zum Beispiel und durch den Diesel der Busse 13.131 Tonnen. Man sieht schon. Das sind deutlich kleinere Zahlen, obwohl die LVB damit jedes Jahr über 140 Millionen Fahrgäste transportieren.
Das kann man so natürlich nicht auf die Leipziger umrechnen.
Da nutzen wir jetzt mal eine Zahl aus der Leipziger „Bürgerumfrage 2016“. Danach sind 2016 rund 30 Prozent der Leipziger in irgendeiner Weise mit einem Abo-Ticket der LVB gefahren. Das sind die ganz harten ÖPNV-Freunde. Weitere 60 Prozent sind übrigens mal sporadisch, meist mit Einzelticket gefahren. Die lassen wir aber außen vor. Wir tun einfach so, als wenn die Abo-Kunden für den CO2-Ausstoß der LVB ganz allein zuständig wären.
Rechnerisch waren das 174.000 Leipziger. So ungefähr. Die sich nun in die gesamten 35.449 Tonnen CO2, die die LVB verursacht haben, teilen sollen. Ergebnis: etwas über 0,2 Tonnen. Wer also den ÖPNV nutzt, hat für seine Mobilität ein zehn Mal kleineres CO2-Aufkommen als der Durchschnitts-Leipziger.
Wir sagen nicht: als der Autofahrer. Denn von den verbleibenden etwas über 400.000 Leipzigern sind ja auch noch ein paar zehntausend reine Fußgänger oder Kleinkinder, die gar kein LVB-Ticket lösen müssen. Die Radfahrer nicht zu vergessen. So fehl geht man bestimmt nicht in der Annahme, dass rund 15 bis 20 Prozent der Leipziger fast ausschließlich mit dem Fahrrad unterwegs sind (adäquat zum Modal Split).
Die Hauptemissionen im Straßenverkehr konzentrieren sich also auf einen Teil der Stadtbevölkerung, der irgendwo bei 300.000 Personen liegt. Die Leipziger Autofahrer haben also tatsächlich ein Pro-Kopf-Aufkommen an CO2 allein durch ihre Autonutzung von 4 Tonnen pro Jahr.
Alles grob gerechnet. In der Grafik oben haben wir es anschaulich gemacht. Wer mag, kann sich das ja anhand seiner Tankquittungen noch genauer ausrechnen. Die logische Aussage ist also: Wer vom Auto auf den ÖPNV umsteigt, verringert allein im Bereich der Mobilität seine CO2-Last von 4 Tonnen auf 0,2 Tonnen im Jahr.
Bei Fleisch und Reisen ist das Ganze etwas komplizierter. Aber nur etwas. Auch bei Reisen entscheiden z. B. die Wahl des Verkehrsmittels und die Entfernung darüber, ob der Urlaub noch umweltverträglich ist oder eine einzige Straftat gegen unser Klima. Und man kann sich davon nicht loskaufen, egal, wie viele Öko-Ablasszettel man kauft. Jeder hat die Höhe seiner Emissionen im Griff und kann mit einer Änderung seiner Gewohnheiten dafür sorgen, dass seine ganz persönliche Emissionsbilanz deutlich verträglicher wird.
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