Für FreikäuferEine Meldung, über die am Dienstag, 11. Juli, der „Spiegel“ berichtete, bestätigt einen Antrag der Leipziger SPD, der im März im Stadtrat mit Mehrheit abgestimmt wurde. Nicht mit großer Mehrheit. Das verblüfft immer wieder, wenn fast der halbe Stadtrat immer wieder für Bequemlichkeit stimmt. Und in diesem Fall – gegen Gesundheit. Denn wer zu Fuß läuft, lebt gesünder. Selbst Schrittzähler beweisen das.
„Der Spiegel“ nahm dabei Bezug auf einen Beitrag der Wissenschaftszeitschrift „Nature“, der über ein Forschungsergebnis der Universität Stanford berichtete. Dortige Forscher wollten herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Zu-Fuß-Gehen und dem Body-Mass-Index gibt. Die Häufigkeit des Zu-Fuß-Gehens kann man über die Schrittzähler-Funktion des Smartphones ermitteln. Und erstaunlich viele Menschen rund um den Erdball machten mit.
„Fast 720.000 Menschen aus 111 Ländern nahmen an der Studie teil. Die Forscher analysierten ihre tägliche Bewegung im Schnitt über 95 Tage hinweg. Die Daten wurden anonymisiert, ließen aber Rückschlüsse auf das Alter, das Geschlecht, die Herkunft und den Body-Mass-Index zu“, fasst „Spiegel“ das Vorgehen der Forscher zusammen. Das Ergebnis ist tatsächlich, dass in Ländern, wo Menschen ihre Wege häufiger zu Fuß zurücklegen, der Anteil der Fettleibigen deutlich geringer ist.
Der Durchschnitt aller Teilnehmer lag bei 4.900 Schritten pro Tag. Deutschland lag mit 5.100 Schritten leicht überm Durchschnitt, war aber weit entfernt von der Spitzengruppe mit 6.880 Schritten in Hongkong und ebenfalls über 6.000 Schritten in China, Japan und der Ukraine.
Das mag zwar teilweise an der Armut in einigen Ländern liegen, dass die Menschen dort viel zu Fuß gehen. Aber das Beispiel Skandinavien zeigt, dass auch in europäischen hochentwickelten Ländern viele Menschen ganz selbstverständlich viel zu Fuß gehen, wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind.
Und da wären wir in Leipzig. Der Stadt, wo allerlei Verkehrskonzepte auf Halde liegen.
Und wo im März der Antrag der SPD-Fraktion zur Abstimmung kam, dass Leipzig endlich auch ein Fußverkehrskonzept bekommt. Denn eigentlich ist es bei den Fußwegen ganz ähnlich wie bei den Radwegen: Sie waren nun über Jahrzehnte das Stiefkind der Stadtpolitik. Fußgänger und Radfahrer mussten sich dem Autoverkehr unterordnen – und entsprechend unattraktiv sind auch ihre Wege.
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für die Stadt Leipzig ein neues Fußverkehrskonzept zu erarbeiten und es dem Rat spätestens Ende des II. Quartals 2018 vorzulegen“, hatte die SPD ursprünglich beantragt. „Die Besetzung des Fußverkehrsverantwortlichen soll umgehend erfolgen.“
Aber so schnell schießen die Preußen nicht.
Der Antrag wurde dann in abgewandelter Form abgestimmt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für die Stadt Leipzig ein neues Fußverkehrskonzept zu erarbeiten. Die Bearbeitung soll in 2017 sofort nach der Besetzung der Stelle des Fußverkehrsverantwortlichen beginnen.“
Regelrecht blamabel war freilich das Abstimmungsergebnis: 30 Ratsmitglieder stimmten dafür, 29 stimmten dagegen, vier enthielten sich. Selbst die SPD stimmte gegen den leicht geänderten Antrag, der nun eben kein Ergebnis (wie gewünscht) im Jahr 2018 bringt, sondern wohl erst 2019. Schneller wird es kaum gehen.
Dabei ist das Taktieren der SPD eigentlich unverständlich, denn im Antrag hatte man selbst ja begründet, wie wichtig das Konzept ist: „Es gibt zahlreiche Argumente, den Fußverkehr in Städten zu fördern. Einer der wichtigsten Gründe ist hierbei sicher der Gesundheitsaspekt, denn das Zufußgehen verbessert das Wohlbefinden, erhält die Gesundheit und sichert zudem Mobilität bis ins hohe Alter. Fußverkehr verursacht darüber hinaus keinen Lärm, keine Schadstoffe und verbraucht wenig Ressourcen. Attraktive Fußwege sind zudem eine Voraussetzung dafür, dass für kurze Strecken das Auto stehen gelassen und der ÖPNV besser angenommen wird. Fußgänger beleben den öffentlichen Raum, was die Attraktivität von Städten und auch deren soziale Sicherheit erhöht. Für Handel, Gastronomie und Tourismus bietet ein starker Fußverkehr zahlreiche Vorteile, weil dadurch größerer Anteil an Laufkundschaft generiert werden kann.“
Ein ganzer Packen von Argumenten also, der geradezu danach schreit, dass sich die Wegequalitäten für die Fußgänger verbessern, dass Fußwege sicherer werden, dass Zufußgehen aber vor allem leichter, barrierefrei und einladender wird. Denn wenn das Zufußgehen Spaß macht und Lebensqualität bietet, dann legt man auch viele Wege zu Fuß zurück.
Und die SPD-Fraktion hatte noch mehr Argumente: „Gute Lebensbedingungen und attraktive öffentliche Räume machen eine Stadt interessant für ihre Bewohner, für Besucher und für Investoren. Aus unserer Sicht hat es für die Stadt Leipzig sowohl wirtschaftlich als auch im Bereich der Stadtentwicklung deutliche Vorteile, den Fußverkehr zu fördern und ein entsprechendes Fußverkehrskonzept zu erstellen.“
Und dann stimmten die Genossen dagegen.
Das muss man nicht verstehen.
Der Ursprungsantrag der SPD-Fraktion.
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