So richtig zufrieden war CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski nicht, als Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) am 25. April die Forderung des Präsidiums des Deutschen Städtetages unterstützte, die Blaue Plakette einzuführen. Damit will man endlich der hohen Stickoxidbelastung in den Städten Herr werden. Aber bekanntlich sieht das eine autofreundliche Bundesregierung ganz anders. Und so fragte Maciejewski etwas deutlicher bei Leipzigs Verwaltung an: Wie war das gemeint?
„Die Verkehrsministerkonferenz hat im Oktober 2016 festgestellt, dass die Einführung einer neuen Schadstoffgruppe und Plakette derzeit nicht entscheidungsreif sei“, stellte er in seiner Anfrage fest. „Im Gegensatz zur Auffassung der Verkehrsexperten der Länder hat sich nun das Präsidium des Deutschen Städtetages positioniert und auf seiner Tagung in Leipzig offenbar beschlossen, vom Bund die Einführung der Blauen Plakette zu fordern. Da die entsprechende Pressemitteilung durch das Referat Kommunikation unkommentiert verbreitet wurde, gehe ich davon aus, dass der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig als Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städtetages diesen Beschluss unterstützt hat.“
„Welches sind die konkreten Gründe hierfür?“, wollte Ansbert Maciejewski nun wissen.
Geantwortet hat nicht der OBM selbst. Immerhin hat er ja einen zuständigen Bürgermeister, der sich um Dinge wie Klimaschutz- und Luftreinhalteplan kümmern muss. Und das ist ja bekanntlich ein leidiges Thema. Auch Leipzig drohen ab 2018 Strafzahlungen, wenn es die Sache mit der Stickoxidbelastung nicht in den Griff bekommt.
Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal: „Die Forderung des Deutschen Städtetages zielt darauf ab, pauschale Fahrverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge zu vermeiden. Dass es zu derartigen Fahrverboten in deutschen Städten kommen kann, legen aktuelle Entscheidungen wie die des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH, Beschluss vom 27.02.2017, Az.: 22 C 16.1427) nahe. Werden Kommunen in dieser Art verpflichtet, Fahrverbote zu verhängen, bedarf es einer praktikablen Lösung zur Kennzeichnung und Kontrolle der dann vom Fahrverbot ausgenommenen Fahrzeuge. Der Deutsche Städtetag hält dies nur mit der kurzfristigen Einführung einer Blauen Plakette für realisierbar.“
Burkhard Jung übrigens auch. Denn da die zuständigen Verkehrsminister keine Lust zeigen, die Schadstoffproblematik zum Beispiel bei den Dieselfahrzeugen wirklich ernsthaft zu lösen (Machtwort wäre ja mal was Besonderes), sind die Städte mit den drohenden EU-Srafen auf sich allein gestellt. Lautstarkes Beispiel Stuttgart, das auch noch in einem Talkessel liegt, so dass OBM Fritz Kuhn (Grüne) kaum noch eine Lösung für das Problem sieht.
Irgendwie war Maciejewski aber auch verwirrt, dass Burkhard vorher nicht den Stadtrat gefragt hat: „Warum erfolgte vor der Positionierung der Stadt Leipzig zu einem solch wichtigen Thema in einem interkommunalen Gremium nicht im Vorfeld eine Meinungsbildung im Stadtrat zumal nach der Ablehnung der Blauen Plakette durch die Verkehrsministerkonferenz im Oktober 2016 genug Gelegenheit dazu bestanden hätte?“
Das Umweltdezernat versucht der Frage irgendwie auszuweichen: „Die Konzeption etwaiger Fahrverbote, wie diese aktuell innerhalb der Umweltzone in Leipzig gelten, fällt in den Bereich der Luftreinhalteplanung. Die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bestehende Verpflichtung der Stadt Leipzig, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, fällt nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage allein in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters. Bei der Luftreinhalteplanung handelt es sich um eine (vom Bund bzw. Land an die Kommune übertragene) Weisungsaufgabe, für deren Erledigung, nach der Sächsischen Gemeindeordnung, nicht der Stadtrat, sondern allein der Oberbürgermeister verantwortlich ist (VG Leipzig, Beschluss vom 08.12.2009, Az.: 6 L 1823/09). Für die Einführung der Blauen Plakette bedürfte es einer Änderung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BImSchV). Dies fällt in die Zuständigkeit des Bundes. Seitens des Deutschen Städtetages handelt es sich um eine reine Interessensbekundung.“
Heißt ja im Klartext: Wenn der Bund keine Lust hat, die Blaue Plakette einzuführen, können die Oberbürgermeister machen, was sie wollen: Sie können sie nicht eigenmächtig einführen.
Wobei das Umweltdezernat an der Stelle mal wieder zeigt, wie Leipzigs Verwaltung tickt: Man redet sich auf die Sächsische Gemeindeordnung heraus.
Obwohl bislang sämtliche Luftreinhaltepläne auch im Stadtrat diskutiert wurden. Ein OBM wäre schlichtweg dumm, wenn er solche Dinge immer nur als Weisungsaufgabe betrachtet und die gewählten Stadträte nicht in die Willensbildung einbezieht.
Was am 25. April freilich nicht möglich war. Da suchte das Präsidium des Deutschen Städtetages nach einer Lösung – und auch Dr. Eva Lohse (Ludwigshafen) und Dr. Ulrich Maly (Nürnberg) machten deutlich, dass am Ende nur noch die Forderung nach der Blauen Plakette als Lösung blieb. Andere Instrumente, um absolute Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu vermeiden, haben die Städte in Deutschland gar nicht mehr. Oder mal so ausgedrückt: Wenn die Blaue Plakette nicht kommt, wird es unausweichlich zu solchen Fahrverboten kommen. Das Durchfahrverbot von Lkw ab 3,5 Tonnen durch die Harkortstraße ist erst der Anfang.
Aber irgendwie fürchtet sich Ansbert Maciejewski vor der Blauen Plakette: „Beabsichtigt der Oberbürgermeister im Falle der Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen, das Befahren der Leipziger Umweltzone nur noch für Fahrzeuge mit Blauer Plakette zu gestatten?“
Aber auch auf diese Frage hat das Umweltdezernat nicht wirklich geantwortet: „Die Stadt Leipzig orientiert sich darauf, u. a. durch verkehrsorganisatorische Maßnahmen und Maßnahmen zur Stärkung des Umweltverbundes die Luftschadstoffbelastung mit Stickstoffdioxid zu reduzieren und so Fahrverbote zu vermeiden. Im Fokus stehen insbesondere die von einer Grenzwertverletzung betroffenen Bereiche der Stadt. Daneben sieht die Stadt Leipzig die Automobilindustrie und politisch Verantwortlichen in der Pflicht, dass Dieselfahrzeuge am Markt angeboten werden, welche die Emissionsgrenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand sondern auch im Straßenverkehr einhalten. Ebenso werden Bund und Freistaat Sachsen in der Pflicht gesehen, durch finanzielle Hilfen eine Ausweitung alternativer umweltfreundlicher Mobilität, bspw. im öffentlichen Nahverkehr deutlich stärker zu fördern.“
Stimmt schon alles, wird aber nichts bringen, wenn diese Förderung ausbleibt, der Nahverkehrsplan wieder nur watteweich wird und die Dieselfahrzeuge nicht tatsächlich binnen weniger Monate so sauber werden, wie die Hersteller immer wieder versprochen haben.
Da aber die Verkehrsminister so einhellig der Meinung sind, es brauche keine Blaue Plakette, hat Burkhard Jung ab dem 1. Januar 2018 nur noch ein Instrument, das er kurzfristig einsetzen kann.
Und das heißt dann zur Freude aller Liebhaber der Blauen Plakette nicht Blaue Plakette, sondern: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.
Die komplette Antwort auf die Anfrage von Ansbert Maciejewski.
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