Warum sollte man es nicht deutlich sagen? Die letzten Bundesregierungen haben – was die deutschen Städte betrifft – eine kontraproduktive Politik gefahren. Sie haben sie nicht nur bei der Luftbelastung im Stich gelassen, sondern noch viel stärker bei der Verkehrsbelastung. Alle Städte leiden unter der miserablen Finanzierung des ÖPNV. Auch das war Thema bei der Leipziger Sitzung des Deutschen Städtetages am Dienstag, 25. April.
Und Leipzig ist nicht allein bei der Suche nach „alternativen Finanzierungsinstrumenten“, um den ÖPNV am Laufen zu halten. „Es fehlt an den nötigen Geldern für Investitionen im ÖPNV“, sagt Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg.
Die Finanzierungsbeiträge für den ÖPNV müssten sich deutlich verbessern.
Wenn Städte jetzt nach anderen Wegen suchen, die Löcher zu stopfen, bringe das nicht viel. „Alles andere sind Hilfskonstruktionen“, so Maly.
Nicht nur die „alternativen Finanzierungsinstrumente“, über die in Leipzig nachgedacht wird. Denn es geht ja nicht nur um den Erhalt des ÖPNV. Wenn die Städte entlastet werden sollen, muss der ÖPNV besser werden, vor allem der schienengebundene ÖPNV – schnell muss er sein, dicht vertaktet, aufnahmefähig und bezahlbar.
Leipzig ist mit der Diskussion wirklich nicht allein.
Der Deutsche Städtetag spricht sich zwar dafür aus, einzelnen Städten auf Wunsch zu ermöglichen, finanzielle Steuerungsinstrumente zur verbesserten Verkehrslenkung in bestimmten Zonen zu erproben. Dazu könnten Nahverkehrsabgaben, Zufahrtsgebühren oder auch verpflichtende Bürgertickets für den ÖPNV gehören, erläuterte der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly aus Nürnberg. Solche Instrumente könnten dabei helfen, den Verkehr flüssiger zu machen und schädliche Umwelteinwirkungen durch Abgase zu reduzieren. Die Einnahmen sollten zweckgebunden für den ÖPNV bzw. die Förderung von nachhaltiger Mobilität verwendet werden.
Aber sie lösen das Finanzierungsproblem nicht.
Maly: „Wir wollen nicht per Dekret und flächendeckend neue Abgaben für Verkehrsteilnehmer in den Städten einführen. Es geht ausschließlich darum, in einzelnen Städten, die dies wünschen, Regelungen erproben zu können, durch die möglicherweise Verkehrsmengen reduziert, Verkehr besser gelenkt werden und fließen kann und sich so auch die Luftqualität verbessert. Entscheidend für den Einsatz finanzieller Instrumente zur Verkehrslenkung in bestimmten Stadtvierteln wird die Akzeptanz in der Öffentlichkeit sein.“
Nur ein gut ausgebauter ÖPNV kann dafür sorgen, dass die Menschen aufs Auto verzichten. Wobei Maly auch auf die größte Barriere zu sprechen kam, die Menschen am Umsteigen hindert: Zu hohe Ticketpreise. „2,50 bis 3,50 Euro für eine Einzelfahrt in Deutschland, das ist eindeutig viel Geld, auch gefühlsmäßig eindeutig zu viel“, sagt Maly.
Wenn dann auch noch das Studium des Fahrplans zur Wissenschaft wird, hat der ÖPNV schon verloren. Richtig attraktiv werde er, wenn man nach Ende einer Veranstaltung überhaupt nicht auf den Fahrplan schauen müsste, so Maly, sondern sicher sein könnte, in wenigen Minuten mit der nächsten Bahn schnell weiterzukommen. „Wir wissen eigentlich, wie guter ÖPNV sein muss.“
Gesprochen hat man nicht nur über die Leipziger „Finanzierungsinstrumente“ (von denen tatsächlich nur ein einziges überhaupt rechtlich umsetzbar ist).
So sprach das Präsidium des Deutschen Städtetages auch über eine Nahverkehrsabgabe: Eine zweckgebundene Abgabe zur Finanzierung des ÖPNV zahlen Arbeitgeber für ihre Beschäftigten. Aber beides ist nach deutschem Recht nicht machbar. In Wien und in Paris aber wird das Modell erfolgreich angewendet und sorgt in Wien zum Beispiel dafür, dass jeder den ÖPNV für 1 Euro pro Tag nutzen kann.
Nächstes Thema – Zufahrtsgebühr oder City-Maut: Sie wird für die Nutzung innerstädtischer Verkehrsinfrastruktur etwa in Stadtteilen von London, Stockholm, Göteborg, Oslo und in den historischen Altstädten Mailand und Bologna erhoben.
Aber aus Sicht von Maly eine echte Benachteiligung für Menschen mit niedrigem Einkommen, denn leisten können sich die Fahrt in die Stadt dann wieder nur Leute mit dicker Brieftasche und dickem Auto.
Und dann ist da ja noch das von einigen Leuten gepriesene Bürgerticket für den ÖPNV: Das Bürgerticket wäre ein Fahrausweis für den ÖPNV, den möglichst viele Menschen erwerben müssen. So könnte ein Anreiz entstehen, stärker vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen, weil das Ticket schon vorhanden ist. Bezahlt wird es quasi über eine Abgabe aller Bürger. Aber schon an der Stadtgrenze fängt das Problem an: Einführbar ist es nur als Insellösung – und man bekommt einen neuen Flickenteppich unterschiedlicher ÖPNV-Modelle.
„Für den Erfolg solcher Instrumente sind ein leistungsstarker und attraktiver ÖPNV und ein gut ausgebautes Radwegenetz unabdingbar, die zum Umstieg vom Auto auf alternative Angebote motivieren“, erklärte Maly. Voraussetzung für eine Erprobung in einzelnen Städten sei zudem die Vereinbarkeit mit den straßen- und verkehrsrechtlichen Regelungen von Bund und Ländern sowie den Mautregeln der Europäischen Union.
Deswegen gibt es einen klaren Appell an die Bundesregierung, die ÖPNV-Finanzierung endlich deutlich zu verbessern. Die „Hilfskonstrukte“ werden das Problem nicht lösen.
„Wir brauchen mehr Geld im System“, sagt Leipzigs OBM Burkhard Jung. Und benennt noch einmal den Druck, der auf allen Nahverkehrssystemen in den Städten liegt: „Das System kommt an seine Grenzen.“
Elektromobilität gehöre ebenfalls dazu, wenn es um die Verringerung der Luftbelastung gehe, so Lohse. Die Busflotten – gerade in den Städten, die keine Straßenbahn besitzen – müssten elektrisch umgerüstet werden.
Aber war da nicht gerade der neue Hype von der Elektromobilität als Lösung aller Probleme?
Maly goss berechtigterweise gleich mal Wasser in den Wein: „Die Stromversorgung ist noch längst nicht dekarbonisiert. Die Reihenfolge muss eigentlich lauten: Erst Abschalten aller Kohlekraftwerke, dann Elektromobilität, nicht andersherum.“
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