Für manchen Leipziger Politiker klang erstaunlich, was am Dienstag, 25. April, aus der Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetages in Leipzig zu hören war. Die Linksfraktion im Leipzier Stadtrat zum Beispiel war baff. Mit Erstaunen habe man die Stellungnahme zu Umweltplakette und ÖPNV vernommen, da in der jüngsten Vergangenheit die Handlungen des Oberbürgermeisters, welcher Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetages ist, diesen Forderungen widersprechen würden.
„Die Linke begrüßt Forderungen des Deutschen Städtetages nach Einführung einer blauen Plakette für Dieselfahrzeuge“, kommentiert das die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Franziska Riekewald. „Schade ist jedoch, dass es solch eines Instrumentes bedarf. Zielführender und vor allem für alle Leipzigerinnen und Leipziger schonender wäre die zeitnahe Umsetzung des Lärm- bzw. Luftreinhalteplanes der Stadt Leipzig. Leider stehen hierfür nicht ausreichend Haushaltsgelder zur Verfügung. Auch unsere Änderungsanträge zum Haushaltsplan 2017/2018 haben leider keine Mehrheit im Stadtrat gefunden. Nur die konsequente Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen würde für eine Besserung der Grenzwerte sorgen.“
Tatsächlich ist der alte Luftreinhalteplan von 2009 bis heute nicht abgearbeitet. Teilweise sind die verankerten Maßnahmen nur stückweise umgesetzt worden, zuweilen immer wieder verzögert und mit zu wenig Geld ausgestattet worden.
Aber gerade das Jahr 2016 hat schon sichtbar gemacht, dass in Leipzigs Verwaltung ein Umdenken im Gang ist. Galt bis dahin das Thema Straßenbäume immer nur als Nischenthema, hat man mittlerweile ein richtiges Straßenbaumkataster aufgelegt und zehntausende Pflanzstellen lokalisiert, wo neue Bäume am Straßenrand gepflanzt werden könnten – wenn man das Geld dazu hat.
Aber auch beim Thema Luftbelastung hat Burkhard Jung deutlich umgedacht. Wiegelte seit 2009 selbst Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) immer wieder ab, man könne die Emissionen der in Leipzig genutzten Baumaschinen nicht kontrollieren und regulieren, sprach sich Burkhard Jung am Dienstag, 25. April, dafür aus, in Ausschreibungen die Verwendung emissionsarmer Baumaschinen zur Bedingung zu machen. Was schon erstaunt. Denn auch bei der Lärmbelastung spielt das eine Rolle. Immer wieder hieß es, es sei den Baufirmen nicht zuzumuten, emissionsarme Maschinen anzuschaffen.
Und noch ein Thema wird Jung jetzt wohl rigoros anpacken und in den neuen Luftreinhalteplan der Stadt schreiben lassen: Ein Verbot klassischer Feuerungsanlagen in der Stadt. Gerade die Messstelle an der Lützner Straße verzeichnet immer wieder drastische Überschreitungen bei Feinstaubmessungen, weil augenscheinlich ringsum allerlei unkontrollierte Kleinfeuerungsanlagen betrieben werden, wenn es kalt wird.
Das sieht die Linksfraktion also richtig: Nach acht Jahren zeichnet sich in der Klimapolitik von Oberbürgermeister Burkhard Jung tatsächlich eine Veränderung ab. Gerade die drohenden Klagen gegen die hohe Stickoxidbelastung, die 2018 auch auf Leipzig zurollen, sorgen für Anspannung. Deswegen unterstützt Jung auch die Einführung der Blauen Plakette, genau jener Plakette, die Jungs Parteigenossin Barbara Hendricks, die Bundesumweltministerin, am Dienstag mit Pauken und Trompeten beerdigte. „Die Abgrenzungen zwischen Euro 5 und Euro 6 sind nicht zielführend“, sagte sie und appellierte stattdessen wieder einmal an die Autoindustrie, schadstoffärmere Autos zu bauen und die Fahrzeuge, die die Grenzwerte überschreiten, auf eigene Kosten umzurüsten.
Wenn die Bundesregierung dafür kein Gesetz erlässt, wird es nicht passieren.
Wollen die Genossen in so einem Eiertanz vorführen, wie windelweich und sinnfrei Umweltpolitik in Deutschland ist?
Zurückfallen wird es auf die Kommunen. Die jetzt schon verzweifelt nach neuen Quellen zur Finanzierung des ÖPNV suchen – denn nur mit einem guten ÖPNV kann man die Pkw-Ströme in den Großstädten tatsächlich minimieren.
Positiv sehe deshalb die Leipziger Linke auch die Forderung zur Erprobung neuer Finanzierungswege, sagt Riekewald. „Schon seit langem drängt die Stadtratsfraktion Die Linke darauf, dass sich der Oberbürgermeister beim Land Sachsen für die Möglichkeit der Einführung neuer Finanzierungswege stark macht. Jedoch war auch dazu vor kurzem ein Antrag unserer Fraktion im Stadtrat gescheitert, zumal der Oberbürgermeister sich vehement gegen den Antrag aussprach.“
Das nun freilich wohl nicht zu Unrecht. Denn für fünf der „gefundenen“ alternativen Finanzierungsinstrumente braucht es Gesetzesänderungen, zumeist auf Bundesebene. Und keines der sechs Finanzierungsinstrumente schaufelt wirklich so viel Geld in die Stadtkasse, dass die Probleme des ÖPNV damit tatsächlich gelöst werden, gar ein Sprung auf eine höhere Stufe möglich ist.
In diesem Fall gehört die Linksfraktion eindeutig zu jenen Stadtratsfraktionen, die in Mathematik gravierende Schwächen zeigen.
Auch das Präsidium des Deutschen Städtetages sieht in den ganzen Alternativmodellen keine Lösung. Bestenfalls bekommt man damit einen ÖPNV-Flickenteppich, den keiner so haben will.
Das Problem ist die fehlende Investitionsförderung. Die reißt die Löcher in der Finanzierung des Nahverkehrs. Deswegen sind die jährlichen Preissteigerungen bei den LVB doppelt so hoch wie die Inflationsrate: Die honorige Politik hat den Nahverkehr in der Bundesrepublik am ausgestreckten Arm verhungern lassen und stattdessen ein völlig sinnfreies Spiel um Deregulierung gespielt, mit dem die Herren in Nadelstreifen glaubten, sie könnten die Kosten für ein gutes ÖPNV-Netz einfach mal kürzen und dann den „Markt“ dafür sorgen lassen, dass der sich irgendwie anders finanziert.
Gelitten haben darunter die Fahrgäste, die ein stagnierendes Angebot mit immer heftiger steigenden Ticketpreisen bekommen haben.
Franziska Riekewald: „Auch der Aussage, dass die Schallgrenze für die Ticketpreise in Leipzig überschritten sei, kann man nur zustimmen. Die Stadtratsfraktion Die Linke sieht sich in ihrem jahrelangen Kampf gegen die jährlichen Preiserhöhungen bestätigt. In den letzten zehn Jahren ist z. B. der Preis eines Einzeltickets um über 35 % gestiegen. Schon im Jahr 2013 hat die Fraktion Die Linke daher einen Antrag für ein Tarifmoratorium gestellt. Diesen Antrag werden wir im Mai 2017 erneut auf die Tagesordnung des Stadtrats setzen. Es ist endlich notwendig, dass wir wegkommen von der bloßen Feststellung, dass endlich was passieren muss. Wir müssen endlich handeln. Wir hoffen dabei sehr auf den Sinneswandel von Herrn Oberbürgermeister Jung.“
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