Das neue Konzept „Leipzig – Stadt für intelligente Mobilität“ sollte zwar heute von Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht vorgestellt werden. Aber der Bürgermeister musste sich krank melden. Dabei wartet hier ein Berg Arbeit. Denn wenn Leipzig seine Klimaschutzziele erreichen will, muss der Umstieg auf alternative Antriebsarten viel schneller vorangehen. Und die Wirtschaft muss mit ins Boot. Das ist der Hauptzweck des Konzepts.
Das Papier des Dezernats Wirtschaft und Arbeit, welches in der Ratsversammlung am 12. April beraten werden soll, beinhaltet mehr als 40 Vorhaben, die unter dem Dach der im Juni 2015 gegründeten „e-Allianz Leipzig“ gemeinsam u. a. mit Unternehmen, Verbänden, Kammern und Hochschulen schrittweise realisiert werden sollen. Grundlage ist ein Stadtratsbeschluss vom September 2015.
Das Konzept „Leipzig – Stadt für intelligente Mobilität“ setzt vor allem auf Anreiz und Privilegierung, es spricht insbesondere die Wirtschaft an. Es ist praxisnah – was insbesondere auf der hohen Beteiligung von Unternehmen, Kammern und Verbänden während der Erarbeitung gründet. Viele Maßnahmen wurden direkt von den Unternehmen eingebracht und sollen gemeinsam umgesetzt werden.
Man denke nur an den E-Fuhrpark für den Wirtschaftsverkehr.
Beispielhaft nennt die Stadt die Unterstützung der Elektromobilität durch das Mittelstandförderprogramm des Amtes für Wirtschaftsförderung für Unternehmen in Leipzig: Diese Programmlinie gibt Unternehmen die Möglichkeit, bei geringem finanziellen Risiko den Einstieg in die Elektromobilität zu finden und die Fahrzeuge im Arbeitsalltag zu testen. Im Jahr 2016 wurden bereits 20 Unternehmen gefördert. Der Förderzeitraum beträgt jeweils drei Monate, die Förderquote liegt bei 70 Prozent; max. 1.050 Euro können für das Quartal ausgezahlt werden.
2017 sind bereits 5 Anträge eingegangen. Das Spektrum der Antragsteller reicht vom Handwerksmeister über Catering-Unternehmen bis hin zu Pflegediensten. Die Unternehmen berichteten von durchweg positiven Erfahrungen im Praxisbetrieb. Einige von ihnen haben nach dem Test selbst E-Fahrzeuge angeschafft und somit zur Erhöhung der E-Mobilitäsquote in Leipzig beigetragen.
Aber natürlich müssen alle Leipziger mitziehen. Sie können entweder bewusst umsteigen – zum Beispiel auf den so beliebten E-ÖPNV, den es in Leipzig seit 1896 gibt. Oder indem sie ihr spritschluckendes Fahrzeug gegen ein alternatives tauschen oder gleich gar zum E-Carsharing wechseln, was dann auch noch jede Menge Parkraum einspart.
Leipzigs Verwaltung versucht ja irgendwie den ganzen Strauß der Möglichkeiten parallel abzuwickeln: ÖPNV, Car-Sharing, neue alternative Mobilitätsangebote.
Als erste deutsche Großstadt habe Leipzig ein umfassendes Maßnahmen- und Umsetzungskonzept unter dem Titel „Leipzig – Stadt für intelligente Mobilität“ erarbeitet, lobt sich die Verwaltung für das jetzt Geleistete. Das Papier sammelt noch einmal alle Arbeitspunkte, in denen Elektromobilität schon eine Rolle spielt. Immerhin sei die Messestadt mit derzeit rund 90 E-Fahrzeugen in Verwaltung sowie kommunalen Unternehmen und etwa 200 Ladepunkten (154 öffentlich, ca. 50 halböffentlich bzw. privat) deutschlandweit Vorreiter, betont das Wirtschaftsdezernat.
Aber bei derzeit 250.000 Kraftfahrzeugen, die in Leipzig registriert sind (plus 40.000, die hier zwar fahren, aber anderswo registriert sind) ahnt man schon, was für ein weiter Weg noch vor der Stadt liegt, bevor sie sich wirklich mit gutem Recht Hauptstadt der Elektromobilität nennen dürfte. Im Grunde ist das Papier eine Art Hauruck-Konzept, damit man endlich mal ein paar größere Schritte macht.
„Leipzig wächst weiter wie kaum eine andere deutsche Stadt. Das bedeutet mehr Verkehr, mehr individuelle Mobilität, aber auch mehr Umwelt- und Immissionsprobleme“, benennt denn auch Oberbürgermeister Burkhard Jung die vielen ungelösten Probleme, die sich derzeit stauen in der Leipziger Verkehrspolitik. „E-Mobilität im ÖPNV, neue Carsharing-Modelle, eine intelligente und multimodale Lade-Infrastruktur oder auch die Privilegierung von E-Fahrzeugen z. B. im Innenstadtverkehr oder der Parkraumbewirtschaftung sichern Lebensqualität, reduzieren Lärm und Feinstaub-Ausstoß. Zugleich präsentiert sich Leipzig mit diesem deutschlandweit ersten vergleichbar umfassenden Konzept als moderne, zukunftsfähige Kommune, die ihrer Verantwortung gerecht wird und sich den Herausforderungen der wachsenden Stadt stellt.“
Mobilität sei ein Bedürfnis des Menschen, betont die Verwaltungsspitze, präge die Wirtschaft und alle Belange einer modernen Gesellschaft. Aber sie bringt einen Berg von Problemen mit sich. Sie muss umweltfreundlicher werden. Feinstaub, Lärm, Stickoxide belasten die Umwelt und die Gesundheit der Bürgerschaft.
Daher soll die künftige Mobilität effizienter, möglichst klimaneutral und leiser werden. Nachhaltige Mobilitätsstrategien, sparsame (E-)Fahrzeuge sowie ein intelligenter ÖPNV können hier Beiträge leisten, befindet auch Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht.
„Das Konzept Leipzig – Stadt für intelligente Mobilität spricht insbesondere die heimische Wirtschaft an. Zum einen positioniert sich Leipzig noch stärker als innovativer Automobilproduktions- und Energiestandort, zum anderen richtet sich die Stadt an Unternehmen, die hierin neue Geschäftsmodelle sehen“, formuliert Albrecht den Anspruch. „Auf Grundlage des Konzeptes können die verschiedenen Akteure von Wirtschaft, Hochschulen, Verbänden und Kommune ihre Kompetenzen ausbauen und gemeinsam die Grundlagen für den Umstieg von fossiler zu postfossiler Mobilität schaffen. Das Konzept setzt jedoch nicht nur auf die Umstellung des Antriebs, sondern auch auf Vernetzung und neue Mobilitätsmodelle und -angebote. Im Fokus stehen hierbei flexibles und stationsgebundenes (E-)Carsharing, aber auch neue Geschäftsmodelle wie Clever Shuttle. Solche neuen Mobilitätslösungen ermöglichen nachhaltigen Verkehr ohne den Verzicht auf individuelle Mobilität.“
Das Konzept enthält dutzende Maßnahmen mit Zeithorizonten, bis wann sie umzusetzen sind. Manche werden allein schon aufgrund der Verwaltungsverfahren länger dauern. Andere kosten Geld, das im Konzept noch nicht beziffert ist. Etliche werden aber auch im politischen Verfahren scheitern, weil sie nicht durchdacht sind. Gegen das Projekt „Privilegierung von Parkräumen für E-Fahrzeuge innerhalb des Innenstadtrings“ hat sich die Grünen-Fraktion ja auch schon deutlich positioniert.
Ein ganzer Teil der schönsten Projekte ist dringend auf große Fördergeldgeber angewiesen.
Und ein Projekt fehlt völlig: der massive Ausbau des E-ÖPNV. Vielleicht wollte man da dem neuen Nahverkehrsplan nicht vorgreifen und auch kein Fragezeichen stehen lasen. Aber das ist das Arbeitsfeld mit dem größten Potenzial, wo mit den richtig eingesetzten Mitteln eine große Verschiebung im Leipziger Verkehrsmix erreicht werden könnte. Was am Ende sogar deutlich kostengünstiger wird als all die kleinen Maßnahmen rund ums geliebte E-Auto.
Das „Maßnahmen- und Umsetzungskonzept ‚Leipzig – Stadt für intelligente Mobilität‘“ zum Nachlesen.
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