Sachsens Großstädte füllen sich. Und mit den neuen Einwohnern kommen auch immer mehr Autos in die Stadt. Die brauchen auch immer mehr Platz zum Parken. So viel Platz, dass wieder der Raum fehlt, alternative Mobilitätskonzepte umzusetzen. Carsharing zum Beispiel. Aber weder die Städte noch die Straßenverkehrsordnung sind auf eine andere Mobilitätszukunft eingerichtet. Da hat Sachsen ein Problem und kommt nicht zu Potte.
Das kritisiert Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage brachte für sie ein enttäuschendes Ergebnis: Die sächsische Staatsregierung verfolgt bislang keine eigenen Aktivitäten, um den Ausbau von Carsharing im Freistaat zu unterstützen. Dabei werden die Anbieter von Carsharing im Hinblick auf die Einrichtung von Stationen im öffentlichen Raum weiter allein gelassen, kritisiert Meier.
Die Zahl der Carsharing-Nutzer in Sachsen wächst rasant. Allein in Leipzig bietet der größte Anbieter teilAuto für inzwischen rund 10.000 Nutzerinnen und Nutzer insgesamt 250 Fahrzeuge an. In Dresden können sich ca. 8.500 Nutzerinnen und Nutzer an 141 Stationen ca. 230 Fahrzeuge ausleihen.
Katja Meier: „Dieser positive Trend stößt mittlerweile an seine Grenzen. Es gibt zunehmend besonders in innenstadtnahen Wohngebieten einen Mangel an geeigneten Stellplätzen.“
Bisher müssen die Anbieter private Flächen finden und anmieten. Das wird immer schwieriger. Etliche Stellplätze von Carsharing-Autos lassen sich oft nur noch in Hinterhöfen realisieren.
Das Problem, so Meier: „Die Straßenverkehrsordnung bietet bundesweit derzeit keine rechtliche Handhabe für die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen im öffentlichen Verkehrsraum. Allerdings haben die Bundesländer bereits jetzt genügend gesetzliche Möglichkeiten zum Handeln. Bremen und Berlin sind hier mit Halteverbots-Schildern und dem Hinweis ‚Carsharing-Unternehmen frei‘ positive Beispiele. CDU und SPD in Sachsen haben mit ihrem Koalitionsvertrag das Problem thematisiert, aber bisher nichts dagegen unternommen.“
Nach den Antworten von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) hat die Staatsregierung zwei Jahre nach Verabschiedung des Koalitionsvertrages immer noch nichts unternommen.
„Dass sich die Regierung über zwei Jahre nach der Verabschiedung des Koalitionsvertrages immer noch in der Meinungsbildung befindet, ist enttäuschend“, findet die Abgeordnete Meier.
Es gibt zwei Möglichkeiten, um Carsharing-Unternehmen rechtlich bei der Suche nach Stellplätzen zu unterstützen: Auf Bundesebene kann erstens die Rechtslage geändert werden. Aktuell existiert dazu der BMVI-Entwurf eines Gesetzes zur Bevorrechtigung des Carsharing (Carsharinggesetz – CsgG). Zweitens haben parallel dazu die Landesregierungen die Möglichkeit, auf Landesebene aktiv zu werden und ihre Straßengesetzgebung zu ändern, um Kommunen und Carsharing-Anbietern entgegenzukommen.
Im Bundesland Bremen wurden im Jahr 2003 erstmals Carsharing-Stellplätze auf öffentlichem Straßenland eingerichtet. Man beruft sich dabei auf das Bremische Landesstraßengesetz § 18, in dem man den Gebrauch der Flächen für Carsharing-Stellplätze als ‚Sondernutzung‘ deklariert.
Das Bundesland Berlin hat erstmalig 2006 Carsharing-Stellplätze im öffentlichen Straßenland eingerichtet und dazu das Berliner Straßengesetz geändert.
CDU und SPD in Sachsen hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag 2014 festgeschrieben: „Wir werden die Grundlagen dafür schaffen, um Kommunen die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen im öffentlichen Raum rechtssicher zu ermöglichen.“
Das ist auch noch nicht vom Tisch, betonte Dulig in seiner Antwort: „Die Staatsregierung wird in dieser Legislaturperiode die Grundlagen schaffen, um Kommunen die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen im öffentlichen Raum rechtssicher zu ermöglichen. Der Meinungsbildungsprozess zur Umsetzung dieses Ziels ist derzeit noch nicht abgeschlossen.“
„Allein auf den Bund zu warten, so wie es Minister Dulig vorsieht, ist die schlechtere Lösung“, kommentiert Katja Meier. „Der aktuell vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung befindet sich erst im Anhörungsverfahren. Nach meiner Einschätzung wird dieser Gesetzentwurf nicht vor Sommer 2017 abgestimmt. Die Berliner Mühlen mahlen hier langsam. Selbst wenn das Bundesgesetz noch 2017 in Kraft tritt, gilt es zunächst nur für öffentliche Parkplätze an Bundesstraßen. Damit aber die Carsharing-Anbieter auch Flächen nutzen können, für die das Land oder die Kommune zuständig ist, muss der Freistaat aktiv werden und ein Landesgesetz verabschieden. Dazu müsste die sächsische Staatsregierung endlich die eigenen Handlungsoptionen nutzen.”
Jetzt erwartet sie, dass CDU und SPD das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ernst nehmen und aktiv werden. „Wer es ernst meint mit mehr Klimaschutz, Luftreinhaltung und der Verbesserung der Lebensqualität gerade in den Großstädten muss den Ausbau von Carsharing massiv unterstützen“, zieht die Abgeordnete ihr Fazit.
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