Ob Grüne, SPD oder Linke – alle drei Ratsfraktionen haben gleich mehrere Änderungsanträge zum Doppelhaushalt 2017/2018 gestellt, in denen mehr Geld für die LVB gefordert wird – mal für barrierefreie Haltestellen, mal für das Sozialticket, mal für mehr Haltestellen. Eigentlich das Mega-Thema der Gegenwart: Bekommt Leipzig einen zukunftsfähigen ÖPNV oder wird auch dieses Thema vergeigt?
Die Grünen melden sich noch einmal dezidiert zu diesem Thema zu Wort. Denn manchen Antrag haben sie ja auch mit anderen Fraktionen zusammen gestellt – wie den, ab 2018 die Zuschüsse für die LVB generell um 3 Millionen Euro anzuheben, von völlig ungenügenden 45 auf 48 Millionen Euro.
„Die Kosten im laufenden Betrieb der LVB steigen Jahr für Jahr, während der Ausgleichsbetrag über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag von ehemals über 60 Millionen Euro auf mittlerweile 45 Millionen Euro per anno gesunken ist“, benennt Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, das Problem. „Seit Jahren fordern wir eine nachhaltige Stärkung der LVB, da unser Mobilitätsdienstleister einzig und allein durch effizientere Strukturen und – leider – eine Anpassung der Tarife diese Mehrkosten sowie die steigenden Investitionsbedarfe gegenfinanzieren kann. Es kann aber eben nicht das städtische Ziel sein, finanzielle Löcher im städtischen Haushalt und im Stadtkonzern durch einen auf Jahre gedeckelten Ausgleichsbetrag und damit auf Kosten der Fahrgäste und der Beschäftigten zu stopfen.“
Der Widerstand gegen die automatisierten Fahrpreiserhöhungen um 4 bis 5 Prozent zu jedem 1. August wächst – auch in den Ratsfraktionen. Die Fahrgäste selbst haben ja keine möglichen Protestforen. Der Fahrgastbeirat ist ein hübsches Feigenblatt, das Mitspracherechte suggeriert, aber nicht gewährt. Und wer sich die steigenden Ticketpreise nicht mehr leisten kann, der steigt meist in aller Stille aus und um – auf Fahrrad oder Schusters Rappen. Und für Autofahrer wirkt der Tarifwirrwarr eher abschreckend. Der Preis inzwischen auch.
Und jahrelang wurde die Sparpolitik der Stadt auch damit erkauft, dass ein großer Teil des Fahrpersonals nur außerhalb der üblichen Tarife bezahlt wurde. Vor zwei Jahren wurde der Protest direkt aus den Kabinen der Straßenbahnen und Busse schon sehr laut und verursachte einigen Aufruhr im Hause LVB.
Das soll sich endlich ändern, wird aber ohne zusätzliche finanzielle Aufwendungen nicht zu machen sein.
„Es ist gut, dass im kommenden Jahr die Annäherung der Beschäftigtentarife im Fahrdienst an den TV-N beginnen wird!, sagt Daniel von der Heide. TV-N ist der Tarifvertrag Nahverkehr. Von der Heide: „Die LVB kann damit auch zukünftig attraktive Arbeitsplätze in der Stadt anbieten und im Bemühen um persönlich und fachlich geeignetes Personal wettbewerbsfähig bleiben. Die damit verbundenen Kosten dürfen aber nicht einseitig von den Fahrgästen eingeholt werden, da wir sonst die Attraktivität des ÖPNV und die Mobilität vieler Bürgerinnen und Bürger aufs Spiel setzen.“
Aber es geht ja nicht nur um Fahrpersonal, sondern um ein Angebot, das wirklich attraktiv ist.
„Städtisches verkehrspolitisches Ziel muss sein, den ÖPNV auf kurzen Wegen erreichbar und mit einer flächendeckenden modernen Infrastruktur und dennoch für Jede und Jeden finanziell leistbar anzubieten. Entsprechend muss die Stadtverwaltung sowohl bei der Haltestellennachverdichtung als auch beim Ausbau der Bike&Ride-Angebote ihren Teil beitragen. Ebenso wichtig ist, in der mittelfristigen Perspektive gemeinsame Bauprojekte auch von städtischer Seite mit den finanziellen Mitteln zu untersetzen“, blättert der Grünen-Stadtrat einen Teil der Palette auf, die jetzt mit verschiedenen Änderungsanträgen zum Doppelhaushalt untersetzt wird. „Zu diesen Themenkomplexen hat meine Fraktion konkrete Lösungsansätze als Änderungsanträge zum Doppelhaushalt 2017/18 beantragt: Die wachsende und sich verdichtende Stadt braucht ein attraktives und zukunftsgerichtetes Mobilitätsangebot jenseits des motorisierten Individualverkehrs. Dieses kostet Geld, wird uns aber an anderer Stelle umso mehr entlasten, sei es im Hinblick auf die gesundheits- und klimaschädlichen CO2-, Feinstaub- und Stickoxid-Emmissionen als auch hinsichtlich des mit dem Bevölkerungswachstum ansteigenden Verkehrsaufkommens. Jede NutzerIn des Umweltverbundes ist ein Auto weniger. Wenn alle Auto fahren würden, wären die Staus unvermeidlich.“
Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen beantrage in diesem Zusammenhang auch einen Investitionszuschuss zur Haltestellenverdichtung in Höhe von 100.000 Euro pro Jahr, eine Verdopplung der vorhandenen Fahrradabstellplätze (Bike & Ride) an Haltestellen der LVB durch Ausbau an bislang unversorgten Standorten in den äußeren Stadtteilen und den Ortschaften. Und dazu die Erhöhung des Ausgleichsbetrags um 3 Millionen Euro ab 2018.
Und das alles noch ohne erstrittene Grundlage, denn ob das LVB-Angebot in der gegenwärtigen Form überhaupt das ist, was Leipzig in Zukunft braucht, soll ja erst 2017 geklärt werden, wenn über den neuen Nahverkehrsplan der Stadt diskutiert wird. Und da wird das Thema „Verkehrschaos“ ganz bestimmt im Mittelpunkt stehen, denn wenn man das Park- und Stauchaos, wie es in Leipzig immer öfter zu beobachten ist, künftig dämpfen oder gar vermeiden will, kommt man um ein besser ausgebautes ÖPNV-System nicht herum.
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Ich für meinen Teil fahre seit dem Wegfall (auch von den Grünen befürwortet) der Linie 9 nur noch mit Auto.