Es hat alles seine Logik. Oder Unlogik. Am Donnerstag, 3. November, hatten die Grünen eingeladen, um ihre Anträge zum Doppelhaushalt 2017/2018 vorzustellen. Darin auch ein Antrag, die jährlichen Investitionen für Radwege von 800.000 auf 1,2 Millionen Euro zu erhöhen. „Ist das nicht zu wenig?“, fragte die L-IZ. Denn das, was dann am späten Nachmittag in der Goethestraße passierte, ist ja in Leipzig längst kein Einzelfall mehr.

Und der tragische Unfall erzählt auch nicht nur von einer zunehmenden Verkehrsbelastung in Leipzig oder von immer mehr unaufmerksamen Autofahrern. Nur zur Erinnerung: Die Goethestraße sollte längst schon umgestaltet sein zu einem inneren Radring, auf dem man die Innenstadt mit dem Fahrrad umfahren könnte. Seit zehn Jahren steckt das Projekt in der Schublade, weil schlicht das Geld und der Wille fehlen, es auch umzusetzen. Schon damals war absehbar, dass der Radverkehr deutlich stärker zunehmen würde als alle anderen Verkehrsarten. Trotz der Radwegebedingungen in Leipzig. Das Radwegenetz ist nach wie vor unübersichtlich, oft genug unlogisch, an viel zu vielen Stellen brandgefährlich.

„Tragischer Unfall“ am 20. September, „Unfallflucht“ am 28. September, „Kollision“ am 20. Oktober, „Radfahrerin verletzt“ am 25. Oktober … Das sind die normalen Nachrichten aus dem Leipziger Verkehrsgeschehen. Seit Jahren steigen die Zahlen der im Leipziger Verkehr verletzten Radfahrer, obwohl die Gesamtunfallzahlen sinken. Von 794 im Jahr 2011 stieg die Zahl auf 921 im Jahr 2015. Die Zahlen hat die Grünen-Fraktion gleich mit dazu gepackt zu ihrer gleich am Donnerstag gestellten Stadtratsanfrage.

Darin machen die Grünen die Frage zum Mittelpunkt, ob Leipzigs Verkehrspolitik für RadfahrerInnen und FußgängerInnen eigentlich ausreicht.

„Die dunkle Jahreszeit und die schlechte Sicht erhöhen die Gefahr für Unfälle auf Straßen und Wegen. Die Polizeistatistik zeigt, dass im Gegensatz zu abnehmenden Unfallzahlen im Allgemeinen Unfälle mit Beteiligung Fahrradfahrender zunehmen. Im Radverkehrsentwicklungsplan ist die Erhöhung der Sicherheit von radfahrenden Verkehrsteilnehmenden ein wesentliches Ziel“, betonen sie. „Es besteht jedoch die Frage, ob die Maßnahmen der Stadt und der Polizeidirektion angesichts der steigenden Unfallzahlen mit Beteiligung von Fahrradfahrenden sowie Zufußgehenden bisher ausreichend sind. Der Stadtrat hat im September 2015 dazu beschlossen, dass es einen jährlichen Verkehrsunfallbericht der Stadt Leipzig (VI-A-01331) geben solle. Dieser steht bisher aus.“

Wieder so ein stilles Versäumnis, das meist erst auffällt, wenn es wieder zu tragischen Ereignissen kommt.

Denn Fakt ist: Das Leipziger Radwegenetz ist gespickt mit Gefahrenstellen.

Die Fragen der Grünen zum Thema:

„Welche Struktur aus Stadtverwaltung und Polizeidirektion, ggf. erweitert mit weiteren Fachkompetenzen, arbeitet zur Identifizierung von Unfallschwerpunkten in Leipzig zusammen?
     
Welche sind die bekannten Unfallschwerpunkte zwischen Autoverkehr und Radfahrenden und Zufußgehenden? Wir bitten um Nennung der statistisch zehn besonders auffälligen (im Sinne von gefährlichen) Straßen und Kreuzungen.
     
Welche sind die bekannten Unfallschwerpunkte zwischen Radfahrenden und Radfahrenden beziehungsweise Radfahrenden und Zufußgehenden? Wir bitten um Nennung der statistisch gesehen zehn besonders auffälligen (im Sinne von gefährlichen) Straßen und Kreuzungen.

Welche Schlussfolgerungen werden daraus abgeleitet?
     
Wie wirkt sich das auf Planungen und Verkehrskontrollen aus?
     
Was werden weitere Maßnahmen sein, um die Zahl und die Schwere der Unfälle zu verringern?“

Der innere Radring wurde ja auch deshalb konzipiert, um Radfahrern ein sicheres Durchfahren der Innenstadt zu ermöglichen und die Fußgängerzonen von Radverkehr freizubekommen. Ein heiß diskutiertes Thema seit 2008, als das Leipziger Ordnungsamt kurzerhand die Durchfahrtverbote für die Fußgängerzonen verhängte, ohne dass auch nur ein erster Ansatz zum Radring entstanden war. Das Pferd wurde einmal mehr von hinten aufgezäumt. Ausweichmöglichkeiten für Radfahrer?

Eigentlich keine. Sie wurden wieder auf jene Straßen verwiesen, die sowieso schon problematisch waren. Allein die Schaffung des inneren Radrings wäre überfällig. Aber es ist eine der vielen Themen, bei denen die drängenden Umbauten zu einem nachhaltigen Verkehrssystem immer wieder vertagt und verschoben werden.

Die Frage ist durchaus berechtigt: Reichen 1,2 Millionen Euro für das Leipziger Radwegenetz?

Eine Frage, die niemand beantworten kann, weil nicht einmal eine Vision für ein in sich stimmiges Radwegenetz existiert – und damit auch keine Kostenabschätzung. Radverkehr wird auch in Leipzig gern wie Beifang behandelt, nicht wie ein echtes Zukunftsthema.

In eigener Sache – Wir knacken gemeinsam die 250 & kaufen den „Melder“ frei
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/10/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

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Um die Gefahrensituationen für Radfahrer zu entschärfen muss der Radverkehr generell neu konzipiert werden. Solange Radfahrer im Straßenverkehr nur geduldet und nicht als gleichberechtigte Teilnehmer akzeptiert sind, wird sich nichts ändern. Ich empfehle auch im Hinblick auf Luftsauberkeit und Lebensgefühl in der Stadt dringend einen Blick über die Landes- und Staatsgrenzen. Ich habe bei einer Radtour im Oktober quer durch Holland mit Durchfahrt der Städte Amersfoort, Amsterdam, Den Haag und Rotterdam erlebt, wie Radverkehr funktionieren kann: Konsequente Entflechtung an großen Straßen, Vorrang der Radler in allen Wohngebieten, exzellent geführte Radwege über Land…

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