Das Dilemma ist selbstverschuldet. Die Förderung für den Radverkehr in Sachsen kommt nicht aus der Hüfte, Fördergelder bleiben liegen, Kommunen bleiben in der Antragsschleife hängen. Und nun stellt sich heraus: Das Verkehrsministerium hat einfach nicht genug Leute eingestellt, um die Anträge zu bearbeiten. Das ist in Zeiten umweltgerechten Verkehrs einfach nur noch peinlich. Die Grünen haben nachgefragt.

Wie Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (Grüne) erklärt, sind insgesamt nicht einmal sieben Vollzeitäquivalente für die Planung und Umsetzung von Radverkehrsprojekten in Sachsen im Verkehrsministerium und im untergeordneten Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) eingeteilt.

„Das ist viel zu wenig!“, kritisiert Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. Gerade einmal 0,6 Vollzeitäquivalente (ca. 24 Wochenstunden) sind im SMWA für den Aufgabenbereich ‚Grundsatzfragen Nichtmotorisierter Verkehr/Radverkehrsanlagen‘ vorgesehen – verteilt auf zwei Angestellte. Hinzu kommen noch drei Gebietsreferenten im Bereich Straßenplanung und -bau, die mit jeweils unfassbaren 0,05 Vollzeitäquivalenten (ca. 2 Wochenstunden) mit Radverkehr befasst sind.“

Ähnlich katastrophal sei die Personalsituation im LASuV: Die für die Planung und Umsetzung von Radverkehrsprojekten im gesamten Freistaat Sachsen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei insgesamt lediglich 6,3 Vollzeitäquivalenten chronisch überlastet.

„Diese Personalpolitik hat Folgen. Für Radwege an Staatsstraßen wurden in den letzten zweieinhalb Jahren 75 Prozent der verfügbaren Gelder nicht ausgegeben. Es fehlen ausreichende Planungskapazitäten beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr. Radverkehr ist in Sachsen schlicht nicht Chefsache. Hier sehen wir erheblichen Nachbesserungsbedarf“, kritisiert die Abgeordnete die Verweigerungshaltung im Verkehrsministerium. „Fördergelder bringen dem Radverkehr nichts, wenn sie am Ende nicht ausgegeben werden. Woran es im LASuV und im SMWA offensichtlich fehlt, sind ausreichende Planungskapazitäten und die notwendigen Fachkräfte, die sich ausschließlich mit Radverkehr beschäftigen. Wir schlagen die Gründung einer personell gut ausgestatteten eigenen Abteilung Radverkehr im SMWA vor, die mit kompetenten Ansprechpartnern sächsische Kommunen unbürokratisch unterstützt und berät.“

Im Juli erst hatte Meier die Zahlen zu den ausgegebenen Fördergeldern bekommen. Und war regelrecht erschrocken, was da alles liegen blieb.

„Die Bilanz des Radwegbaus ist erschreckend: Das zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) hat im Jahr 2014 für nur 393.000 Euro Radwege an Staatsstraßen gebaut, obwohl eine Million Euro dafür eingestellt waren. 61 Prozent der Mittel blieben ungenutzt“, bilanziert Katja Meier. „2015 und 2016 waren jeweils vier Millionen Euro für Radwege an Staatsstraßen eingestellt. 2015 gelang es dem LASuV, davon 1,26 Millionen Euro zu verbauen. 69 Prozent der Mittel wurden nicht abgerufen.“

2015 hat dann auch Leipzig endlich mal einen Kleckerbetrag aus dem Fördertopf bekommen: 85.000 Euro. Dass viele überregionale Routen derart ärmlich aussehen, hat genau damit zu tun: Der Freistaat sitzt auf den Fördergeldern, hat sich aber schlicht die Fachleute gespart, die sie sachgerecht bewilligen können. Wieder so ein typischer Fall von „Sparen in Sachsen“. Und das in einer Situation, in der die Sachsen selbst längst versuchen, umzusteigen auf umweltfreundliche Verkehrsarten. Den zusammengesparten ÖPNV erwähnen wir hier nur.

„Das Fahrrad wird als Alltagsverkehrsmittel weiter an Bedeutung gewinnen“, ist sich Meier sicher. „Zum Zwecke einer zukunftsweisenden Radverkehrspolitik im Freistaat Sachsen sind dazu mindestens zwölf Vollzeitstellen im LASuV und eine eigene Radverkehrsabteilung im SMWA vorzuhalten. Andernfalls wird der bereits vorhandene Planungsstau bei Radverkehrsmaßnahmen weiter zunehmen und so die weitere positive Entwicklung des Alltagsradverkehrs in Sachsen gefährdet. Ein bloßes Versprechen, den aktuellen Personalbestand zu halten, reicht da nicht aus.“

Antwort von Staatsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (Grüne) „Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 20 891 01 ‚Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger‘ für den Bereich Radverkehr in den Jahren 2014, 2015 und 2016“ (Drs 6/5131)

Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (Grüne) „Anzahl und Stellenumfang der mit Radverkehrsplanung, Alltagsradverkehr und Fahrradtourismus im Freistaat beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (Drs. 6/6309).

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