LeserclubNatürlich haben wir nicht nur Krähen gesehen, sondern auch aufmerksame Ornithologen. Es müssen welche gewesen sein, die still und stumm am Elsterbecken standen und zuschauten, was Schwäne, Stockenten und Graureiher so trieben. Die Graureiher fühlen sich wohl an Luppe und Elsterbecken. Hier gibt es reichlich Futter, wie es aussieht. Nur „Zierlich Manierlich“ hat noch geschlossen so früh am Tag.
Also einmal anstrengen und einen der markantesten Anstiege auf dem Leipziger Elsterradweg hinaufspurten. Rechts könnte man abbiegen zum Palmgarten, was in der nächsten Zeit etwas gefährlich wird, denn hier ist jetzt eine Versorgungsstraße gebaut worden, die die neue Asylunterkunft in der Schule an der Karl-Heine-Str. 22b versorgt. Zumindest ein Jahr lang, bis die Schule selbst endlich saniert werden kann.
Linkerhand kommt man zur Schwimmhalle Mainzer Straße, zum Schreberbad (wenn man weit genug fährt) und – für Leute die wirklich was lernen wollen unterwegs – zum Sächsischen Psychiatriemuseum in der Mainzer Straße 7. Geöffnet ist es mittwochs bis samstags 13 bis 18 Uhr. Manchmal gibt es dort auch ganz besondere Kunstausstellungen. Wer also am richtigen Tag zur richtigen Zeit hier vorbeikommt, dem kann man den Abstecher nur empfehlen. Auch wenn es nicht am Wegweiser zu lesen ist, der da kurz vor der Brücke steht.
Die Beschilderung des Radwegesystems verbessert sich zwar ab dieser Stelle in Leipzig deutlich. Aber wer diese kleinen, wichtigen Informationen sucht, was sich links und rechts der Strecke an Attraktionen anbietet, findet sie nicht. Was schade ist. Verschenkte Gelegenheiten.
Über die Brücke, die da jetzt kommt und über den Elstermühlgraben führt, haben wir jüngst in der L-IZ berichtet: Es ist der Peterssteg, der ab Oktober abgebaut und völlig erneuert werden soll. Hätten wir nicht drüber geschrieben, hätten wir uns jetzt noch nicht auf den Elsterradweg gestürzt.
Den Herrn Peters haben wir noch gesucht. Denn Luise Otto Peters war es ja nicht, die dem Steg ihren Namen gab. Die Frauenrechtlerin hat ihre Allee im Norden von Leipzig bekommen. Und das auch erst in jüngerer Zeit. Als der Steg 1933 benannt wurde, hatten es die Leipziger Stadtväter mit Frauen als Straßennamen noch nicht so – es sei denn, es waren Kaiserinnen, Königinnen oder Prinzessinnen. Was ein eigenes Kapitel ist, denn die sind dann nach 1945 alle aus dem Stadtbild verschwunden und – na ja – durch Männer ersetzt worden. Auch 1945 glaubten die Männer noch, dass sie allein die Lokomotive der Geschichte befeuern.
Auch wenn die meisten Männer bemüht sind, die Lokomotive in den nächsten Abgrund zu fahren.
Ein Abschweif?
Auf Radwegen immer erlaubt.
Aber Herr Peters war augenscheinlich ein braver Mann, den Leipzigs Verwaltung hier mit einer dauerhaften Brückenbenennung ehrte. Im Band 2 der „Leipziger Brücken“ wird uns sein vollständiger Name verraten: Fritz Wilhelm Emanuel Peters.
Da stutzt man. Waren Leipzigs Bauräte nicht eigentlich Leute wie Otto Wilhelm Scharenberg und Hubert Ritter? Berühmt bis heute, weil man ihre Werke bestaunen kann? Es gab augenscheinlich immer zwei Stadtbauräte, einen für den Hochbau (mit dem man berühmt werden konnte) und einen für den Tiefbau – Kanäle, Schächte, Straßen und so Zeugs. Da laufen wir bis heute auf den Dingen herum, die Peters bauen ließ und die ihre 100 Jahre gut durchgehalten haben. Das muss man manchmal auch würdigen. Auch wenn es nur durch eine Brücke ist.
Und sein Amt, in dem er sich diese Ehren verdiente: Stadtbaurat in Leipzig von 1909 bis 1930.
Der Wegweiser verrät uns, dass wir jetzt noch 6,8 Kilometer bis zum Cospudener See vor uns haben. Und dass wir richtig sind. Das Signet für den Elsterradweg ist auch da.
Wenig später erlebt dann der Weitgereiste die erste Ampel auf Leipziger Gebiet: eine Bettelampel, völlig sinnfrei. Denn der Radweg wird so stark frequentiert, dass sich jedes Mal, wenn man seinen Ampelwunsch betätigt hat, ein ganzer Pulk an Radlern, Joggern, Kinderwagenschiebern bildet, auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls. Und wenn man Pech hat, bekommt man die aktuelle Grünphase gar nicht. Es gibt eine ganze Reihe solcher Orte in Leipzig, an denen die Verkehrsplaner den Radfahrern und Fußgängern zeigen, was eine echte Harke ist. Wer die Macht über die Ampeln hat, hat die Macht über den Verkehr.
Da wir in frischer Frühe losgeradelt sind, teilen wir uns unsere Wunschgrünphase mit einer emsigen Läuferin, die einfach auf der Stelle weiterläuft, während wir warten. Und dann ist sie noch schneller drüben, als unsereins überhaupt in die Pötte kommt. Aber wir wollen ja nicht rasen. Wir haben keinen Trainer hinter uns, der das Tempo bestimmt. Wie andere, die uns hier immer öfter begegnen. Die halbe Stadt sorgt hier in früher Morgenstunde für ihre Fitness. Leipzig im Konkurrenzkampf der Großstädte. Ganz bestimmt ist irgendwo heute auch ein Marathon, Benefiz- oder Frauenlauf organisiert.
Dass wir mit den Schildern nicht zu viel versprochen haben, sieht man an der Sachsenbrücke, wo man um diese Zeit natürlich noch kein Eiswägelchen vorfindet und keine Straßenmusikanten. Dafür weist der Schilderbaum in sechs verschiedene Richtungen. Und wir erfahren, dass wir jetzt auch auf der Radroute „Kohle Dampf Licht“ unterwegs sind. Ein ganz eigenes Thema. Selbst die Erfinder dieser Route durch die alte Kohle-Landschaft grübeln darüber, warum sich Radreisende einfach nicht für so eine Route interessieren.
Kohle ist doch spannend!
Sicher.
Wir aber müssen jetzt weiter nach Großzschocher: 4,2 Kilometer. Auch wenn wir es am Ende nur kurz berühren. Und weil es nicht da steht – und es steht wirklich nicht da – biegen wir erst mal linkerhand ab, um zu schauen, wie weit denn nun die Bauarbeiten am Inselteich sind. Der Teich ist wieder gefüllt mit Wasser. Die Enten sind scheu. Die Terrasse scheint fertig. Trotzdem sind einige Parkteile noch abgesperrt. Bestimmt lädt uns der Bürgermeister nach den Ferien ein, um stolz zu verkünden, dass alles wieder schön ist und sich das Abbiegen für Radfahrer lohnt. Am Clara-Park nämlich immer. Aber nicht mal die Parkgaststätten werben an der Sachsenbrücke zur Einkehr (Radlertheke, wie wär’s?) Entweder hat es das Grünflächenamt untersagt. Oder man kommt vor lauter Betrieb nicht auf solche Ideen.
Dafür ist der neue Freisitz an der Pferderennbahn nicht zu übersehen. Die Betreiber brauchen bei Nutzern des Elsterradweges nicht extra um Aufmerksamkeit zu buhlen. Die bekommen sie auch so. Aber eigentlich ist man auf richtige Langstreckenradler auch hier nicht eingerichtet. Der Freisitz öffnet erst ab 15 Uhr. Ein echter Großstadtfreisitz eben. So dass wir natürlich betrübt am Rennbahnsteg stehen. Auch hier steht ein Wegweiser, von grünen Algen überzogen. Aber wir sind richtig.
Und bevor wir es vergessen: Nächstes Jahr werden hier gleich zwei Jubiläen gefeiert. Am 14. September 1867 fand auf der Pferderennbahn im Scheibenholz das erste Rennen statt. Und 1907 wurde nach Plänen des Architekten Paul Burghardt die markante Tribüne gebaut, an der wir jetzt vorbeiknirschen. Den leuchtenden Reiter genau auf Kimme und Korn.
Aber ist ja Quatsch: Das Pferd am Leipziger Eck leuchtet schon lange nicht mehr. Nur seine rostende Hülle grüßt übers Wasser. Und ein illegaler Reiher. Denn auf dem Schild steht doch nun mal eindeutig: „Vereinsgelände. Betreten nur für Mitglieder des SKV gestattet.“
Deswegen heißt die Spitze am Zusammenfluss von Pleiße und Elsterflutbett bei den Leipzigern auch Deutsches Eck. Denn nichts ist so deutsch wie so ein strammes Schild.
Und wer ist die geheimnisvolle Gesellschaft SKV? – Das ist der Sächsische Kanuverband, Sektion Leipzig.
Keine Kommentare bisher
Linkerhand käme man nicht nur zur Schwimmhalle, dem Freibad und dem Museum, sondern auch (als erstes!) zum fabelhaften Tennisverein TC RC Sport. Das nächste sehenswerte Turnier (Eintritt frei) findet dort vom 19.-21.08. statt. Die Mainzer Straße ist übrigens ein weiteres Beispiel für den Kahlschlag an Leipzigs Stadtbäumen. Was da an den Straßenbäumen “gestutzt” wurde (natürlich in der Schutzperiode), geht auf keine Kuhhaut. Da stehen nur noch die Stämme, alle Äste sind ab.