LeserclubWer den Abstecher zur Burgaue verpasst, sollte aber kurz vor der Gustav-Esche-Straße aufpassen. Denn diese zeitweise stark befahrene Straße muss man nicht ebenerdig queren. Viel ungefährlicher ist es, die seit einigen Jahren existierende Unterführung unter der Brücke zu nutzen. Da von der Straße am Pfingstanger bis Heuweg der Weg auf dem Luppedeich komplett asphaltiert ist, ist das einer der fluffigsten Abschnitte auf dem Elsterradweg.
Und wer noch nie hier gefahren ist, sieht dann oben vom Damm linkerhand das Wasser schimmern. Es gibt Momente im Tagesverlauf, da sieht der Auensee wie ein verwunschener See aus. So wie der Stechlin in Fontanes gleichnamigen Roman. Aber Fontane war nie hier. Goethe auch nicht. Zum Glück. Zu ihrer Zeit gab es den See noch nicht. Der entstand erst um das Jahr 1900, als hier die riesigen Kiesmengen für den Bau des Leipziger Hauptbahnhofs abgetragen wurden. Dabei entstand eine zehn Meter tiefe Kiesgrube, die sofort volllief, als man mit den Kiestransporten fertig war. Und weil das die Zeit war, in der Leipzig einen regelrechten Boom an gigantischen Vergnügungsstätten erlebte (Krystallpalast, Palmengarten, Felsenkeller, Charlottenhof …), entstand auch hier eine: der Lunapark mit Achterbahn, Gondelstation am See, Musikpavillon und einer Lunabahn, die um den See fuhr. Und natürlich dem Haus Auensee, das bis heute Konzerthaus geblieben ist und im Sommer mit seiner großen Terrasse einlädt. Auch die „Gondelstation“ gibt es wieder mitsamt „Haus am See“. Verschwunden ist dafür die „Weltfrieden“, die einst über den See tuckerte und heute auf dem Karl-Heine-Kanal die Fahrgäste erfreut.
Was sieht man davon am frühen Morgen?
Nicht viel. Auch hier öffnen die Gastronomien erst am späten Vormittag. Dafür hat auch hier das Unwetter vom 27. Juli einen Baum gefällt. Was die Romantik des Sees auch mal etwas borstig aussehen lässt. Nicht alle Tafeln, die hier stehen, erzählen Auensee-Geschichte. Eine hat auch hier die Landestalsperrenverwaltung (LVT) hingestellt. Darauf berichtet sie von ihrer Fleißarbeit im Jahr 2003. Auch damals war das schon Teil des sächsischen Hochwasserschutzprogramms. Die LTV setzte damals den Luppedeich an dieser Stelle instand, erhöhte ihn um 70 Zentimeter und machte ihn für die Jahrhunderthochwasser fit, die seitdem aller zehn Jahre durch Mitteldeutschland rauschen. 2002 war man ja in Dresden richtig erschrocken. Mit so einem Hochwasser hatte man erst 2050 wieder gerechnet. Für die Nutzer des Elsterradwegs ein Geschenk: Der Radweg wurde damals auf 1,8 Kilometer asphaltiert.
Tafeln stehen hier zwar, aber einen ordentlichen Wegweiser für Radfahrer haben wir nicht gesehen. Vielleicht kamen wir an der falschen Stelle an den See. Kann sein. Aber wer hier auf den Elsterradweg stößt, hat dasselbe Problem. Woher weiß er, dass er hier richtig ist?
Wer drauf ist, genießt natürlich. Der kann etlichen Laubenpiepern in den Wahrener Kleingartenanlagen aufs Dach gucken. Und der Sportverein MoGoNo wirbt mit einem riesigen Transparent für das 2. Ranglistenturnier der besten deutschen Bogenschützen am 6. und 7. August. Natürlich auf seinem schönen Sportplatz in der Elsteraue, auf dem die großen Zielscheiben in Reih und Glied stehen. In weiter Kurve umfährt man hier auch den weltberühmten Nahleberg. Zumindest auf den Karten des Grünen Ringes heißt der große Müllberg so, der mal die Müllkippe von Möckern war und der sich am rechten Ufer der Neuen Luppe auftürmt, so dicht bewachsen mittlerweile, dass man ihn für einen gewachsenen Berg halten kann.
Erst jüngst war er Thema im Stadtrat, denn der Stadtbezirksbeirat wünscht sich hier einen neuen sportlichen Aussichtsgipfel, einen „Balkon für Leipzig“. Aber dazu ist der Berg noch zu frisch, teilte die Verwaltung mit. Noch sei die ganze Anlage zu sensibel, um Mountainbiker drauf fahren zu lassen. Und außerdem müsste eine neue, hochwassersichere Brücke über die Neue Luppe gebaut werden. Die alte ist seit dem Hochwasser 2013 ziemlich lädiert.
Schafe sind nicht so schlimm. Am frühen Morgen dösten sie hier am Fuß des Nahlebergs noch. Jetzt scheint man gerade zu frühstücken. Diesmal: frisches Gras. Lecker.
Die Stelle am Elsterradweg ist sowieso interessant, weil hier nach etlichen Kilometern endlich mal wieder ein paar Wegweiser auftauchen. Halb zugewachsen. So erfährt man, dass am Heuweg die Parthe-Mulde-Radroute abzweigt. Oder dass man von dort zum Parthe-Mulde-Radweg kommt. So genau erklärt das der Wegweiser nicht. Einen gewissen Sinn macht das schon. Aber jetzt 23 Kilometer nach Taucha radeln? Da wollten wir heute doch gar nicht hin!
Also Kopf einziehen.
Denn das ist der Höhepunkt auf diesem Wegabschnitt. Eigentlich der Tiefpunkt. Wer hier die Brücke der Bahnstrecke unterquert, muss wirklich den Kopf einziehen. Nach einer professionellen Lösung sieht dieser Unterschlupf nicht aus und man kann nur hoffen, dass – wenn die Bahn in drei Jahren diese Bahnstrecke erneuert – auch eine bessere Unterführung für Radfahrer und Fußgänger gebaut wird.
Andererseits ist diese rustikale Brückenunterfahrt auch das Ende eines Kapitels. Ab hier endet erst einmal der Asphalt, gibt es eine echte Leipziger Rumpelpiste mit Staubfahne, wenn es lange nicht geregnet hat. Eigentlich kreuzt sogar ganz offiziell der Heuweg unter der Bahnstrecke durch und führt auf der anderen Seite mit dem gerade erneuerten Steg über die Neue Luppe weiter nach Leutzsch. Eine bessere Wegweisung wäre auch hier bestimmt hilfreich.
Zumindest erfährt man, dass man linkerhand über den rumpeligen Marienweg ins Rosental kommt und rechterhand noch 3,9 Kilometer vor sich hat bis zum Clara-Zetkin-Park. Wie weit es bis zur Weißen Elster ist, erfährt man nicht, obwohl man nun schon 7 Kilometer immer an der Neuen Luppe gefahren ist.
Nur wer nicht rast, erfährt 500 Meter weiter, wo der Weg einen Knick macht und dann über einen metallenen schmalen Steg führt, dass er an dieser schmalen Stelle endlich wieder die Weiße Elster berührt.
Vorher hat man das Rosentalwehr passiert, dem an diesem Morgen irgendwie der Schwung und das Wasser fehlen. Dafür riecht man schon, was hier als dominierende Landmarke zu erleben ist: die Parfüme des Klärwerks im Rosental. Da möchte man eigentlich nur noch kräftig in die Pedale treten.
Aber vorher sollte man das kleine Schild zumindest wahrnehmen: „Unteres Elsterwehr. Achtung Lebensgefahr“. Mehr erfährt man nicht dazu, dass man hier wieder die Weiße Elster hat, die kurz vorm Rosentalwehr abgeleitet wird und damit in ihr altes Bett kommt, in dem sie schon seit Jahrhunderten durch die Elsteraue mäandert. Denn was wir jetzt von der Weißen Elster zu sehen bekommen, ist alles künstlich gebaut. Mit entsprechenden Web- und Baufehlern.
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