Am 15. Juni, bei der Einweihung des LVB-Betriebshofes in Dölitz, wusste auch Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) noch nicht, wie die Zitterpartie ausgeht: Erhöht der Bund die Mittel für den Regionalverkehr wieder auf die ursprünglich von den Ländern vorgeschlagene Summe? Und vor allem: Baut er wieder genügend Inflationszulage ein? Am Donnerstag, 16. Juni, fiel ihm dann ein Stein vom Herzen.

Die Verkehrsminister der Länder hatten bei einer Konferenz im Oktober 2014 einstimmig festgestellt, dass für eine Mindestbereitstellung des ÖPNV 8,5 Milliarden Euro ab 2015 benötigt werden und diese um 2,5 % dynamisiert werden müssen. Dabei sei darauf zu achten, dass unterm Strich alle Länder mindestens 1,25 % Mittelwachstum erhalten, was als sogenannte „Sperrklinke“ bezeichnet wurde, auch wenn durch den Kieler Schlüssel eine neue Verteilung der Mittel vor allem für die westdeutschen Länder vorgesehen ist. Ergebnis beim Treffen der Regierungschefs am 24.September 2015 aber war: Es gibt nur 8 Milliarden Euro – und das erst ab 2016. Eine Dynamisierung gibt es erst ab 2017 und das nur um 1,8 %. Die Sperrklinke spielte dabei keine Rolle, wodurch vor allem Sachsen knapp 1 Milliarde Euro bis 2030 verloren gegangen wäre.

Das Entsetzen im Osten war entsprechend groß. Mit dem Verhandlungsergebnis vom Donnerstagabend, 16. Juni, erhöhen sich diese Mittel auf 8,2 Milliarden Euro. Dieser Betrag erhöht sich jährlich um 1,8 Prozent.

„Ich bin froh und glücklich, dass es gelungen ist, nach vielen Verhandlungen und starken Protesten – gerade aus dem Osten – eine Einigung zu erzielen“, zeigte sich Verkehrsminister Martin Dulig am Freitag glücklich. „Für Ostdeutschland stehen nun 200 Millionen Euro mehr zur Verfügung, als der neue Verteilungsschlüssel der Gelder bislang vorsah und damit die Neuen Bundesländer benachteiligt hätte. Hinzu kommt die von uns geforderte Dynamisierung von 1,8 Prozent pro Jahr. Diese Einigung ist ein gutes Zeichen für unseren ÖPNV. Denn wir haben immer Planungssicherheit für die Zweckverbände gefordert. Dieses Versprechen haben wir gegeben und dieses Versprechen können wir nun einhalten.“

Womit er ein Versprechen einlösen kann, das er am Mittwoch noch einmal wiederholt hatte: „Wir geben den Zweckverbänden im Freistaat Sachsen nun die Planungssicherheit, dass sie auf dem Niveau, was wir jetzt haben, weiter ihre Verkehre bestellen können. Mit dem Kompromiss bei den Regionalisierungsmitteln kann ein attraktiver, bürgerfreundlicher und bedarfsgerechter ÖPNV für Sachsen sichergestellt werden. Wir werden mit unseren eigenen Haushaltsmitteln im Freistaat dazu beitragen, dass zusammen mit den Geldern des Bundes eine auskömmliche Finanzierung für die nächsten Jahre sichergestellt wird. Die Verbände können nun ihre Verkehre bestellen.“

Dass das Zugeständnis der Bundesregierung nicht ganz dem ursprünglichen Vorschlag der Länder entspricht, brachte dann der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Frank Heidan, zur Sprache: „Bei aller Freude über die Einigung dürfen wir nicht vergessen, mit welcher Forderung die Länder ins Rennen gegangen sind.“ Diese forderten 8,5 Milliarden Euro und 2 Prozent Dynamisierung. „Jetzt sind wir bei 8,2 Milliarden Euro und 1,8 Prozent Dynamisierung rausgekommen. Das  wird uns dazu zwingen, über die Verteilung der Regionalisierungsmittel sehr intensiv nachzudenken.“

Und damit versucht er nun den SPD-Verkehrsminister an die Leine zu nehmen, denn der hat versprochen, die Zweckverbände in Sachsen ausreichend auszustatten, damit sie ihre Leistungsangebote nicht kürzen müssen.

Frank Heidan: „Ich erwarte jetzt von der Strategiekommission des Sächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit konkrete Ergebnisse. Angesichts der knappen Mittel können wir es uns nicht leisten, auf die Hebung von Effizienzreserven im Sächsischen ÖPNV zu verzichten. Die Strategiekommission muss auch bereit sein, alte Zöpfe abzuschneiden und unbequeme Vorschläge zu machen.“

Und ganz ähnlich äußert sich auch der verkehrspolitische Sprecher, Andreas Nowak: „Bei der Mittelverwendung müssen wir die Entwicklungen der kommenden Jahre berücksichtigen. Aktuelle Prognosen sagen, dass 2025 rund 55 Prozent der sächsischen Bevölkerung auf 17 Prozent der Fläche Sachsens wohnen werden. Das wird Auswirkungen auf alle Bereiche haben, auch auf den ÖPNV. Alle sind nun aufgefordert, mit der Planungssicherheit realistisch umzugehen und den ÖPNV fit für die Zukunft zu machen.“

Das riecht schon nach richtig Zunder in künftigen Haushaltsgesprächen zwischen CDU und SPD. Denn von üppigen „Effizienzreserven“ kann im sächsischen Regionalverkehr keine Rede mehr sein.

Alle Zweckverbände arbeiten längst im Grenzbereich und Jahr für Jahr stehen neue Nahverkehrsangebote zur Disposition.

„Ich bin froh, dass gestern die langfristige Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs in Ostdeutschland sichergestellt werden konnte. Damit wurde ein Fehler, der die ostdeutschen Länder 200 Millionen Euro pro Jahr gekostet hätte, behoben“, hatte ja deshalb der Verkehrsexperte der SPD-Fraktion, Thomas Baum, betont. „Besser wäre natürlich gewesen, wenn dieser Fehler, der für massive Verunsicherung bei den Zweckverbänden gesorgt hat, gar nicht erst passiert wäre. Nun haben wir Planungssicherheit und können, auch mit Landesmitteln, einen zukunftsfähigen Nahverkehr in Sachsen sicherstellen.“

Und er betonte, worin sich CDU und SPD grundlegend unterscheiden: Ziel der SPD sei ein attraktiver, bürgerfreundlicher Nahverkehr in Städten und Landkreisen. Dazu müssten die Zweckverbände stabil gefördert werden, damit diese ihr Angebot sicher planen können. Thomas Baum weiter: „Wir haben immer gesagt, dass wir keine Strecken stilllegen wollen. Mit diesem Verhandlungsergebnis und unserer eigenen sächsischen Leistungsfähigkeit werden wir den Nahverkehr mindestens auf heutigem Niveau erhalten. Streckenstilllegungen aufgrund fehlender Mittel werden nicht notwendig sein. In den kommenden Haushaltsverhandlungen werde ich mich dafür einsetzen, dass der ÖPNV in Sachsen eine gute Zukunft hat.“

Marco Böhme, Sprecher für Klimaschutz und Mobilität der Fraktion Die Linke, mahnt natürlich jetzt auch den Verteilungsschlüssel innerhalb Sachsens an. Denn die Verhandlungsposition der ostdeutschen Bundesländer war auch deshalb so schwach, weil sie die Regionalisierungsmittel bislang eben nicht komplett auch in den Regionalverkehr geben.

Marco Böhme: „Das weitere Problem in Sachsen bleibt zudem, dass die bisher ausgeschütteten Bundesmittel, die Sachsen bekommt, nur zu 79 % an die Zweckverbände weitergegeben wurden. Wir werden also in der kommenden Haushaltsberatung penibel darauf achten, dass das Geld, das jetzt vom Bund kommt, auch wirklich an die ÖPNV-Zweckverbände weitergegeben wird! Der Koalitionsvertrag sieht das auch vor, doch ist zu befürchten, dass Finanzminister Unland wieder kein eigenes Geld für die Schülerbeförderung, die Schmalspurbahnen und Investitionsförderungen herausgibt. Erst dann können die Zweckverbände wirklich aufatmen und endlich wieder mehr ÖPNV-Leistungen bereitstellen und nicht nur versuchen, den Status Quo zu retten.“

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