Es ist ein Spagat, den Leipzig mit seinem Nahverkehr versucht. Oder sollte man eher sagen: der Versuch, auf dünnem Seil zu jonglieren? Ein Spagat, der August für August auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen wird, dann, wenn die Tarife wieder „ganz planmäßig“ um 3 Prozent angehoben werden.

Am 7. Juni war der Jahresabschluss der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ja auch Thema, als die Stadtholding LVV die Gesamtbilanz für alle in ihr versammelten Kommunalbetriebe vorstellte. Die LVB hatten am Ende eine schwarze Null stehen. Wie jedes Jahr, könnte man sagen. Man freute sich über wieder gestiegene Fahrgastzahlen, nachdem es im ersten S-Bahn-Jahr 2014 einen deutlichen Rückgang gegeben hatte.

Doch so richtig untersetzt ist die Euphorie nicht. Auch wenn LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg das überdurchschnittliche Fahrgastwachstum hervorhob und die Tarife der LVB versuchte, einzuordnen: „Damit sind wir noch im Tabellenkeller vergleichbarer Städte“.

Aber was sind vergleichbare Städte zu einer Stadt wie Leipzig? Besserverdiener-Städte wie Frankfurt, Hannover oder Nürnberg?

Oder doch eher Dresden?

Denn die Frage ist ja: Passen die Tarife zum örtlichen Einkommensniveau? Dass sie in Leipzig schon lange nicht mehr passen, haben wir an dieser Stelle schon mehrfach thematisiert. Dass das die LVB mittlerweile auch Fahrgastzuwächse kostet, auch. Denn der Zuwachs der Fahrgastzahlen 2015 mit plus 1,4 Prozent lag deutlich unter dem Zuwachs der Stadtbevölkerung von rund 3 Prozent.

Deswegen wirkt so ein Satz im Geschäftsbereicht eher verwirrend: „Die geplante Fahrgastzahlenentwicklung steht unmittelbar im Einklang mit der in der Ratsversammlung der Stadt Leipzig am 25. Februar 2015 beschlossenen Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes Verkehr und öffentlicher Raum (STEP). Darin wurde die Zielstellung formuliert, den Anteil des Umweltverbundes an den Wegen der Leipziger in der Stadt (Modal Split) bis 2025 auf mindestens 70 % zu steigern, davon 23 % im ÖPNV.“

Aktuell liegt der ÖPNV bei 16 Prozent. Und mit Zuwachsraten von 1,6 Prozent wächst er nicht so, dass überhaupt nur die 20 Prozent in Zielweite kommen. Die neuen Leipziger bevorzugen sichtlich lieber Fahrrad und Schusters Rappen. Auch weil das Preis-Leistungs-Gefüge der LVB nicht mehr stimmt. Denn dass die Tarife der LVB nicht mehr zum Einkommensniveau vieler Leipziger passen, wird auch deutlich, wenn man sieht, wie weit die Planzahlen bei den Einnahmen voneinander abweichen: Statt 88,7 Millionen Euro haben die LVB nur 85,3 Millionen Euro Fahrgeld eingenommen.

Das ist zwar auch wieder deutlich mehr als noch die 79,3 Millionen von 2012 oder die 60,7 Millionen von 2006. Aber eine wirkliche Erklärung dafür, warum die LVB das Planziel von 139,4 Millionen Fahrgästen um 1,3 Millionen verfehlt hat, bietet der Geschäftsbericht nicht. Ursachen für die Nichterreichung aus Sicht der LVB „waren neben dem umfangreichen Baugeschehen im Leipziger Streckennetz auch das ausgesprochen gute Wetter (…) Elf von zwölf Monaten waren zu warm. Darüber hinaus wirkten sich Angebotseinschränkungen auf stark frequentierte Straßenbahnlinien infolge von Baumaßnahmen stärker als erwartet auf die Fahrgastzahlen aus.“

Das sieht eher wie eine deutliche Ausweichbewegung aus.

Als positiv bewerten die LVB die Erhöhung der Zahl der Stammkunden, also der Leipziger mit unterschiedlichen Abo-Verträgen. Deren Zahl wuchs von 84.012 im Dezember 2014 auf 90.520 ein Jahr später. Aber die LVB weisen auch darauf hin, dass das vor allem mit der Einführung eines neuen günstigen ABO Flex und des Abonnements für die Leipzig Pass Mobil Card zu tun hat. Die Bewegung findet also dort statt, wo die Bahnnutzer auf preiswertere Abo-Modelle umsteigen können.

So bekommen die LVB nicht wirklich größere finanzielle Spielräume. Der Puffer bei den Tarifen ist aufgebraucht.

Und es gilt, was Irena Rudolph-Kokot für die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD Leipzig gerade zur LVV-Bilanz gesagt hat: „Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD Leipzig begrüßt, dass der Erfolg der LVV über den Querverbund mit der LVB zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs beiträgt und so dämpfend auf die Ticketpreise wirkt. Es darf aus Sicht der AfA jedoch nicht vergessen werden, dass die Frage nach einer ausreichenden Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs eine grundsätzlich politische Frage ist, die nicht von den Beschäftigten der LVV beantwortet werden kann.“

Und die politische Frage heißt nun seit Jahren 45 Millionen Euro. Das ist der Zuschuss, den die LVB seit Jahren von der Stadt bekommen und der im Geschäftsbericht als auskömmlich bezeichnet wird. Und zumindest aus dem Hause LVB wird es kein Signal geben, diese Summe wieder auf ein wirklich auskömmliches Niveau zu heben. Denn im Geschäftsbericht heißt es dazu: „Zugleich konnte der kommunale Finanzierungsbeitrag innerhalb des LVV-Konzerns durch die LVB in den vergangenen Jahren abgesenkt werden. Mit dem Abschluss der Reorganisation der LVB-Gruppe im abgelaufenen Geschäftsjahr wurde die Basis geschaffen, um den Finanzierungsbeitrag in den kommenden Jahren auf diesem Niveau halten zu können.“

Gleichzeitig wird natürlich erwähnt, dass die Stadt 2015 schon eine Million extra gegeben hat „für Finanzierungsaufwendungen aus der Investitionsoffensive.“

2016 hat die Stadt auch 2 Millionen extra bewilligt, um das Beschaffungsprogramm für die neuen Straßenbahnen anzustoßen. Beides klare Signale, dass zumindest ein paar Leute im Stadtrat wissen, dass die 45 Millionen Euro keinesfalls auskömmlich sind, gerade wenn es um das Einwerben von Fördergeldern geht.

Für das Jahr 2016 planen die LVB nun mit einer Fahrgastzahl von 140,2 Millionen.

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