Der Test hat begonnen. Seit Montag, 2. Mai, rollt der erste elektrische Testbus auf der Stadtlinie 89 durch Leipzig. Ein Jahr wollen die Leipziger Verkehrsbetriebe jetzt einen vollelektrischen Linienbus im Betrieb testen - auf einer echten Linienstrecke. Und die 11 Kilometer lange Tour der 89 bietet sich dafür geradezu an.
Dass die Leipziger Verkehrsbetriebe irgendwann komplett emissionsfrei fahren wollen, steht eigentlich fest. Nur wie man da hinkommt, das ist noch nicht geklärt. Das hängt extrem von der Entwicklung moderner Batteriezellen ab. Denn um tonnenschwere Busse anzutreiben, müssen die Batterien ordentlich „Saft“ abgeben und lange durchhalten. Vor zehn Jahren war das noch undenkbar, dass Busse überhaupt in nächster Zeit ganz auf Batterie würden fahren können. Deswegen setzten auch die LVB vorerst auf die Mischtechnologie: Dieselbusse, die gleichzeitig Strom produzieren und wenigstens Teilstrecken elektrisch fahren können. Hybridtechnologie nennt sich das. Wird sich das mal genannt haben. Denn die Treibstoffeinsparungen sind so gering, dass sich der höhere Preis für die Anschaffung der Busse nicht rechtfertigt.
Die Zukunft kann nur komplett elektrisch sein. Nur weiß noch niemand, wann diese Zukunft wirklich beginnt. Mit dem nötigen revolutionären Sprung in der Batteriezellentechnik rechnet Dr. Thoralf Knote vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI um das Jahr 2025 herum. Er ist der Mann, der es wissen muss. Denn das IVI betreut den jetzt gestarteten einjährigen Test in Leipzig. Es hat auch den Bus zur Verfügung gestellt, sehr zum Dank der LVB, die sonst zwei Testbusse hätte kaufen müssen. Stückpreis um die 600.000 Euro. Ohne zu wissen, ob sich die Technologie auch im Linienbetrieb bewährt.
Getestet wurde sie schon. Dafür hat das in Dresden ansässige Fraunhofer-Institut in der ersten Phase mit den Dresdner Verkehrsbetrieben kooperiert, die für den zum E-Bus aufgerüsteten Standardbus extra eine Teststrecke aufgebaut haben. Da ging es vor allem darum herauszubekommen, ob der Ladevorgang mit der neu entwickelten und patentierten Technik funktioniert. Dazu wird an der Endhaltestelle extra ein Ladebaum aufgebaut, unter den der Bus fährt, möglichst punktgenau. Der Fahrer muss nur dafür sorgen, dass der Bus genau richtig steht. Den Rest besorgt ein vollautomatisches System: der Stromabnehmer fährt aus, schließt den Kontakt und lädt binnen 6 Minuten die 86 kWh große Batterie im Bus auf.
Für Leipzig wurde dieser Ladebaum an der Haltestelle der Linie 89 am Connewitzer Kreuz aufgebaut. Mit einem wesentlichen Unterschied zu Dresden: Zum Aufladen wird direkt Strom aus dem Stromnetz der Leipziger Straßenbahn genommen. Den Strom stellt ein extra aufgestellter Container bereit. Noch während der Bus lädt, können Fahrgäste einsteigen. Kein Problem. 6 Minuten sollten reichen, um pünktlich zur nächsten Runde aufzubrechen.
In Leipzig wird der E-Bus erstmals in einem echten Linienbetrieb getestet. IVI und LVB wollen dabei auch die nötigen Daten sammeln über die Zuverlässigkeit des Busses im Betrieb. Manchmal wird er auch komplett aus dem Netz genommen, um Daten auszulesen und die nötigen Feinabstimmungen zu machen. Aber bislang schnurrt das Fahrzeug problemlos. Der Stromabnehmer funktioniert. „In Dresden hatten wir über 10.000 Stromabnahmen, und es gab nicht ein einziges Problem“, sagt Knothe.
Am Samstag, 30. April, haben die LVB gleich einen ganzen Schwung Fahrer auf dem E-Bus qualifiziert. Thomas Richter war dann am Montag der erste Fahrer, der in den Linienbetrieb durfte und auch den symbolischen Schlüssel überreicht bekam. Bei der ersten Spritztour mit den Journalisten hat er auch gleich OBM Burkhard Jung zur Arbeit ins Rathaus gefahren.
Bei einem E-Bus wird es nicht bleiben. Im Sommer wird ein zweites Fahrzeug zum Einsatz kommen, auch das vom IVI betrieben. Das wird dann schon eine größere Batterie mit einer Leistung von 133 kWh haben. Natürlich geht es bei der Erprobung vor allem um Fragen der Wirtschaftlichkeit: Rechnen sich die Busse? Wie lassen sich Werkstatt und Pflege organisieren? Sind sie zuverlässig im Betrieb?
Dass sie wesentlich energiesparender sind als Dieselbusse, macht Knothe an einer Vergleichrechnung klar. Ein Dieselbus verbraucht 0,4 Liter Diesel auf einem Kilometer, ein E-Bus im Vergleich 0,04 Liter Diesel-Äquivalent an Strom. Das sollte sich bei den Energiekosten am Jahresende bemerkbar machen. Nebst dem positiven Effekt, dass die Busse emissionsfrei durch die Stadt rollen. Die bis jetzt eingesetzten Hybridbusse fahren vor allem in der City rein auf Batterie. Aber mit dem E-Bus werden auch das Musikviertel und die Südvorstadt entlastet. Leise ist er auch.
Beide E-Busse zusammen sparen gegenüber Dieselbussen im Jahr 56 Tonnen CO2.
Nach einem Jahr wird sich herausstellen, ob die Fahrzeuge schon die nötige technische Reife haben, damit sich eine Anschaffung für die LVB auch lohnt. Denn die muss bald 70 ihrer alten Dieselbusse durch Neuanschaffungen ersetzen. Und wenn E-Busse tatsächlich wirtschaftlich und alltagstauglich sind, dann lohnt sich natürlich auch die Anschaffung einer größeren Stückzahl und ein Einsatz auch auf anderen Leipziger Buslinien, betont Ronald Juhrs, der technische Geschäftsführer der LVB. Gerade für einige der Erschließungslinien im Leipziger Außenbereich könnten kleine E-Busse eine echte Zukunftslösung sein.
Aber der Test hat ja erst begonnen.
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