Das Leben als Radfahrer könnte in Sachsen viel leichter sein, viel ungefährlicher. Aber es klemmt. Nicht nur in Großstädten wie Leipzig, wo die Lücken im Radnetz noch immer Legion sind. Noch lückenhafter wird das System entlang der Bundes- und Staatsstraßen. Dass dort Hunderte Kilometer Radwege fehlen, liege nicht am Geld, stellt der ADFC Sachsen fest. Geld ist genug da.

„Am Geld und politischem Willen scheitert der Ausbau von Radwegen an Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen nicht. Woran es mangelt, sind Planungskapazitäten im Sächsischen Verkehrsministerium SMWA“, sagte am Donnerstag, 31. März, der Vorsitzende des ADFC Sachsen, Olaf Matthies. An diesem Tag hat der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Sachsen e. V. (ADFC) vor der Landespressekonferenz die Ziele des ADFC für den Radverkehr in Sachsen präsentiert.

Der ADFC fordert deutlich größere Anstrengungen beim Radwegebau an Bundes- und Staatsstraßen. Um wenigstens zum Bundesdurchschnitt aufzuschließen, müssen in den nächsten zehn Jahren 1.000 Kilometer überörtliche Radwegverbindungen im Freistaat neu gebaut werden. Bundesweit verfügen 40 Prozent der Bundes- und 25 Prozent der Landstraßen über Radwege, in Sachsen liegen diese Werte derzeit bei lediglich 27,5 bzw. 10,8 Prozent. Bis zum Jahr 2025 plant der Freistaat, gerade einmal zusätzliche 538 Kilometer zu bauen.

An Bundesstraßen müssten in Sachsen jedes Jahr eigentlich 30 Kilometer neue Radwege gebaut werden – aber über Fertigstellungen von 10 bis 21 Kilometer kam Sachsen in den letzten Jahren nicht hinaus, 14 Kilometer waren es 2014, 17 Kilometer im Jahr 2015.

Und an Staatsstraßen sieht es auch nicht üppiger aus: Statt notwendiger 70 Kilometer pro Jahr kam der Freistaat 2014 nur auf 14 Kilometer, 2015 stehen erst 6 Kilometer auf der Liste.

Logische Forderung des ADFC Sachsen: eine Aufstockung der Radverkehrsinvestitionen auf 20 Millionen Euro jährlich sowie eine Abteilung für Radverkehr im Sächsischen Verkehrsministerium. Die von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) gleich nach seinem Amtsantritt Ende 2014 öffentlichkeitswirksam geschaffene Stelle des Radverkehrsbeauftragten im SMWA ist seit Anfang Januar unbesetzt.

Derzeit werden im Freistaat lediglich etwa 1 Prozent der knapp über 900 Millionen Euro Straßenbaumittel jährlich für Radverkehrsmaßnahmen investiert, die Hälfte dessen, was nötig wäre, um wirklich ernsthaft mit der Ausweitung des Radwegenetzes voranzukommen.

Von den Empfehlungen des Bundesverkehrsministeriums ist Sachsen damit weit entfernt.

Was ADFC-Vorstandsmitglied Rolf Leonhardt betont: „Nach Studien des Bundesverkehrsministeriums sind die Bundesländer dazu angehalten, bis zu 10 Euro pro Einwohner und Jahr in den Radverkehr zu investieren. Wir haben in Sachsen einen Investitionsstau aus der Vergangenheit und hängen hinter dem Bundesdurchschnitt hinterher. Hinzu kommt, dass wir zusätzlich ein Umsetzungsproblem haben. Die politischen Weichenstellungen der Großen Koalition für den Radverkehr kommen nicht an. Das Ministerium arbeitet mehr oder weniger noch wie zu Morloks Zeiten. Teilweise warten die Bürger seit mehr als 15 Jahren auf ihren Radweg zur Nachbargemeinde. Das ist nicht mehr vermittelbar. Für mehr Transparenz im Handeln des Ministeriums fordert der ADFC deshalb einen regelmäßig erscheinenden sächsischen Radverkehrsbericht.“

10 Euro pro Einwohner – das wären sogar 40 Millionen Euro. In Zeiten eines steigenden Umweltbewusstseins eigentlich eine verständliche Summe.

„Wir haben jetzt die Chance, in den nächsten zehn Jahren entscheidende Weichen für zukunftsfähige, saubere und kostengünstige Mobilität in Sachsen zu stellen. Es ist durchaus nicht unrealistisch, dass Sachsen zu einem Fahrradland wird“, sagt Olaf Matthies. „Dazu ist allerdings ein Umsteuern der verkehrspolitischen Prioritäten und die Einstellung von Verkehrsplanern notwendig, die auf Radverkehr versiert sind.“

Daran fehlt es aber auch oft vor Ort, dort, wo sich die Landesplanungen mit den Kommunalplanungen verknüpfen sollten.

Die Regierungskoalition hat zwar erkannt, dass die Kommunen mehr Unterstützung brauchen, und will die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte (AGFS) voranbringen. Doch auch hier klemmt es mit der Umsetzung: Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Gründung der Arbeitsgemeinschaft will der ADFC nun voranbringen. Derartige Arbeitsgemeinschaften sind inzwischen in sieben Bundesländern eingerichtet worden, damit die Kommunen besser miteinander vernetzt sind.

„Bisher wird in den Städten viel Arbeitskraft dafür verwendet, bei der Förderung des Radverkehrs die gleichen Dinge nebeneinander her neu zu erfinden. Die Städte könnten sehr davon profitieren und schneller Erfolge beim Radverkehr erzielen, wenn sie in Austausch treten würden“, findet der ADFC-Vorsitzende Matthies. Der ADFC stehe bereits mit ersten Gemeinden in Kontakt, damit die Gründung bald vorangehen kann.

Einen weiteren Schwerpunkt sieht der ADFC in der Verknüpfung von Fahrrad und Nahverkehr. Bisher gebe es große Defizite beim Fahrradparken an Bahnhöfen. Diese will der ADFC nun durch ein Landesprogramm für Radstationen nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens beheben. Bis 2025 sollen an den wichtigsten Bahnhöfen in Sachsen vandalismus- und wettersichere sowie bewachte Fahrradparkhäuser entstehen.

Das Sächsische Verkehrsministerium hat am Donnerstag auf seine Weise reagiert und selbst Zahlen zum Radwegebau an Bundes- und Staatsstraßen veröffentlicht:

Mit der Fortschreibung der Radverkehrskonzeption 2014 wurde ein prioritärer Bedarf für den Bau von Radwegen an Bundes- und Staatsstraßen von 538 km ermittelt. Diese Zielvorgabe soll bis 2025 umgesetzt werden. In der neuen EFRE-Periode (2014 -2022) stehen dafür auch EU-Mittel in Höhe von rund 25,5 Millionen Euro bereit. Zusätzlich hat der Freistaat Sachsen ein ‘100 km Radwege’-Programm (10 km pro Landkreis) aufgelegt, das derzeit vorbereitet und zum Teil schon umgesetzt wird.

Rund 28 km nachträglich an Staatsstraßen angebaute Radwege konnten 2015 für den Verkehr freigegeben werden. Statistisch bislang nicht erfasst werden die Radwege, die im Zusammenhang mit dem Neubau von Staatsstraßen gleich mit entstanden sind. Für den nachträglichen Anbau von Radwegen an Staatsstraßen stehen im laufenden Jahr vier Millionen Euro zur Verfügung.

Der Grundsatzbeschluss des ADFC Sachsen „Sachsen wird Radverkehrsland“.

Zahlen zum Radwegebau an Staats- und Bundesstraßen in Sachsen.

 

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