Dass die Elektromobilität in Deutschland nicht so richtig aus dem Knick kommt, hat auch mit der Umständlichkeit des ganzen Systems zu tun. In Leipzig gibt es zwar schon Dutzende Ladesäulen und Mobilitätsstationen, aber trotzdem werden sie viel zu wenig genutzt. Deswegen fragten die Grünen im Stadtrat mal an, ob man da nicht einfach das steuersparende Hamburger Modell übernehmen könnte.
Das haben sie auch mal kurz erläutert, damit es die angefragte Stadtverwaltung auch gleich findet:
„In Hamburg läuft derzeit ein Pilotprojekt zwischen dem Netzbetreiber Stromnetz Hamburg und einem Ökostromversorger. Ziel ist es, die Stromkosten für das Laden von Elektroautos an privaten Ladepunkten um 30 Prozent zu reduzieren und damit Elektromobilität im Rahmen bestehender Gesetze zu fördern ohne dabei Subventionen zu zahlen. Die Basis bildet dabei eine Regelung im Energiewirtschaftsgesetz (Paragraph 14a), wonach Netzbetreiber Elektroautos als sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen behandeln und zeitweise von der Stromzufuhr abschalten können. Der Vorteil für den Netzbetreiber ist, dass tagsüber das System entlastet wird und in den lastschwachen Nachtstunden mehr potenzielle Verbraucher als Stromabnehmer bereitstehen. Dafür räumt das Gesetz die Möglichkeit ein, für diese Verbraucher nur noch reduzierte Netzentgelte und eine sehr niedrige Konzessionsabgabe zu erheben. Diesen Vorteil gibt der Stromversorger direkt an den Kunden weiter und ermöglicht so bis zu 30 Prozent niedrigere Stromkosten für Privatkunden in den Nachtstunden, wie dies bereits heute für Wärmepumpen und Nachtspeicheröfen üblich ist.“
Nachts also einfach das Auto an die Strippe hängen und billiger betanken. Warum nicht? Wäre das nicht auch für Leipzig denkbar?, fragte die Grünen-Fraktion.
Das ist zu kurz gedacht, schätzt nun das Leipziger Wirtschaftsdezernat ein. Ums Geld geht es eigentlich nicht. Außerdem ist das in Hamburg immer noch ein Testprojekt.
Oder mit den Worten aus dem Leipziger Wirtschaftsdezernat: „Die Zuordnung von Elektrofahrzeugen als „steuerbare Verbrauchseinheit nach § 14a EnWG wird seit Februar 2016 in einem Pilotprojekt des Verteilnetzbetreibers Stromnetz Hamburg GmbH und des Energieunternehmens LichtBlick SE erforscht. – Ein solches Vorhaben ist aufgrund der Neuartigkeit und der bisher fehlenden Rechtssicherheit mit hoher Komplexität versehen, weshalb dieses Vorgehen aktuell für Leipzig kein Modell ist und eine qualifizierte Bewertung für eine solche Tarifierung in der Zukunft noch nicht vorgenommen werden kann.“
Das eigentliche Problem liegt woanders. Und das hat man auch in Leipzig schon sehen können.
„Die Erfahrungen der Leipziger Stadtholding wie auch anderer Städte zeigen, dass sich Nutzer einen möglichst einfachen und transparenten Autorisierungs- und Abrechnungsprozess wünschen und der Strompreis keine wirkliche Determinante für die Nutzung und auch nicht für die Auslastung des Gesamtsystems darstellt.“
Das E-Auto scheitert also noch daran, dass die Sache viel zu umständlich ist. Würde Betanken und Bezahlen noch einfacher als beim spritbetankten Auto, dürfte die Elektromobilität deutlich bessere Chancen haben, endlich Tritt zu fassen.
Und im Leipziger Ladesystem kam noch hinzu, dass es mit dem Betanken da und dort immer mal wieder klemmte.
Also fragte die Grünen-Fraktion auch gleich mal, ob diese Probleme vielleicht demnächst in den Griff zu bekommen sind: „Wie steht es aktuell um die Zuverlässigkeit der öffentlichen Ladesäulen und der Ladepunkte an den Mobilitätsstationen? Welche Bemühungen wurden unternommen, um die Funktionsfähigkeit zu erhöhen und Fehleranfälligkeit zu reduzieren und wie haben sich dahingehend in den vergangenen Monaten die Ausfallzahlen entwickelt?“
Es wird dran gearbeitet, bestätigt das Wirtschaftsdezernat.
„Bei den Mobilitätsstationen haben die Leipziger Verkehrsbetriebe und die Leipziger Stadtwerke im Sinne der E-Nutzer in Leipzig eine technische Interimslösung zur Erhöhung der Verfügbarkeit umgesetzt. Die Interimslösung sieht vor, dass an 20 Mobilitätsstationen die Nutzung der e-Ladesäulen ohne Authentifizierung möglich ist. Die Auskunfts- und Buchungssoftware auf den Stellen der Mobilitätsstationen sowie über die Apps (IOS und Android) ist weiterhin aktiv und ‚Leipzig mobil‘ weiterhin nutzbar.“
Nur fünf Mobilitätsstationen sind von dieser zeitweiligen Umstellung ausgenommen:
– Zentrale der LVB, Georgiring 3 (Station Nr. 2)
– S-Bf. Gohlis (Station Nr. 13)
– Schnorrstraße/Oeserstraße (Station Nr. 15)
– Südvorstadt/Kochstraße (Station Nr. 10)
– Straßenbahnhof Angerbrücke
Die aufgezählten fünf Stationen werden nach Auskunft des Wirtschaftsdezernats von der Leipziger-Gruppe (das ist die LVV mit ihren Töchtern LVB, KWL und SWL) zur Weiterentwicklung als Gesamtsystem intensiv testet.
„In dem Test werden derzeit alle Funktionen nochmals im Realbetrieb überprüft, um weitere detaillierte Erkenntnisse über Fehlerquellen in dem komplexen technischen Gesamtsystem der Mobilitätsstationen zu erhalten und bis Mitte April 2016 zu beseitigen“, so das Wirtschaftsdezernat. Das die Grünen auch beruhigt, was den angebotenen Strom an den Ladestationen betrifft: „An allen öffentlichen Ladepunkten wird zertifizierter Grünstrom abgegeben.“
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Ladesäulen und Mobilitätsstationen können auch nur für einen kleinen Teil der Zielgruppe eine Lösung sein. Wenn Otto Normalmensch, der in einem Mehrfamilienhaus wohnt und in einem Unternehmen arbeitet, das irgendwo in einem Gewerbegebiet angesiedelt ist, wo man mit dem ÖPNV pro Weg 70 Minuten unterwegs wäre, mit dem Auto aber nur 25 Minuten, hat man sein Auto nachts auf der Straße stehen und tagsüber auf dem Firmenparkplatz oder irgendwo im GG am Straßenrand. Beide Orte sind nicht mit Lademöglichkeiten für E-Autos ausgestattet. Die Nutzung von Ladestationen würde kilometerlange Anmarschwege bedeuten, scheidet also auch aus. Damit ist die Anschaffung eines E-Autos erst mal hinfällig. Anders sähe es aus, wenn die bestehende Tankstelleninfrastruktur genutzt werden könnte, um auf dem Wege des Akkutauschs (leer raus, voll rein) das Auto in Minutenschnelle “aufzutanken”…