Zu Weihnachten darf man auch träumen. Auch von Dingen, die eigentlich auf der Hand liegen und mit genügend Geld auch angepackt werden könnten. Dazu gehört auch die Einbindung weiterer Städte ins Mitteldeutsche S-Bahn-Netz. Ein wichtiger Kandidat wäre für den Grünen-Landtagsabgeordneten Wolfram Günther auf jeden Fall die einstige Kreisstadt Grimma. Aber da fehlt es irgendwie an der Elektrik.

Und am Geld sowieso. Denn über eine Elektrifizierung der Strecke von Leipzig nach Grimma wurde schon seit Jahren diskutiert. Anfangs war die Strecke sogar mal Teil der netzergänzenden Maßnahmen rund um den City-Tunnel Leipzig. Doch der Tunnel ist ja bekanntlich im Lauf der Zeit (scheinbar) immer teurer geworden. Da flogen einige Planungsteile zum künftigen S-Bahn-Netz frühzeitig aus dem Programm. Dazu gehörte auch die Elektrifizierung der Strecke Borsdorf-Grimma.

Seitdem war Ruhe im Wald. 2013 gab’s mal eine Nachfrage beim damaligen Landrat Dr. Gerhard Gey, der aber vor 2025 keine Chance sah, die Verbindung in die 28.000-Einwohner-Stadt zu elektrifizieren. Das wäre auch der Zeithorizont, in dem der Freistaat die parallele Strecke Leipzig-Chemnitz (über Bad Lausick) vielleicht in Angriff nimmt. Doch für beide Schienenprojekte gilt: Es ist kein Geld da. Weder der Freistaat noch die Bahn haben die beiden wichtigen Regionalverbindungen vor 2024 auf der Agenda.

Und das, obwohl in den Foren ernsthaft darüber diskutiert wird, dass eine S-Bahn-Strecke von Grimma über Leipzig in die ebenfalls noch nicht erschlossenen sachsen-anhaltinischen Städte Merseburg und Naumburg überfällig ist. Eine Ausbaustufe irgendwo nach dem Jahr 2025 macht schlicht keinen Sinn. Die gegenwärtige Zuganbindung für Grimma ist eher unattraktiv – seit 2008 sinken die Fahrgastzahlen auf der Strecke Leipzig-Grimma – und zwar vor allem im Grimmaer Teil. Im großstadtnahen Beucha, in Naunhof und Großsteinberg stiegen sie 2013 sogar wieder. Die Kommunen direkt im Umfeld der Großstadt profitieren vom Wachstum Leipzigs.

Eigentlich gehört Grimma sogar in die Prioritätenliste des Zwecksverbandes Nahverkehr Leipzig (ZVNL). Seit 2008 steht es da. Nur: Das Geld fehlt. Seit 2009 steht es auch auf der Projektliste Sachsen der Deutschen Bahn. Aber wie Dulig anmerkt: “Eine finanzielle Untersetzung der vorgeschlagenen Infrastrukturmaßnahme ist damit noch nicht verbunden.”

Das Ganze scheint ein großer Topf der Ratlosigkeit zu sein. Denn Land und Bahn sitzen zwar regelmäßig zusammen und das Thema kommt regelmäßig auf den Tisch. Doch keiner der Herren in dieser Plauderrunde scheint den Mut zu haben zu sagen: Das machen wir jetzt.

Oder mit den Worten von Martin Dulig auf Günthers Anfrage hin: “Die vorgeschlagene Maßnahme wird gemeinsam mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG und den sächsischen Aufgabenträgern für den SPNV regelmäßig in den turnusmäßigen ‘Ländergesprächen’ erörtert und auf ihre zeitnahe Umsetzbarkeit hin geprüft. Ergebnis der diesbezüglichen Beratungen der jüngeren Vergangenheit ist unter anderem der gemeinsame Standpunkt, dass derzeit die Voraussetzungen für eine zeitnahe Aufnahme der Vorplanung für die Elektrifizierung nicht gegeben sind. Damit konnten bisher weder belastbare Angaben zu den voraussichtlichen Kosten des Vorhabens noch realistische Zeitpläne zu dessen Realisierung erarbeitet werden.”

In welchen Denkknoten sich die Planer verfangen haben, zeigen dann Duligs Aussagen zur Entscheidung, wann über die Elektrifizierung der Strecke entschieden werden kann: “Über weitere Planungs- und Ausbauschritte im Zusammenhang mit der Strecke Borsdorf – Grimma – Döbeln kann entschieden werden, wenn sich verlässliche Finanzierungsperspektiven sowohl hinsichtlich der Verkehrsleistungen als auch der Infrastrukturinvestitionen abzeichnen. Angesichts auch zukünftig nur begrenzt zur Verfügung stehender Mittel sind dabei auch die eventuellen Abhängigkeiten zum räumlich nahe liegenden Ausbau- und Elektrifizierungsvorhaben Leipzig – Geithain – Chemnitz zu beachten.”

Was ja im Klartext heißt: Wenn der Bund bis 2024 die Mittel für die Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Chemnitz zur Verfügung stellen sollte, dann ist für Sachsen die Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Döbeln erst einmal vertagt. Und da Dulig auch das Wort “Verkehrsleistungen” erwähnt, dürften auch die Fahrgastzahlen im jetzigen Bahnangebot nach Grimma eine Rolle spielen – wenn die nicht von allein steigen, werden die Verantwortlichen wohl erst gar nicht geneigt sein, für die Strecke Geld in die Hand zu nehmen.

Es sei denn, es zeichnen sich im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz deutliche positive Effekte ab – etwa steigendes Passagieraufkommen in Städten wie Eilenburg, Delitzsch und Torgau, die eindeutig auf die gute Vertaktung mit Leipzig zurückzuführen sind. Dann ist die Aufnahme Grimmas ins S-Bahn-Netz eigentlich zwingend und die Aufgabe wird vom Kopf auf die Füße gestellt: Nicht steigende Fahrgastzahlen nach Grimma zwingen zur Elektrifizierung, sondern eine elektrische S-Bahn macht das Pendeln nach Grimma attraktiver.

Aber man hört das Murmeln heraus, das die Schienenverkehrspolitik in Sachsen nun seit über fünf Jahren so trist macht: Es muss sich rechnen. Investiert wird erst, wenn es sich rechnet.

Aber das hat mit Visionen und einem Erschließen der Potenziale nun einmal nichts zu tun. Das ist Knauserwirtschaft. Mit Abhäng-Effekt.

Die Anfrage von Wolfram Günther zu einer Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Borsdorf- Grimma.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar