Irgendwie ist der Wurm drin, wenn Leipzigs Verwaltung Pläne für die Zukunft macht. Sie kommt nicht mehr hinterher. Irgendwo scheinen sich Berge unerledigter Vorlagen zu stapeln, Sachbearbeiter verzweifeln und der Stadtrat mahnt immer öfter: Wo bleibt die für vorletztes Jahr versprochene Vorlage? - Das betrifft nun auch mal wieder den Leipziger Nahverkehrsplan - und damit die LVB.
Die kommt nun seit zwei Jahren nicht aus der Diskussion. Was kein Zufall ist. Die jährlichen Tariferhöhungen sind spürbar und liegen schon seit Jahren über den durchschnittlichen Einkommenszuwächsen der meisten Leipziger. Schon zur Preiserhöhung 2014 war die Diskussion heftig, auch weil die Stadträte schon im Jahr davor vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) ein neues Finanzierungskonzept verlangt hatten, mit dem Synergien im MDV erschlossen werden und die Finanzierung nachhaltig gestaltet werden kann.
Das Konzept konnte der MDV auch 2014 nicht vorlegen, bestätigte dafür mit einem Gutachten, dass die Befürchtungen der Stadträte real waren: Die Finanzierungsschere bei den Verkehrsunternehmen läuft immer weiter auseinander, die Fahrpreise werden immer weiter anziehen. Und das liegt nicht an der normalen Inflation, sondern daran, dass sowohl die Länder als auch die Kommunen ihre Zuschüsse einfach gedeckelt haben. Oder – wie in Leipzig – radikal zusammengestrichen von über 60 Millionen Euro auf 45 Millionen Euro.
Spärliche Informationen
Das kann nicht ausreichen, um den ÖPNV voll zu finanzieren. Doch der einzige Zahlemann ist seitdem der Fahrgast. Das kann nicht der Weg sein. Und warten, bis der MDV wirklich mal ein schlüssiges Finanzierungskonzept vorlegt, kann man auch nicht, findet die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. Und bemerkt auch noch mit knirschenden Zähnen, wie wenige Informationen der Stadtrat tatsächlich zur Finanzierung der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) bekommt.
“Lediglich im Zusammenhang mit der Umsetzung des Konzeptes zur Finanzierung des ÖPNV und Betrauung der LVB für 2012 gab es 2014 eine Information zur Entwicklung von Ausgleichsbeiträgen. Die nunmehr bereits einige Zeit laufende Debatte um die Prüfung alternativer Finanzierung des ÖPNV hat auf jeden Fall schon gezeigt, dass die Anforderungen an die Nahverkehrsbetriebe deutlich wachsen, dass die Fahrgäste mit ihren Fahrpreisen diesen höheren Finanzbedarf nicht schultern können und dass die öffentliche Hand in größerem Maße ihrer Verantwortung gerecht werden muss”, schreibt die Fraktion jetzt in einem Antrag, der am 16. September erstmals in die Ratsversammlung kommt, um danach in den Ausschüssen diskutiert zu werden. “Die Stadt Leipzig muss sich als Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs auch aus der Sicht der Finanzierung zu ihrer Verantwortung bekennen und eine angemessene und den aktuellen Bedingungen gebührende Leistungsfähigkeit der Verkehrsbetriebe in einer wachsenden Stadt ermöglichen.”
Und so formuliert die Linksfraktion ihre Erwartungen noch deutlicher als im letzten Jahr, als sie lediglich eine Aussetzung der ständigen Fahrpreiserhöhungen gefordert hat.
“Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig (NVP) fortzuschreiben und dem Stadtrat bis Mitte 2016 zur Beschlussfassung vorzulegen. An dem Prozess wird die Öffentlichkeit umfangreich, z. B. durch Workshops, beteiligt. Im Zusammenhang mit der Fortschreibung des NVP erfolgt eine Evaluierung der Busnetzreform 2010”, heißt es im Antrag der Linksfraktion. “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis Dezember 2015 den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV) für die Jahre 2017 ff. zu überarbeiten und an die aktuellen Entwicklungen (Einwohnerzahl etc.) anzupassen. Auf der Grundlage des bestehenden Nahverkehrsplanes sind die Mittel für den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag in 2016 von 45 auf mindestens 48 Mio. Euro zu erhöhen.”
Der Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag ist ein ganz heißes Eisen. Denn hier wird geregelt, wie viel Geld die LVB zur Finanzierung ihrer Aufgaben von der Stadt bekommen. Die Stadt selbst gibt das Geld nicht, sondern es wird innerhalb der Leipziger Stadtholding LVV aus den Gewinnen der Stadtwerke und der Wasserwerke aufgebracht. Dass der alte Betrag, der früher mal direkt an die erbrachten Fahrgastzahlen gekoppelt war, abgeschmolzen wurde, hatte vor allem mit der prekären Lage der LVV zu tun, die unter ihren Schulden zusammenzubrechen drohte. Die musste erst einmal saniert werden – was zum großen Teil auch gelungen ist.
Aber seit Jahren ist auch klar, dass die 45 Millionen Euro hinten und vorne nicht reichen, um die LVB wirklich ausreichend zu finanzieren.
Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans ist überfällig
Und das Frustrierende für die Linksfraktion: Seit Jahren bekommt der Stadtrat keine ernsthafte Gelegenheit, dazu neue Beschlüsse zu fassen. So ist auch das wesentliche Planungselement – der Leipziger Nahverkehrsplan – in seiner Novellierung schon wieder drei Jahre überfällig. Was natürlich die Frage aufwirft: Will die Verwaltung nicht, dass der Stadtrat in Sachen Nahverkehr wieder aktiv wird?
“Nachdem der erste Nahverkehrsplan (NVP) 1998 beschlossen wurde, kam seine erste Fortschreibung im Juni 2007. Der damals zuständige Bürgermeister wies darauf hin, dass der NVP normalerweise eine Gültigkeit von fünf Jahren hat und es nunmehr dringlich sei, diesen fortzuschreiben”, heißt es im Antrag der Linken. Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans wäre also 2012 fällig gewesen. “Inzwischen beläuft sich die Gültigkeit dieser Fortschreibung bereits auf acht Jahre. In dieser Zeit haben sich erneut Rahmenbedingungen erheblich geändert, die Bevölkerungszahl wächst enorm, die soziale Infrastruktur verändert sich und sowohl die älter werdende Bevölkerung als auch die zunehmende Zahl an Schulkindern stellt höhere Anforderungen an die Mobilitätssicherung.”
Und nachdem nun mehrere Auskünfte der Verwaltung in den letzten Monaten deutlich gemacht haben, dass der Stadtrat bei Fahrpreisentscheidungen überhaupt kein Mitspracherecht hat, steht natürlich die Frage im Raum: Ist der Nahverkehr jetzt eine reine Angelegenheit der Verwaltung? Hat die Ratsversammlung in Fragen des ÖPNV kein Wörtchen mehr mitzureden?
Verkehrspolitik ist Stadtpolitik
Eigentlich doch, findet die Linksfraktion. Und zitiert aus dem gerade im Februar frisch beschlossenen Stadtentwicklungsplan Verkehr: “Verkehrspolitik ist Stadtpolitik.”
Was ja im Klartext heißt: Die gewählte Ratsversammlung muss vorgeben, wie ÖPNV in Leipzig passiert. “Es ist dringend erforderlich, mit einer Überarbeitung des NVP die Orientierungen städtischer Verkehrspolitik zu formulieren und damit die Grundlage für die Angebotsplanung der LVB und den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV in Leipzig zu setzen. Dies ist der Sinn des Nahverkehrsplanes”, stellt der Antrag der Linksfraktion dazu trocken fest.
Und man erinnert sich in der linken Fraktion auch noch daran, dass keineswegs irgendwo festgelegt wurde, dass nur LVB-Spitze, LVV und OBM unter sich aushandeln, wie viel Geld die LVB eigentlich bekommen.
“Bereits in mehreren Ratsbeschlüssen wurde die Evaluierung bzw. Anpassung des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages festgelegt”, heißt es im Antrag der Linksfraktion. “So wurde im Zusammenhang mit der ersten Fortschreibung des Nahverkehrsplanes 2007 der OBM beauftragt, den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV) zu prüfen und zu überarbeiten (RBIV-900/07).”
Es ist wohl immer gut, wenn man die noch nicht erledigten Beschlüsse des Stadtrates immer mal wieder hervorholt und auf den Tisch packt.
Denn dieser Auftrag von 2007 wurde noch nicht erledigt: “Diese Überarbeitung wurde dem Stadtrat bisher nicht vorgelegt. Mit Beschluss zur ‘Übertragung der Aufgabenträgerschaft grenzüberschreitender Buslinien, Zusatzfestlegung zum Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag’ (RB 1842/13) wurde festgelegt, dass die nächste Evaluation des VLFV einschließlich der Finanzierungsbeträge für die Jahre ab 2015 im Zusammenhang mit der Fortschreibung und etwaigen Anpassung des NVP erfolgen. Auch dies ist nicht geschehen.”
Jetzt kann man gespannt sein, ob die anderen Fraktionen Die Linke auch diesmal wieder allein da stehen lassen, oder ob sie bereit sind, wieder mehr Übersicht und Kontrolle über Leipzigs Verkehrsunternehmen zu bekommen und damit auch wieder mehr Gestaltungsmacht. Denn dass die Sache mit den Fahrpreisen so aus dem Ruder gelaufen ist, hat auch mit der weitgehenden Ausschaltung der demokratisch gewählten Gremien in dieser Frage zu tun.
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