Der nicht wirklich existierende Radring um die Innenstadt wurde ja an dieser Stelle schon mehrfach thematisiert. Dass es in der Innenstadt auf den Fußgängerboulevards immer wieder zu Konflikten zwischen Radfahrern und Fußgängern kommt, hat auch mit der Nichtexistenz eines wirklich aufnahmefähigen Radringes zu tun. Aber dass er nicht existiert, ist auch für junge Leipziger immer wieder eine Verblüffung wert.
Und so schreibt uns ein Leser: “Wahrscheinlich ist es schon als Höhepunkt dieser schönen Serie geplant, aber mir als Leipziger Neuzugang (2010) wird wohl nie in Vergessenheit geraten, wie ich den Ring erstmals von Runder Ecke gen M. Luther Ring befuhr und irgendwo am Dittrichring strandete. (Und eigentlich weiß ich immer noch nicht wie das gedacht ist…).”
Über diese hübsche Stelle berichteten wir zuletzt, als der obere Dittrichring zur Fahrradstraße umgewidmet wurde. Da wurde auch gleich noch versucht, die Radfahrer mit unübersehbaren Schildern dazu zu bewegen, an der Gottschedstraße nicht einfach südwärts die Ampel zu nutzen und vor der Commerzbank dann auf dem Trottoir weiterzufahren. Aber bis dahin waren sie ja schon auf dem Fußweg gefahren, denn der Radweg endet an der Bosestraße. Die aufgestellten Schilder besagen eindeutig, dass die Radfahrer sich bitte mit den Fußgängern den Weg teilen sollen, der kurz vor der Gottschedstraße jetzt noch schmaler geworden ist, weil die dortige Diskothek eine riesige Rampe gebaut hat.
Gleich daneben steht eine jener Litfaßsäulen, von denen man nicht recht weiß, ob sie nur bei Nacht und Nebel da hingestellt wurden oder mit der Absicht, Radfahrern die Sicht zu nehmen und für Kollisionen mit entgegenkommenden Fußgängern und/oder Radfahrern zu sorgen.
Der Wunsch der Leipziger Verkehrsplaner, Radfahrer mögen an der Gottschedstraße bitte Richtung Thomasgasse abbiegen, hat übrigens auch damit zu tun, dass Radfahren auf der anderen Seite irgendwie unerwünscht ist. Rechts weiterfahren über Lurgensteins Steg darf man eigentlich nicht, denn der Holzsteg ist nur für Fußgänger vorgesehen.
Was natürlich unverständlich ist, denn an der Otto-Schill-Straße stößt der Steg ziemlich direkt (wenn auch ohne Absenkung des Bordsteins) auf einen Fuß-/Radweg direkt neben der Tiefgarage, der bis zur Rudolfstraße führt und dort Anschluss hat zum Weg durch die Grünanlage bis zur Ampel zum Johannapark.
Wenn man vor der Commerzbank freilich das seltsame Dornenbeet umfährt, bleibt einem danach eigentlich nur die Fahrt auf die Fahrbahn oder auf den Bürgersteig, so dass man sich bis zur Tauchnitzstraße eher wie ein rollender Fremdkörper fühlt, auch wenn das der direkteste Weg Richtung Bundesverwaltungsgericht und Geisteswissenschaftliches Zentrum ist.
Was sagt der ADFC dazu?
Alexander John, Stellvertretender Vorsitzender des ADFC Leipzig
Im Grunde ist dem nichts hinzuzufügen außer: Willkommen im Autoland Sachsen. Wo alles den Bedürfnissen des Automobils untergeordnet wird. Du hast dir, wenn du gern Rad fährst, das denkbar ungünstigste Bundesland ausgesucht. In keinem anderen Bundesland kann man, ohne mit der Wimper zu zucken, sechsspurige Autobahnen durch Naturschutzgebiete/FFH-Gebiete bauen, aber bei Asphalt auf einer überregionalen Hauptradroute durch einen Kiefernforst kommen auf einmal unüberwindbare Bedenken. Und so schottert man zweijährlich den für den Radverkehr nur schlecht nutzbaren Weg auf Kosten der steuerzahlenden Bevölkerung immer wieder neu und beklagt den Mangel an Radtouristen. Und so ist es nicht nur im Großen, so ist es auch im Kleinen, z.B. in Leipzig.
Das Radfahren am/um den/auf dem Promenadenring ist von manchen Entscheidungsträgern unerwünscht. Und so lange kein Gericht die Stadt dazu verurteilt, die Bedingungen zu verbessern, wird wohl auch nichts passieren. Insbesondere, da es sich um den zentralsten Bereich der Stadt handelt, wo der Radverkehr seinen höchsten Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen hat, ist es erstaunlich, dass man nichts unternimmt, die Bedingungen für den Radverkehr attraktiv zu machen. Wenigstens was Rechtskonformes zu schaffen.
Gut, es gibt die Äußerungen des OBM auf einer Veranstaltung der IHK: “Ich halte Radfahren auf dem Ring für nicht sinnvoll und gefährlich”. Anderseits äußert sich die zuständige Straßenverkehrsbehörde über den entsprechenden Abschnitt mit den Worten: “Wegen der insgesamt günstigen Bedingungen im dem lediglich zweifstreifigen und geradlinigen Abschnitt ist ein Verbot für Radfahrer unverhältnismäßig” (Dienstberatung des Oberbürgermeisters, Drucksache Nr. V/1039, 16.11.2010, S. 10). Aber was versteht eine Fachbehörde schon von ihrem Thema?!
Und so fahren in der Praxis die Radfahrenden wie gehabt mangels Alternativen selbstverständlich auf der Fahrbahn und teils auf dem Gehweg. Das war so, als noch VZ 275 (Mindestgeschwindigkeit 40 km/h) stand und es ist heute mit VZ 254 (Radfahren verboten) genauso. Der Oberbürgermeister hat leider in seinem Wunsch, es allen recht zu machen, vor einer Tageszeitung und den Wirtschaftskammern den Kotau gemacht, seine Fachbehörde bloßgestellt und zwingt tagtäglich unzählige Radfahrende zum Rechtsbruch. Denn es ist letztlich wirklich völlig egal, wo man mit dem Rad langfährt, es ist alles nicht erlaubt oder völlig praxisfremd. Man hätte sich an der Stelle gewünscht, dass sich der OBM mal auf die Seite der schwächeren Verkehrsteilnehmenden stellt – und auf die Seite des Rechts und somit auch (seine)/die Verwaltung gestärkt.
Nicht nur, weil der Fußverkehr zwangsweise unter dem Radverkehr auf den Gehwegen leidet, sondern weil der Radverkehr per Stadtratsbeschlüssen auch ausdrücklich eine Förderung erhalten soll und man sein eigenes Personal mit solchen Ansagen auch demotiviert. Nun kann man sich zwar hinstellen und sagen: “Klar wollen wir den Radverkehr insgesamt fördern, aber das muss ja nicht am Ring sein”. Andererseits: Wo in dieser Stadt wäre es dringlicher und wo könnte man mehr für den Radverkehr mit gleichem Aufwand erreichen, als genau dort, am Promenadenring?
Da traut man sich nicht ran. Radverkehr wird eben nur dort gefördert, wo es nicht weh tut. Da kann man auch mal für 500.000 Euro einen Gehweg mit Rad “frei” im Nirvana bauen und ihn zu 100 % als Radverkehrsförderung abrechnen oder eine Ampelschaltung verändern. Aber immer da, wo man mit wenig Aufwand richtig viel für den Radverkehr erreichen könnte, da gibt es meist auch (kleine) Einschränkungen für den Kfz-Verkehr und davor haben sie alle Angst und verlieren sich in Bedenken.
Da ist es schon erstaunlich, dass Leipzig beim System repräsentativer Verkehrsbefragung (SrV) für 2013 einen gestiegenen Modal Split (Verteilung der zurückgelegten Wege nach Verkehrsart) gegenüber 2008 verzeichnen konnte (von 14,4 auf 15,2 %). Dass dieser Anstieg nach all den vielen Maßnahmen nur so dürftig ausfällt und dann auch noch größtenteils auf Kosten des ÖPNV (für den hatte man noch weniger übrig), sollte doch Politik und Verwaltung zu denken geben und dringend zum Handeln bringen. Stattdessen wird aus Angst der Kopf eingezogen – so geht sächsisch …
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