Die Chance, dass die Linksfraktion mit ihrem Vorstoß zu einer besseren Finanzierung des Leipziger Nahverkehrs diesmal nicht allein dasteht, ist groß. Denn auch die Grünen-Fraktion sieht Handlungsbedarf. Auch sie stellt fest, dass 45 Millionen Euro für die LVB nicht reichen können. Auch wenn sie sich nicht gleich auf 48 Millionen festlegt.

Auch der Grünen-Antrag wird am 16. September den Weg durch die Beratungsgremien beginnen. Und der erste Satz ist der wichtigste – und wurde in den vergangenen fünf Jahren in Leipzigs ÖPNV-Politik sträflichst missachtet: “Der Stadtrat bekennt sich im Nahverkehrsplan zu einer dauerhaften und ausreichenden finanziellen Ausstattung des ÖPNV in Leipzig.”

Das dauerhaft bezieht sich schon auf den Auftrag an den Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV), entsprechende Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung des ÖPNV zu entwickeln. Da wurde ja bekanntlich selbst so ein umstürzendes Modell wie das Bürgerticket diskutiert, von dem selbst MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann trocken feststellte, dass man das vielleicht in Leipzig würde schaffen einzuführen, im großen Flickenteppich des MDV wären die Chancen aber gleich Null.

Deutlich machte die Analyse, die der MDV 2014 vorlegte, aber auch, dass die saftigen Fahrpreiserhöhungen in jedem August vor allem einen Grund haben: Die gekappten Finanzierungen durch die Länder und Kommunen. Und was überhaupt nicht berücksichtigt ist in der Knapphaltung der LVB: dass Leipzigs Bevölkerung heftig wächst.

Also formulieren die Grünen auch noch die Erwartung:

“Der Nahverkehrsplan wird auf Grundlage der optimistischen Variante der derzeit gültigen Bevölkerungsvorausschätzung geplant, sofern nicht rechtzeitig Ergebnisse einer aktualisierten Schätzung vorliegen.” Auch die Linksfraktion fordert ja eine baldige Novellierung des Nahverkehrsplans, der in der letzten Variante aus dem Jahr 2007 stammt und nicht ansatzweise die Bevölkerungsentwicklung seitdem berücksichtigt. Aber die Grünen wollen die Verwaltung nicht gleich darauf festlegen, 3 Millionen Euro mehr in die LVB zu geben, um zum Beispiel die steigenden Lohnkosten aufzufangen. Sie wollen die Verwaltung schon ein bisschen zum Nachdenken bringen: Drei Varianten möchten es schon sein.

“Die Verwaltung legt dem Stadtrat vor der Aufstellung des Nahverkehrsplans drei Varianten mit unterschiedlichen Leistungsbeschreibungen und entsprechenden Kostenschätzungen vor. Der derzeitige Zuschuss von 45 Mio. Euro (über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag) soll die finanzielle Untergrenze darstellen. Mindestens zwei weitere Varianten sollen diesen Kostenrahmen übersteigen.”

“Mit einem Beschluss, die optimistische Variante der Bevölkerungsvorausschätzung als Planungsgrundlage zu nehmen, würde, aufgrund der Erfahrung der letzten Jahre und dem Übertreffen aller Bevölkerungsvorhersagen, vorgesorgt, dass der ÖPNV auch in Zukunft leistungsfähig genug ist, den Anforderungen durch steigende Bevölkerungs- und steigende Fahrgastzahlen gerecht werden zu können”, stellen die Grünen dazu fest. “Derzeit gilt die Hauptvariante als Grundlage aller städtischen Planungen. Dies ist grundsätzlich infrage zu stellen und in diesem Fall sicherlich nicht zielführend.”

Tatsächlich ist eine bessere Ausstattung des ÖPNV überfällig, wie ja die letzte Ermittlung des “Modal Split” zeigte: Der ÖPNV hat bei den täglichen Wegen der Leipziger Punkte abgegeben statt zuzulegen. Die Leipziger fahren lieber Rad oder gehen gleich zu Fuß, statt in Bahn und Bus zu steigen. Es ist nur eine Vermutung, dass die happigen Fahrpreise dabei eine wesentliche Rolle spielen. Aber ein zu teurer ÖPNV ist auch für Autofahrer nicht attraktiv, wenn man sie denn zum Umsteigen bewegen möchte.

“Der ÖPNV hat für die reibungslosen Abläufe des Verkehrs und die persönliche Mobilität in Leipzig große Bedeutung. Der ÖPNV kann Straßen teilweise vom Individualverkehr entlasten und schützt dadurch die Luftqualität und trägt zur Verkehrssicherheit bei. Insbesondere sichert der ÖPNV Mobilität für alle, vom Schüler bis zur Seniorin. Die Standards und die Qualität des ÖPNV-Angebots werden im Nahverkehrsplan grundlegend beschrieben und festgelegt”, stellen die Grünen dazu fest. Und merken dann freilich auch noch etwas an, was eigentlich auf der Hand liegt, und trotzdem arg unter die Räder geraten ist: “Der jährliche Zuschuss der Kommune bzw. der kommunalen Betriebe zur Realisierung des ÖPNV in Leipzig über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag hat unmittelbar Auswirkungen auf das Angebot, die Modernisierungsmöglichkeiten, die Tarifpartner und die Preisgestaltung der LVB (im MDV), wie auch auf vielfältige Weise direkt für deren Kundinnen und Kunden. Mit den Verhandlungen über die Höhe der Zuschüsse stellt sich immer auch die Frage nach den bestellten Leistungen. Wenn der Stadtrat schon früh im Verfahren der Aufstellung des Nahverkehrsplans die Auswirkungen von drei Varianten, einem auf Dauer gleichbleibenden Zuschuss, einem Mehr und einem deutlichen Mehr als Zuschuss für die betrauten Leistungen der LVB kennen würde, hätte er auch die Möglichkeit, diese Planung zukunftsweisend politisch zu entscheiden.”

Womit die Grünen im Grunde dasselbe fordern wie die Linken:

Wieder mehr Einfluss für die gewählten Stadträte auf die Rahmenbedingungen für die LVB. Denn genau das ist in den letzten acht Jahren vollkommen verloren gegangen. Zuletzt wurde darüber im Zusammenhang mit dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag für die LVB diskutiert – aber unter völlig unsinnigen Vorzeichen, denn einigen Diskutierern war es damals gelungen, die Debatte ausschließlich unter die Überschrift “Privatisierung oder Nicht-Privatisierung” zu stellen. Statt über eine zukunftsfähige Gestaltung des Nahverkehrs zu diskutieren, redete der ganze Stadtrat darüber, wie “billig” die LVB werden müssten, damit sie die städtische Beauftragung bekommen können.

Manchmal haben die Leipziger wohl zu Recht das Gefühl, von Narren regiert zu werden.

Die Grünen jedenfalls finden, dass es jetzt höchste Zeit ist, endlich wieder über Angebot und Qualität des Nahverkehrs in Leipzig zu diskutieren: “Ziel einer Variantenauswahl ist es, dem Stadtrat eine Bewertungsmöglichkeit über die Leistungen und Finanzausstattung des ÖPNV zu geben und schon frühzeitig grundlegend für die weiteren Planungen zu klären, wie viel Nahverkehr sich Leipzig leisten kann oder will.”

Und dann sagen sie – noch etwas deutlicher als die Linken – wo der Hase im Pfeffer liegt: “Die Frage kann nicht von der Verwaltung allein beantwortet oder entschieden werden, indem ein Planungsergebnis vorgelegt wird, welches vom Stadtrat nur noch – ggf. mit einigen kosmetischen Änderungen – bestätigt werden kann. Das Ziel des Antrages ist es, dem Stadtrat bereits frühzeitig im Verfahren der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes eine seriöse und tatsächliche Entscheidungsgrundlage über die Standards und Qualitäten im fortgeschriebenen Nahverkehrsplan an die Hand zu geben.”

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar