Am 7. August begann die Leipziger Internet Zeitung ihre Serie zu Gefahrenstellen im Leipziger Radwegenetz. Und natürlich haben wir die zum Mitmachen aufgerufen, die jeden Tag mit dem Zustand dieses Netzes zu tun haben und all den Konflikten, die immer wieder auftauchen, weil Übergänge fehlen, Radwege im Nichts enden, Verkehrsführungen irritieren. Und mehrere L-IZ-Leser nutzten die Gelegenheit auch, um sich einmal intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.
Denn Manches, was scheinbar nur an einer Stelle stört, scheint System zu haben. Viele Situationen, die durchaus Grund zu Ängsten geben, wiederholen sich. Wir kürzen hier die Namen der Autoren ein, denn Vieles liest sich so, als hätte es jeder schon einmal so im Straßennetz erlebt – mit all den Schreckmomenten, quietschenden Reifen, erschrockenen (oder wütenden) Autofahrern, drängenden Straßenbahnen, fehlenden Ausweichmöglichkeiten.
Eigentlich ist es eher ein Wunder, dass die Unfallzahlen in Leipzig nicht noch höher sind, so rudimentär ist das Radwegenetz in vielen Teilen der Stadt noch. Und so undurchdacht sind viele Kreuzungs- und Abbiegepunkte. Aber nicht nur die Straßeneinrichtung führt zu Schreckmomenten – auch Zeitgenossen, die auf alle Regeln pfeifen, lassen das Herz springen – zum Beispiel Leute, die auf jedem Radweg gegen die Fahrtrichtung fahren. Ein Horror.
Leser H. entfaltet gleich ein ganzes Panorama der Leipziger Widrigkeiten
“Radwege neben der Beifahrerseite von Parkmöglichkeiten für PKWs halte ich für lebensgefährlich, da Beifahrer im Allgemeinen nicht erst in den Rückspiegel schauen, bevor die Tür geöffnet wird.
Behindertengerecht in Richtung Straßenbahnschiene verbreiterte und erhöhte Haltestellenbereiche sind ohne vorhandenen Radweg und/oder rechtzeitige Markierung bzw. Verkehrsführung für Radfahrer aus meiner Sicht ebenfalls lebensgefährlich. Wenn man sich nicht rechtzeitig zwischen den Gleisen eingeordnet hat und ggf. sogar noch ein Fahrzeug links neben einem ist, ist ein Sturz unausweichlich. Einige Radfahrer fahren auch einfach gleich über/auf den Fußweg (z.B. Haltestelle der Linie 4 Breslauer Str./Papiermühlstr.).
Als sowohl Rad- und Autofahrer sowie Fußgänger glaube ich, dass z.B. die als Erleichterung und Entgegenkommen gegenüber Radfahrern hier und dort realisierte Möglichkeit, Einbahnstraßen (oder entsprechend markierte Radwege) auch verkehrt herum benutzen zu dürfen, vermehrt dazu führt, dass auch ‘normale’ Rad- und Fußwege entgegen der entsprechenden Fahrtrichtung befahren werden (ohne jegliches Schuldbewusstsein oder entsprechende Aufmerksamkeit).
Entsprechende und vermehrte Kontrollen würde ich hierzu durchaus begrüßen. Ich verhalte mich mit Sicherheit auch nicht immer und überall korrekt, bilde mir aber ein, dass mein Fahrverhalten dann zumindest die entsprechende Ein- und Rücksicht erkennen lässt.
Ich würde gerne wissen, wie die Position des ADFC zu den von mir als prinzipielle Probleme angesehenen baulichen und/oder regulatorischen Gegebenheiten ist. Sind das bekannte (und aktiv angegangene) Probleme oder bin ich hier mit meiner Meinung eher ein Einzelfall?
Persönlich fühle ich mich auf der Straße am sichersten. Dort werde ich zwar von PKW Fahrern u. U. als störend empfunden, aber so zumindest auch bewusst wahrgenommen und Gegenverkehr ist praktisch ausgeschlossen.”
Leser M. sieht auch Markkleeberg in der Pflicht
“Bevor ich losplauder, erstmal etwas allgemeines. Der Begriff ‘Radwegenetz’ ist schon komisch, da meiner Meinung nach gar keine Radwege vorhanden sein sollten. Aus dieser Begrifflichkeit heraus, könnte impliziert werden, für die RadfahrerInnen werden nun weiter rote Schutzstreifen neben der Fahrbahn angelegt und viele Leute könnten weiterhin verträumt mit dem Drahtesel darauf rumeiern. Ich nutze bewusst diese umgangssprachliche Formulierung, da das Verhalten einiger auf dem Radweg genauso beschrieben werden kann und das auch die Gedanken sind, die einem durch den Kopf gehen, wenn man so einen/eine RadlerIn vor sich hat. Ich würde nun einfach mal unterstellen, die Leute fahren aufmerksamer und geradliniger Fahrrad, wenn sie auf der Straße fahren, quasi gezwungen sind, auf den Verkehr zu achten.”
Einige der von ihm aufgelisteten Gefahrenpunkte werden wir in nächster Zeit noch gesondert vorstellen. Aber auch M. hat so seine Fragen zur großen Radverkehrspolitik. Die scheint nicht nur in Leipzig eher das Stiefkind zu sein.
“Zu guter letzt noch ein völlig unsinniger ‘benutzungspflichtiger Radweg’. Wenn man vom Markkleeberger See auf die Bornaische Straße fährt, kommt vor dem Schillerplatz ein schön ausgebauter Fuß- und eben ‘Radweg’. Das sind 500 m, vorbei an Hauseingängen. Dieser Weg wurde vor nicht allzu langer Zeit fertig gestellt.
Was ergeben sich hieraus für Forderungen/Wünsche? Zunächst mal müsste die Stadt prüfen, welche ‘Radwege mit Benutzungspflicht’ nach 1997 angelegt wurden und sollte diese Baumaßmaßnahmen der aktuellen Gesetzlage anpassen, also auch die Beschilderung an dem Radweg am Markkleeberger See (siehe letztes Beispiel) ändern.”
Zwischenbemerkung Redaktion: Das geht hier also an die Markkleeberger Rathausadresse. Zum Zustand der mal vorhandenen, mal nicht vorhandenen Radwege auf dem Leipziger Teil der Bornaischen Straße könnte man bei Gelegenheit auch noch was schreiben. Weiter im Text von M.:
“In vielen Fällen könnten auch Radfahrende trotz roter Ampel rechts abbiegen, weil vor und nach dem Abbiegevorgang ein ‘Radfahrschutzstreifen’ befahren wird. So an der Kreuzung von der Prager Straße rechts auf Chemnitzer Straße.
Kein Radweg mehr vor Bushaltestellen.
Nach diesem, für meine Verhältnisse, Riesentext zeigt sich, dass das Thema “Radfahren in Leipzig” in einigen Fällen richtig nervt und aggressiv macht. Ich fühle mich in vielen Fällen als Radfahrer gegenüber den Autofahrenden diskriminiert, teilweise verhöhnt und das obwohl man seit 1997 (!) viel mehr Rechte als RadlerIn hat und damit den Motorisierten ein Stück weit gleichwertiger ist.
Auch das Argument, eine zweispurige Straße wäre zu gefährlich, ist da nicht haltbar, denn wer einmal in Berlin unterwegs war, weiß, dass das wunderbar klappt.”
Leser G. fragt mal nach Verwaltungsmitarbeitern, die auch Rad fahren
“Der obige Artikel benennt zum Glück einmal den wirklichen Stand des Leipziger Radwegenetzes – in großen Teilen und in vielen Details Stückwerk. 2010 war es, da hat man öffentlich einen Radverkehrsentwicklungsplan vorgelegt und später dann beschlossen. Der Plan kam von einem Ingenieurbüro, die Stadt hat ihr Logo vorne dran gehangen, wirklich durchgearbeitet wurde der Plan von der Stadt selbst nicht, geschweige denn Anregungen und Hinweise der Bürger aus der ‘öffentlichen Beteiligung’ eingearbeitet. Dann hat man einen Radverkehrsbeauftragten bei der Stadt eingestellt.
Man spricht über die allgemeine Infrastruktur fürs Fahrradfahren von Seiten der Stadt, mit Fahrradläden, etwas Radwegen, Radwegebeschilderung ………Statistik…….. usw. und so fort, aber das Bekenntnis der Stadt Leipzig zu einem flächendeckenden, Mindeststandards erfüllenden Radwegenetz als ersten Baustein für alles Weitere im Bereich Fahrrad fehlt. Man muss einfach konstatieren, dass Radwege gebaut werden, wo sie sonst keinem ‘wehtun’. Für mehr reicht es in Leipzig nicht.
Nach langem hin und her gibt es dann hier und da an bestimmten Stellen noch ein wenig Radweg. Man nehme nur ein Beispiel vom Innenstadtring. Dort wurde an der Kreuzung Ring/Gerberstraße/Am Hallischen Tor ein Hotel gebaut, die Fläche davor neu gestaltet. An einen Radweg am Ring hat offenbar bei der Neugestaltung der Außenfläche in der Verwaltung keiner gedacht. (Was hat der Radverkehrsbeauftragte gemacht?) Es gab ein Schild, dass man als Radfahrer die andere Seite des Ringes nutzen solle. (Solcherart Umleitungen sollte man mal Autofahrern zumuten.) Nunmehr ist der Fußweg vor dem Hotel auch für Radfahrer freigegeben von der Gerberstraße bis zur Nordstraße. Warum wurde nicht zugleich ein ordentlicher Radweg gebaut?
Es bleibt die Hoffnung, dass es nach vielen Jahren auch noch eine Lösung gibt, dass Radfahrer zwischen Nord- und Löhrstraße den Fußweg mit benutzen dürfen oder gar einen Radweg bekommen. Glücklicherweise gibt es bis zur Gerberstraße und dann nach der Löhrstraße einen Radweg bzw. Fußwegmitbenutzung …
Dies ist nur eines von sicherlich in die hunderte gehenden Details im Leipziger Radwegesammelsurium.
Warum gibt es da nicht mal Lösungen aus einem Guss? Sind in der Verwaltung nur Leute damit beschäftigt, die selbst nicht Rad fahren?”
Leserin B. lobt auch mal
“Ein wirklich positives Beispiel möchte ich aber auch mit Dank an die politische Arbeit des ADFC und des Ökolöwen nennen: die Fahrrad-freundliche Sanierung des Kreisels Beethovenstraße hat die Sicherheits-Situation der Radfahrer im Kreisverkehr nennenswert verbessern können. Ich werde kaum noch überholt, und die Gefahrenlage durch ausfahrenden Kfz-Verkehr ist dadurch quasi nicht mehr vorhanden. Dagegen, dass Autos herankommende Radfahrer relativ systematisch unterschätzen, übersehen oder gar ignorieren, und nach wie vor durch einfahrende Autos Gefahr besteht, kann auch der beste Verkehrsplaner wohl wenig ausrichten.
Des Weiteren möchte ich anmerken, dass Aufklärung und Kampagnen für mehr Akzeptanz von Fahrradverkehr meiner Ãœberzeugung nach einen großen Teil zur Sicherheit von Fahrradfahrern beitragen können. Meiner Erfahrung nach ergeben sich die häufigsten Gefahrensituationen daraus, dass der Kfz-Verkehr meist unbedacht Fahrradfahrer übersieht, weil gar nicht mit Radfahrern gerechnet wird, oder deren Tempo unterschätzt.”
Und auch deshalb machen wir das nun: Damit alle mitbekommen, wie es so ist mit dem Radfahren in Leipzig. Auch das schafft Aufmerksamkeit. Vielleicht sogar mehr Verständnis für die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Also sammeln wir.
Es gibt 3 Kommentare
Ich habe das schon anderswo kommentiert, wiederhole mich aber gerne: Fahrräder sind Fahrzeuge und gehören als solche auf die Straße. Fahrräder sind keine Gehhilfen und deshalb haben sie auch auf Fußwegen und Fußgängerübergängen nichts zu suchen. Es gibt kein Primat des motorisierten Verkehrs auf der Straße (außer auf Autobahnen und Schnellstraßen, wo Radfahren verboten ist). Bezogen auf das Problem der Sicherheit genügt der Verweis auf §1 der StVO, der Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme verlangt (übrigens von ALLEN Verkehrsteilnehmern). Genauso wenig, wie ich auf der Landstraße einen Traktor von der Straße drängeln darf, der mir zu langsam fährt, gibt es eine Berechtigung, Radfahrer zu bedrängen, nur weil sie einen am schnellen (motorisierten) Fortkommen hindern. Ein “Radstraßennetz” ist also vorhanden: das normale Straßennetz. Das vorausgeschickt, erhebt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck von Radwegen. Wo solche eingerichtet (und ihre Benutzung gar vorgeschrieben wird), muss sich dadurch nicht nur der Verkehrsfluss für eine (motorisierte) Fahrzeugfraktion verbessern, sondern dadurch die Sicherheit für alle (!) Verkehrsteilnehmer erhöht werden. Und da sind Wege, wo Radfahrer aus dem Blickfeld des motorisierten Verkehrs verschwinden, um dann an Kreuzungen und Einmündungen für Abbieger plötzlich als kreuzender Verkehr “aus dem Nichts” auftauchen (und bei LKW oft nicht einmal das), absolut kontraproduktiv und gehören abgeschafft!
Es reicht nicht Fahrradstraßen einzurichten, ebenso wenig wie Schilder aufzuhängen oder Verordnungen zu erlassen – werden diese nicht kontrolliert und durchgesetzt.
Ohne funktionierende Ordnungsbehörde gibt es keine Ordnung. Traurig aber wahr.
Fahrradstreifen bringen nichts, werden diese von PKW zugeparkt. Dies „schleift“ sich ein, je weniger bis gar nicht „freigeräumt“ wird.
Wo sind die Abschleppwagen dieser Stadt wie sie jeder von uns aus andernorts kennt.
Die Radwege unserer Stadt, sind ein Ergebnis verkehrspolitischer Inkonsequenzen.
Immerhin hat die Stadtverwaltung sog. “Fahrradstraßen” eingerichtet. Nur wissen die Leipziger Autofahrer bis heute nicht, wie sie sie zu benutzen haben. Während auf langen, geraden Strecken die Fahrsicherheit so einigermaßen gegeben ist, versagen die Autofahrer im kleinen Begegnungsverkehr völlig. Da wird plötzlich links auf die Gegenseite gefahren, die Blinker scheinen oft kaputt zu sein oder mal in sieben Zügen unter Einsatz beiderlei Bordsteine gewendet.
Es sind nicht nur die Radfahrer verträumte Geisterfahrer.
Grundsätzlich täten mehr Aufmerksamkeit und partnerschaftlicher Umgang im Stadtverkehr not. Aber das kann man bei scheinbar immer noch wendebedingter Autofahr”begeisterung” und zeitgeistmäßigem Narzissmus (“die anderen haben mir gefälligst Platz zu machen”) wohl weitgehend als überholte moralische Forderung entsorgen…