Immer wieder geht es um Kreuzungsbereiche im Leipziger Radnetz, an denen Radfahrer - nichts Schlimmes ahnend - auf einmal in Kollisionsgefahr mit abbiegenden Kraftfahrzeugen kommen. So geht es einem Leser aus Gohlis auch immer wieder auf dem Radweg an der Max-Liebermann-Straße. Sieht sicher aus, ist es aber nicht.
“An der Kreuzung Virchowstraße/Max-Liebermann-Straße kommt es oft zu kritischen Situationen zwischen Radfahrern und Autos sowie Fußgängern. Ich fahre täglich auf dem Arbeitsweg dort mit dem Rad entlang”, schreibt er uns. “Der Radweg der Max-Liebermann-Str. Richtung Delitzscher Straße ist zum einen durch Bäume verdeckt, so dass Autofahrer teils keine Chance haben den Radfahrer zu sehen. Außerdem ist für die Radfahrer die Gefahr von kreuzenden Fußgängern, welche die Max-Liebermann-Straße überqueren wollen, sehr hoch. Für die Radfahrer ist die Sicht nach rechts durch Büsche sehr eingeschränkt und nach links durch die beschriebenen Bäume. Zusätzlich ist das Signal der Fußgänger- und Fahrradampel von weitem nicht zu erkennen, da es verdeckt wird.”
Ein Grund für die sich überkreuzenden Wege ist hier der Supermarkt, der vor ein paar Jahren nördlich der Straße hingesetzt wurde und natürlich auch extra Autozufahrten bekam. Ein Phänomen, das man an fast allen in Leipzig gebauten und erweiterten Supermärkten beobachten kann: Große Parkplätze laden geradezu dazu ein, auch den kleinsten Einkauf mit dem Auto zu erledigen, der Verkehr in der direkten Umgebung nimmt deutlich zu und die neuen Zufahrten schneiden sich mit den alten Rad- und Fußwegen.
Aber an der Virchowstraße endet das Kuddelmuddel für Radfahrer ja nicht, die hier wirklich gut beraten sind, auch bei grüner Ampel darauf zu achten, dass ihnen kein Rechtsabbieger in die Parade gefahren kommt.
“Weiter geradelt in Richtung Essener Straße gibt es an der nächsten Kreuzung (Max-Liebermann-Str./Delitzscher Str./Essener Straße) eine sehr erhebliche Gefahrenstelle für Radler”, beschreibt der Leser die nächste ungelöste Übergangsstelle an der Delitzscher Straße. “Bis geschätzt 50m vor der Kreuzung führt der Radweg zusammen mit dem Fußweg hinter einer Baumreihe neben der Straße her. Dort wurde dann jedoch die Straße verbreitert für eine zusätzliche Abbiegespur und der Radweg wird einfach aus dem Nichts heraus mitten in den fahrenden Verkehr einer Bundesstraße geleitet. Selbst der Fußweg kommt nicht als sinnvolle Alternative in Frage, da dieser schon extrem schmal ist und dann zusätzlich an der Haltestelle ein Wartehäuschen steht. Vor dem Wartehäuschen haben selbst die Fußgänger gefühlt weniger als einen Meter Platz zum Vorbeilaufen. – In den Hauptverkehrszeiten ist es auch aufgrund der vielen Wartenden der Haltestelle nahezu unmöglich, gefährdungsarm diese Kreuzung zu überqueren. Dort empfinde ich schon seit Jahren dringenden Handlungsbedarf. Alle anderen Radwege und Richtungen sind dort meiner Meinung nach völlig in Ordnung und gut passierbar. Nur diese Stelle nicht.”
Und was sagt der ADFC dazu?
Alexander John, Stellvertretende Vorsitzender des ADFC
Der Leser beschreibt eindrucksvoll die Probleme, die gehweggleiche Radwege (Hochbordradwege) mit sich bringen. Letztlich führt es meist dazu, dass Radfahrende auf dem Radweg sich zwar subjektiv sicher fühlen, aber objektiv bis zu 12x häufiger in Unfälle verwickelt werden, als wenn sie auf der Fahrbahn mit dem Kfz-Verkehr mitfahren würden. Der Gesetzgeber hat das Problem Anfang der 1990er Jahre erkannt und 1997 mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung dem auch Rechnung getragen. Radwege müssen deshalb nicht mehr mit dem Rad benutzt werden. Ausnahmen bilden Radwege, die mit einem blauen Schild mit Fahrrad drauf versehen sind. Der Gesetzgeber hat die Hürden für diese Schilder sehr hoch gehängt und viele Kommunen haben begonnen diese Schilder zu entfernen. Statt der Benutzungspflicht bleibt dann meist ein Benutzungsrecht übrig, denn Bau und Betrieb sollen eine Einheit bilden.
Während in Berlin heute ca. 85 % der Radwege nicht mehr benutzungspflichtig sind, sind es in Leipzig noch fast 90 %, die benutzt werden müssen. Seit den frühen 2000ern fährt man in Leipzig auch aus finanziellen Gründen einen anderen Kurs. In Leipzig entsteht nach und nach eine völlig neue Infrastruktur für den Radverkehr. Mittels Radfahrstreifen/Schutzstreifen werden die Radfahrenden perspektivisch wieder an das Fahren auf der Fahrbahn gewöhnt. Denn Radfahrende, die im Sichtfeld des Kfz-Verkehrs fahren und nicht hinter Bäumen oder parkenden Autos, werden auch gesehen und beachtet. Man muss eines immer im Hinterkopf behalten: Der Radweg wurde nicht erfunden, um den Radverkehr sicher von A nach B zu führen, sondern um dem Kfz-Verkehr freie Fahrt zu verschaffen. In einer Pressemitteilung des Reichsverkehrsministeriums vom 1. Oktober 1934 heißt es dazu: „Zeigen wir [zur kommenden Olympiade 1936] dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“
Zur Situation am Ende der Max-Liebermann-Straße auf Höhe Delitzscher Straße noch eine Anmerkung: Der Radweg endet dort. Da der Radweg nicht Bestandteil der Fahrbahn ist, sind Radfahrende wartepflichtig und müssen dem Kfz-Verkehr Vorrang gewähren. Aus Sicht des Radverkehrs wäre es besser gewesen, der Hochbord wäre wenigstens noch um 5 m verlängert worden, sodass auch die Sichtbeziehungen zum Kfz-Verkehr bestehen. Aktuell muss man sich schon sehr anstrengen, um an den Bäumen vorbei einen Blick auf den Kfz-Verkehr zu bekommen.
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