So ganz nebenbei hat die Bürgerbefragung zum Klimawandel in Leipzig auch zu Tage gebracht, wie die Leipziger so im Lauf des Jahres zwischen den Verkehrsmitteln wechseln. Das bildet nämlich kein "Modal Split" ab. Nicht jeder Leipziger ist konsequent das ganze Jahr Autofahrer, Radfahrer oder Straßenbahnnutzer. Und die Hitze spielt auch ihre Rolle beim Wechseln.
Aber die Grundfrage war erst einmal schlicht, wie die Leipziger im Sommer und im Winter zur Arbeit und zum Einkauf kommen. Und auch das hat mit der spürbaren Veränderung der Verkehrsmittelwahl in Leipzig zu tun. In der warmen Jahreszeit wechseln viele Leipziger vor allem aufs Fahrrad, auch wenn es um den Weg zur Arbeit geht. Und es sind nicht nur Autofahrer, die wechseln.
Auch diese Fragestellung bestätigt das Ergebnis der zeitgleich erfolgten “Bürgerumfrage 2014”: Der ÖPNV lässt gerade in den Sommermonaten Federn. Der Anteil des ÖPNV bei den Wegen zur Arbeit rutscht in den Sommermonaten regelrecht in sich zusammen – von 27 auf 19 Prozent, während der Anteil der mit Fahrrad zurückgelegten Wege von 12 auf 26 Prozent steigt.
Ein Befund, der auch wichtig ist für die Zukunft der immer wärmer werdenden Stadt, denn damit verlängert sich auch die frostfreie Zeit, immer mehr Radfahrer sind auch in Frühlings- und Herbstzeit unterwegs. Darunter auch aufs Rad umgestiegene Autofahrer. Fahren im Winter 39 Prozent der Befragten mit dem Auto zur Arbeit, sind es in den Sommermonaten 44 Prozent. Viele Autofahrer schwingen sich bei gutem Wetter doch lieber aufs Rad.
Dass aber besonders viele Nutzer von Bus und Straßenbahn wechseln, sollte zu denken geben. Auch weil einer der Gründe der veraltete Baustandard der Straßenbahnen sein könnte.
Das Umweltdezernat ließ die Leipziger ganz direkt nach der Hitzebelastung in Straßenbahn, Bus und S-Bahn fragen. Das Ergebnis ist deutlich. Zwar melden 35 Prozent der Befragten auch Hitzebelastung in der modernen S-Bahn (vielleicht meinen sie damit aber auch die diversen Ersatzzüge, die immer wieder unterwegs sind, weil der eingekaufte Wagenpark für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz zu knapp kalkuliert wurde). Aber die Belastungswerte für Busse und Straßenbahnen sind deutlich höher. Bei Bussen reklamieren 65 Prozent der Befragten belastende und sehr belastende Hitzeerfahrungen, bei den Leipziger Straßenbahnen sind es 63 Prozent.
Und das ist nur der Durchschnitt aller Befragten. Dass die Hitzeerfahrungen ein Grund dafür sein könnten, dass viele ÖPNV-Nutzer im Sommer lieber draußen bleiben, zeigt der Befragungswert speziell für jene, die nur im Winter Bahn und Bus für den Weg zur Arbeit nutzen: Sie deklarieren zu 67 Prozent eine Hitzebelastung in den Fahrzeugen des ÖPNV.
Was bei der Befragung freilich nicht abgefragt wurde, ist der Fahrzeugtyp, der als besonders belastend empfunden wird. Denn wer den Fuhrpark der LVB nutzt, weiß, dass vor allem die älteren Fahrzeuge nicht klimatisiert sind und sich in der Sommerhitze aufheizen wie Backöfen, während die seit 2005 angeschafften Fahrzeuge in der Regel über Klimatisierungstechnik verfügen.
Aber auch die LVB haben nun Zahlen, mit denen sie bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge operieren können. Und sogar müssen, sonst bleiben sie bei der Klimaanpassung der Stadt einfach auf der Strecke. Auch wenn Leipzigs Statistiker das anhand der Befragung so noch nicht interpretieren wollen. Sie haben zwar versucht, die Frage zu klären, ob die Hitzebelastung im Sommer einem Wechsel auf den ÖPNV entgegen steht. Aber sie haben die Frage so konkret nicht gestellt. Und auch die höheren Werte von Belastungsempfinden bei den jüngeren Befragten interpretieren sie eher mit Verhaltensgründen.
Aber vielleicht ist es ein ganz simpler psychologischer Grund: Wenn man als nicht mehr so beweglicher älterer Mensch auf Straßenbahn und Bus angewiesen ist, versucht man sich den zuweilen heftigen Bedingungen einigermaßen anzupassen, meidet auch Rushhour und heiße Mittagsstunden, was jüngere Leipziger, die zu Ausbildung oder Arbeitsplatz müssen, nicht können.
Entsprechend anders ist natürlich die Haltung, wenn man sich dann als jüngerer Mensch nach einem schweißtreibenden Tag im Büro (siehe: “Büros und Wohnungen in Leipzig sind nicht für Hitzezeiten gebaut”) auch noch in überhitzte Busse und Bahnen quetschen muss. Und da das eine unmögliche Situation ist, der man nur aus LVB-Sicht nicht ausweichen kann, ist die Folge eigentlich nachvollziehbar: Da fahren dann auch Bankangestellte, Manager und andere arbeitsame Menschen lieber mit dem Fahrrad ins Büro.
Verkehr ist meistens reine Psychologie. Was auch für die LVB wieder ein Knobelthema wird: Denn sie sind es, die künftig 25 Prozent vom Verkehrskuchen haben wollen. Und mit Fahrzeugen, in denen alles brütet vor Hitze, schafft man das eindeutig nicht.
Ein anderes Verkehrsthema berührt jetzt aber die Verwaltung selbst.
Dazu kommen wir gleich.
Es gibt 4 Kommentare
Lieber Sebastian Beyer, Sie brauchen keine Beobachtungsmission zu starten. Die Straßenbahnlinien werden bei den LVB grundsätzlich typenrein befahren, das ist ein alter Hut. Erfahrene Fahrgäste erkennen schon am Wagenkasten, welche Linie da gerade kommt, ohne erst die Zielanzeige entziffern zu müssen.
Diese Typenreinheit halte ich allerdings für eine der diversen vollkommen nutzlosen und, wie man hier jetzt sieht, für die Akzeptanz durch Fahrgäste kontraproduktiven Eigenbröteleien der LVB.
Die LVB setzen genau in den Ferienzeiten verkürzte Wagenzüge ein, d.h.statt drei Tatrawagen fahren nur zwei. Angeblich, weil durch den fehlenden Schüler- und geringeren Berufsverkehr insgesamt deutlich weniger Fahrgäste unterwegs seien – wie üblich eine schlechte und hochjazzende Ausrede. (Ein Stichwort nur: Touristen.) Jedenfalls muss man wieder im Fahrgastraum stehen, weil wieder zu wenige Sitzplätze vorhanden sind, und es ist nicht jedem gegeben, in dieser Affenhitze auch nur zehn Minuten zu stehen. Es kippt auch immer mal ein Fahrgast um, so heile ist die LVB-Welt auch hier nicht.
Gibt es denn bezüglich der LVB-Serie nicht mehr Lesermeinungen? Gerade hier wäre doch die Chance, dem Unternehmen auch mal die Sicht der Kunden mitzuteilen, so wie Dominik es getan hat.
Recht geben muss ich Dominik, auch seit 2005 angeschaffte Bahnen verfügen oft nicht über Klima-Anlagen. Die gefühlte Handvoll dieser Bahnen werden zudem scheinbar immer wieder auf den gleichen Linien eingesetzt, so dass Pendler mit anderen Wegen zur Arbeit offenbar nicht in den Genuss kommen. Um diesen Verdacht zu erhärten starte ich mal eine Beobachtung.
“…während die seit 2005 angeschafften Fahrzeuge in der Regel über Klimatisierungstechnik verfügen.”
Dass die XXL-Bahnen klimatisiert sind, wissen wir vermutlich alle. Außer diesen wurden meines Wissens ab 2005 nur noch Leoliner in Dienst gestellt, bei denen laut Datenblatt zwar die Fahrerkabine, nicht aber der Fahrgastraum über eine Klimatisierung verfügt.
Bei den Bussen waren die inzwischen ausgemusterten Silberpfeile (zu den diversen Hybrid-Versuchskaninchen kann ich nichts sagen) die einzigen mit einer Klimaanlage. Als diese durch Solaris-Fahrzeuge ersetzt wurden, war es, soweit ich weiß, Herr Middelberg selbst, der sagte, dass man künftig bei Neuanschaffungen aus Kostengründen generell auf Klimatisierungstechnik verzichten will. Schließlich würden die ausstellbaren Belüftungsklappen auf dem Dach ja diese Aufgabe genauso gut erfüllen…