Klingt doch gut, was sich das Leipziger Wirtschaftsdezernat da gedacht hat: Leipzig soll eine "Stadt für intelligente Mobilität" werden. Über die Vorlage haben wir schon berichtet. Die Grünen haben sie nun auch gelesen und hatten dabei auch so ein Gefühl: Irgendetwas fehlt doch da? Kann es sein, dass es das Fell des Bären ist? Breit lässt sich die Vorlage über die wichtige Rolle des Stadtkonzerns bei der Weiterentwicklung der Elektromobilität in Leipzig aus.
Immerhin waren die Stadtwerke bislang mit dem Aufstellen diverser E-Tanksäulen der Vorreiter. Die LVB haben nun zum 1. August die ersten Mobilitätsstationen in Betrieb genommen. Auch das Clusterteam „eMobilität“ wird gelobt, alles Firmen und Initiativen außerhalb der Stadtverwaltung. Das kam den Grünen dann doch schon seltsam vor. Und die Verwaltung selbst? Delegiert sie solche Aufgaben jetzt nur noch? Das kann es nicht sein.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat deshalb am Mittwoch, 26. August, einen Änderungsantrag formuliert und eingereicht.
Der baut auf einer sehr intensiven Diskussion im Leipziger Stadtrat zum zukünftigen Mobilitätsverhalten der Leipzigerinnen und Leipziger in der wachsenden Stadt in den letzten Monaten auf. Wer sich erinnert: Es wurde auch heftig über den richtigen “Modal Split” diskutiert, über Radverkehr und einen ausgebremsten und unterfinanzierten ÖPNV. Dass dann ein doch sehr ehrgeiziger “Modal Split” im neuen Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum (STEP) landete, nimmt zwar die CDU, die gern einen anderen gehabt hätte, bis heute krumm.
Aber eigentlich könnten auch die Christdemokraten sich zurücklehnen und einfach sagen: Na, dann macht mal. Denn wenn im Leipziger ÖPNV keine kleine Revolution passiert, wird er die geplanten 25 Prozent Wegeanteil nie und nimmer erreichen. Autofahrer werden nicht umsteigen. LVB-Nutzer werden eher aussteigen und mit dem Rad fahren.
Wenn die Strukturen für ein anderes Verkehrsverhalten nicht entstehen, ändert auch niemand sein Verhalten.
Die Grünen finden den STEP-Beschluss trotzdem zukunftsweisend.
Aber mit Delegieren wird das nie was, stellen sie fest. Auch nicht bei der E-Mobilität.
Das Thema Elektromobilität sei in diesem Zusammenhang eine klare Querschnittsaufgabe, da Umwelt- Verkehrs- und Wirtschaftsaspekte gleichermaßen berührt werden. Der Vorlage sei jedoch zu entnehmen, dass die Stadtspitze das Thema Elektromobilität noch nicht als eine solche Querschnittsaufgabe begreife. Während der Prozess des STEP durch eben diese drei Dezernate (Planungsdezernat, Wirtschaftsdezernat und Umweltdezernat) begleitet wurde, sei die neuerliche Vorlage zur Elektromobilität allein durch das Dezernat Wirtschaft und Arbeit entstanden. Rein wirtschaftliche Aspekte stünden so im Vordergrund der Zielstellung.
“Fachfremd schwadroniert die Vorlage nebenbei über ‘eine differenzierte Nutzung von fossilen Brennstoffen im Energiewandel’ und möchte die intensive Diskussion der letzten Monate über Mobilität in Leipzig nun um das wenig aussagekräftige Schlagwort ‘intelligente Mobilität’ bereichern”, kritisiert Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, die Vorlage. “Das Wirtschaftsdezernat sollte sich besser darauf konzentrieren, Elektromobilität im Rahmen ihrer Möglichkeit zu stärken: also als Teil der Wirtschaftsförderung der Stadt. In der Vorlage wird dargestellt, dass Leipzig relativ gute Voraussetzungen hat, um durch die Förderung von Elektromobilität Wertschöpfung nach Leipzig zu holen.”
Aber das Wörtchen “intelligent” bringt von der Heide so richtig auf Touren. Denn dazu gehören nun einmal nicht nur E-Autos und Steckdosen.
“Intelligentes Mobilitätsverhalten setzt aber immer voraus, zunächst unnötige Wege zu vermeiden und für nicht vermeidbare Wege möglichst umweltschonende Verkehrsmittel zu wählen. Nach dem Radverkehr und der Nutzung von Bus und Bahn bietet auch die Elektromobilität im Automobilsektor als Alternative zu reinen Verbrennungsantrieben das Potenzial zur Lärm- und Emissionsentlastung”, umreißt er das Spielfeld, das Leipzig noch lange nicht ausgespielt hat. “Die Stadt muss Anreize und Voraussetzungen für ein umweltschonendes Mobilitätsverhalten setzen.”
Und da sieht er das Thema Elektromobilität ganz ähnlich wie viele L-IZ-Leser, die das Thema in letzter Zeit diskutiert haben: Wenn es jemals selbstverständlich werden soll, dann müssen auch die Strukturen simpel und ohne große Umstände für Jedermann nutzbar sein.
“Speziell beim Thema Elektromobilität sprechen wir hier von der Schaffung einer zweckmäßigen Ladeinfrastruktur, die nach wie vor nur sehr zögerlich ausgebaut wird”, betont von der Heide. “Immerhin wurden mit dem Beschluss zu den Mobilitätsstationen 25 weitere Ladestationen auf den Weg gebracht. Der europäische Blick zeigt jedoch, dass andere Länder und Städte schon deutlich stärkere Anstrengungen unternommen haben. Weitere Ziele müssen eine weitere Elektrifizierung der Busse der LVB sowie eine Umorientierung der Stadtwerke bei der Stromerzeugung hin zu erneuerbaren Energien sein. Denn letztlich ist die Energiebilanz eines Elektroautos nicht besser als bei herkömmlichen Verbrennern, wenn der Strom für den Antrieb aus Braunkohle gewonnen wird. – Die städtischen Unternehmen müssen gemeinsam mit der Verwaltung am gleichen Strang ziehen um zu schnelleren und besseren Lösungen zu finden. Insofern ist der Vorstoß der Verwaltung, künftige Aktivitäten von Stadt und Beteiligungsunternehmen stärker zu bündeln sehr zu begrüßen.”
Aber erstaunlicherweise kommt der Nutzer selbst im Konzept der Verwaltung nicht vor.
“Wenn man die Akzeptanz von Elektromobilität innerhalb der Bürgerschaft erhöhen will, sollte man aber mit den Bürgern sprechen und nicht nur mit den Unternehmen, welche die Elektromobilität vorantreiben. Im Ergebnis erwarten wir ein Maßnahmen- und Umsetzungskonzept was deutlich über das hinausgeht, was die Vorlage ankündigt: Eine Auflistung der Aktivitäten der Verwaltung sowie der kommunalen und privaten Wirtschaft”, nennt von der Heide den Anspruch, den eine Floskel wie “Stadt der intelligenten Mobilität” eigentlich erfüllen müsste. “Wir erwarten konkrete, idealerweise messbare Ziele und klare Konzepte, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die Vorlage vermittelt den Eindruck, dass in der Verwaltung weitestgehend Ratlosigkeit herrscht, welche Rahmenbedingungen den Erfolg von Elektromobilität bedingen und wie man diese entsprechend anpassen könnte. Wir hoffen, dieser Eindruck täuscht und möchten davon durch das Maßnahmen- und Umsetzungskonzept überzeugt werden.“
Den Bären hat man also gesichtet. Jetzt muss nur noch geklärt werden, wie man ihn fangen kann.
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