"Zum Radwegenetz Leipzig habe ich eine gefährliche Schwachstelle. Ecke Brandenburger Str./Adenauerallee", schreibt uns ein Leser. "Wenn ich morgens im Berufsverkehr mit meinem Fahrrad von der Brandenburger Brücke komme und in die Adenauerallee will, hört kurz vor der Looks Film und TV Produktion der Radweg auf. Hier geht am Gebäude ein Fußweg weiter, der das Radfahren erlaubt.

Wie das so ist, ist die Häuserecke sehr unübersichtlich, dass ich lieber auf die Straße wechsele, in den fließenden Verkehr hinein. Häufig hupen die Autofahrer dann, fahren nur ein paar Millimeter an meinem Lenkrad vorbei und beschimpfen einen. – Die Autofahrer werden nur durch ein unscheinbares Schild ‘Vorsicht Radfahrer’ auf diese aufmerksam gemacht. Hier ist noch viel Verbesserungspotenzial möglich. Mich hat an dieser Stelle auch schon mal ein Auto erwischt. Gelernt hat selbst dieser Autofahrer nicht.”

Tatsächlich sieht diese ganze Stecke so aus, als hätten die Verkehrsplaner bei den Planungen für diesen Teil der Brandenburger Straße Radfahrer einfach vergessen und dann, als sie fertig waren mit den Asphaltmalereien – achdujemine! – festgestellt, dass sie für Radwege gar keinen Platz vorgesehen hatten. Was tun? – Da haben sie dann augenscheinlich schnell noch ein paar Schilder angebracht, die den Radfahrern das Fahren auf dem immer schmaler werdenden Fußweg erlauben.

Immerhin ist das hier eine Ecke, wo sich gleich mehrere Bundesstraßen im Stadtgebiet treffen und auch mit entsprechendem Tempo durchfahren werden: die B2, die B6 und die B87. Eigentlich eine besondere Herausforderung für die Verkehrsplaner, hier sichere Fahrwege auch für Radfahrer zu schaffen, denn die Brandenburger Brücke ist nun einmal auch für sie eine der wichtigsten Wegebeziehungen nach Schönefeld.

Aber davon ist am nördlichen Teil der Brandenburger Straße nichts zu sehen. Wer das Kräftemessen mit den eiligen Nutzern der B6 nicht wagen will, bleibt auf dem Rad-Fußweg, fährt vorsichtig um die Hauskante und erlebt dann unten beim Auftreffen auf die Adenauerallee sowieso, dass er – wenn er hier nach links wollte – sowieso besser mit dem Kfz-Verkehr gefahren wäre, denn wer vom Fußweg kommt, muss die Bedarfsampel nutzen, um auf die andere Straßenseite zu kommen.

Vielleicht denken Leipzigs Verkehrsplaner das Radfahren tatsächlich so umständlich.

Und noch deutlicher wird die ganze Umstandskasperei, wenn man von hier zum Mariannenpark und auf den Parthe-Mulde-Radweg will, denn dort, wo dieser touristische Radweg auf die Adenauerallee trifft, gibt es natürlich keine Ampel und keinen Überweg über die Adenauerallee. Man fährt also einen völlig sinnlosen Umweg bis zur Rohrteichstraße – oder man quert trotzdem an der Brandenburger Straße und wird auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum radelnden Geisterfahrer.

Aber vielleicht sieht man das ja nur als Laie so.

Was sagt der ADFC dazu?

Alexander John, Stellvertretender Vorsitzender des ADFC Leipzig

Als man diesen Bereich in den 1990ern und frühen 2000ern aus- und umgebaut hat, galten zum Teil noch andere Bestimmungen und Richtlinien. Diese waren meist noch fahrradunfreundlicher als sie es heute sind und so wundert es nicht, dass man heute an manchen Stellen unnötig behindert wird. Das Primat des Automobils ist zwar in der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vorgesehen, aber nach dieser wird letztlich nicht gebaut, sondern nur beschildert und genutzt.

So könnte eine Radfahrerampel an der Kreuzung Brandenburger Brücke aussehen. Foto: Alexander John / ADFC Leipzig
So könnte eine Radfahrerampel an der Kreuzung Brandenburger Brücke aussehen. Foto: Alexander John / ADFC Leipzig

Und da sich die StVO auch immer mal wieder ändert, passt dann die Infrastruktur – die ja meist für 40 Jahre und länger konzipiert ist – auch nicht mehr so recht zur Rechtslage.

An der Brandenburger Brücke bzw. Straße passten diese bereits kurz nach der Fertigstellung nicht mehr zueinander. Das Gefälle beträgt mehr als 3 %. Das ist die absolute Obergrenze für gemeinsame Geh- und Radwege. Die gemeinsame Führung von Rad- und Fußverkehr ist aus gutem Grunde in diesen Fällen nicht erlaubt, wie der Leser aus seiner Praxis selbst erfahren und erleben konnte: Der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Rad- und Fußverkehr ist viel zu groß. Während er zwischen Rad- und Kfz-Verkehr relativ gering ist. Der Radverkehr gehört dort auf die Fahrbahn und die Benutzungspflicht abgeordnet.

Wie könnten Lösungen aussehen?

Nun ist es verständlich, dass viele Radfahrende sich auf einem Radweg sicher fühlen und auch nicht mal spontan vom Radweg auf die Fahrbahn wechseln wollen. Direkt an der Brandenburger Brücke gibt es eine Bettelampel (euphemistisch auch Bedarfsampel genannt) für Radfahrende in Richtung Rackwitzer Straße/Am Gothischen Bad. Steht diese auf “Grün”, fährt kein Fahrzeug in Richtung Adenauer Allee. Man kann diese Gelegenheit auch nutzen, um sich den Rücken frei zu halten und ungestört mit dem Rad in Richtung Adenauer Allee auf der Fahrbahn zu fahren und wenn man schon auf der Fahrbahn ist, lässt es sich auch unkomplizierter einordnen. Auf der Adenauer Allee kann man wieder auf den Radweg wechseln.

In der AG Rad ist diese Situation bereits mehrfach thematisiert worden, doch anscheinend ohne Folgen. Dass die Straßenverkehrsbehörde hier wissentlich rechtswidrig handelt, indem sie die Benutzungspflicht entgegen der Verwaltungsvorschrift aufrecht erhält, macht es nicht besser. Man muss allerdings anmerken, dass ohne bauliche Veränderung der Radverkehr nicht einfach auf die Fahrbahn entlassen werden kann und dafür ist wieder eine andere Abteilung zuständig. Der kleinste Eingriff wäre möglicherweise die Bettelampel in die regulären Ampelphasen einzubinden und mittels Pfeil in der Fahrradampel auch in Richtung
Adenauerallee den Radverkehr auf die Fahrbahn zu bringen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar