"Schlechte Zeiten fรผr Schwarzfahrer", meint der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) und kรผndigt fรผr den 1. August nicht nur eine hรผbsche Tariferhรถhung an, sondern auch ein hรถheres Buรgeld fรผrs Schwarzfahren. Oder, um mal das Amtsdeutsch dazu zu zitieren: Erschleichung von Befรถrderungsleistungen. Das kostet dann 20 Euro mehr.
Ist das viel, ist das wenig? Die Mitglieder des Bundesrates empfanden die bis jetzt verlangten 40 Euro schon lange als zu wenig. Sie wรผrden keine abschreckende Wirkung entfalten. Schon im November 2014 haben sie sich deshalb darauf verstรคndigt, den Preis fรผrs Fahren ohne Ticket oder mit falschem Ticket heraufzusetzen von 40 auf 60 Euro.
Mit der Zustimmung des Bundesrates am 8. Mai 2015 war die Anhebung des Erhรถhten Befรถrderungsentgeltes von 40 auf 60 Euro endgรผltig beschlossen. Demnach mรผssen Schwarzfahrer, die ab dem 1. August 2015 ohne gรผltiges Ticket in Bus oder Bahn im Mitteldeutschen Verkehrsverbund angetroffen werden (aber in anderen Verkehrsverbรผnden genauso โ die Regel gilt bundesweit), deutlich mehr bezahlen. Das Bundesverkehrsministerium hat die dafรผr notwendigen Verordnungen zum Personenbefรถrderungsgesetz und Allgemeinen Eisenbahngesetz entsprechend geรคndert. Diesen รnderungen hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 8. Mai 2015 abschlieรend zugestimmt.
Der Prรคsident des Verbund Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Jรผrgen Fenske sagt dazu: โWir begrรผรen diese Entscheidung, denn die Erhรถhung der Strafzahlung ist รผberfรคllig. Seit der letzten Anhebung von 30 auf 40 Euro im Jahr 2003 sind die Preise, Lรถhne und Gehรคlter, aber auch die Ticketpreise im Nahverkehr gestiegen. Daran gemessen hatte ein Betrag von 40 Euro seine abschreckende Wirkung bei vorsรคtzlich handelnden Schwarzfahrern weitgehend eingebรผรt. Den deutschen รPNV-Unternehmen gehen mittlerweile durch Schwarzfahrer jรคhrlich rund 250 Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen verloren. Deshalb ist diese Entscheidung von Bund und Lรคndern ein wichtiger Schritt fรผr die Branche, aber auch fรผr unsere ehrlichen Fahrgรคste. Denn diese Kunden zahlen mit ihren Tickets fรผr den entstandenen Schaden mit.โ
Die Kontrollen der LVB bestรคtigen diese Sichtweise nicht wirklich. Zwischen 3,4 und 5,4 Prozent bewegte sich die Zahl der Fahrgรคste, die bei nรคchtlichen Kontrollen in Bussen und Bahnen in Leipzig erwischt wurden. Tagsรผber war die Zahl deutlich geringer. Und mit 60 Euro liegt das Buรgeld nach wie vor โ oder schon wieder โ unter einigen Monatstarifen. Das alte Ungleichgewicht zwischen Fahrpreis und Buรgeld ist also auch wieder das neue. Und die Zahl der ohne Ticket erwischten Passagiere einfach hochzurechnen und daraus einen Einnahmeverlust von 250 Millionen Euro zu errechnen, ist schon akrobatisch und wรผrde am Ende nur Sinn machen, wenn man auch die Einnahmeverluste durch defekte Fahrscheinautomaten, ausfallende Bahnen und Busse, fehlende Angebote am Wochenende und am Abend ausrechnen wรผrde, ganz zu schweigen von Einnahmeausfรคllen durch unรผbersichtliche Tarifsysteme, die nur aus Sicht der Tariferfinder einfach und barrierefrei sind.
In den nรคchsten Tagen werden also die Straรenbahnbekleber der LVB neue Spaรmacher in den Innenraum der Fahrzeuge anbringen nach dem Motto โHรผbsches Errรถten kostet bei uns jetzt 60 Euroโ oder โGute Ausreden sind bei uns jetzt 20 Euro teurerโ.
Erstaunlicherweise seit 2012 nicht mehr gesehen wurde der hรผbsche Aufkleber: โWer hofft, dass eine Privatisierung das Ticket abschafft, hat sich verspekuliert.โ Irgendwie waren diese Aufkleber ja noch ein Auslรคufer der mit harten Bandagen gefรผhrten Auseinandersetzung um die neuerliche Auftragsvergabe der Leipziger Verkehrsleistungen an die LVB 2008, eine Debatte, in der einige Teilnehmer durchaus behaupteten, ein privater Anbieter kรถnne den รPNV in Leipzig fรผr weniger Geld hinkriegen.
Wรผrde er wahrscheinlich โ mit einem deutlich eingeschrรคnkten Angebot. Die Versprechen, eine รถffentliche Dienstleistung kรถnnte privat billiger erledigt werden, entpuppen sich in der Regel immer als falsche Versprechen. Mal ganz davon abgesehen davon, dass die LVB selbst mit harten Bandagen versuchen, die Kosten zu drรผcken โ was sich einige Fahrer jetzt nicht mehr gefallen lassen wollen. รPNV hat seinen Preis. Und er ist, wenn man ihn wirklich ehrlich berechnet, auch nicht zu teuer.
Und wenn die LVB ehrlich mit sich sind, wissen sie auch, dass sie bei ihren Kontrollen meistens Leute erwischen, die gar nicht wissen, wie ihnen passiert und mit einer hรถflichen Nachlรถsegebรผhr hundert Mal ehrlicher bedient wรคren als mit dem bรผrokratischen Eiertanz, den sie mit dem โErhรถhten Befรถrderungsentgeltโ verpasst bekommen. Ob das die Akzeptanz des Dienstleisters und seiner Angebote erhรถht, darf bezweifelt werden.
Und die anderen Ertappten werden auch weiterhin schwarzfahren, auch wenn sie schon zehn Mal erwischt wurden. Daran werden weder 40 noch 60 Euro etwas รคndern. Auรer dass die Kontrolleure vielleicht besser bezahlt werden fรผr ihren harten Job.
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Es gibt 3 Kommentare
Nix seltsam.
Wer mit Fahrrad unterwegs ist, benutzt allenfalls die S-Bahn (und das sieht man auch รผberdeutlichst). Bei den LVB fahren kaum Radler mit, auรer abends die Studenten, weil es fรผr sie im Semesterticket enthalten ist.
Im Artikel geht es aber um die LVB, und da ist die Meinung von LVB-Nutzern interessant, nicht die von Fahrradfahrern, weil die Schnittmenge sehr klein ist.
Ich bin intensiver รPNV-Nutzer und weiร, wovon ich schreibe, und bleibe dabei, dass Lizzy mal hรคufiger mit den LVB fahren sollte.
Das Schรถnreden des LVB-Angebots sollte sie der LVZ und den nicht-linken Stadtratsmitgliedern รผberlassen.
Seltsam. Bei der L-IZ fรคhrt der รผberwiegende Teil der Redaktion Bahn und Rad?
(Man merkt in vielen Artikeln, dass Lizzy nicht besonders oft mit den LVB fรคhrt.)
Ohne Zuschรผsse lรคsst sich kein รPNV betreiben. Die Scheidelinie verlรคuft hier nicht zwischen Privat und รffentlich, sondern eher zwischen Fรคhig und Weniger Fรคhig.
Die LVB gehรถren zur zweiten Gruppe und haben die Auftragsvergabe (eigentlich geht es um eine Betrauung) nur deswegen gewonnen, weil die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung umgangen wurde und die LVB sich zudem zum Billigheimer in puncto รถffentlicher Bezuschussung gemachten, worauf sie erst neulich noch ganz stolz waren.