Wenn die Bundesregierung in den wichtigsten Zukunftsthemen der Republik bremst, was kann man da tun? Abwarten, Hände in den Schoß legen und auf ein paar Förder-Euro hoffen? Das geht eigentlich nicht mehr. Das Verkehrsverhalten in Leipzig ändert sich längst. Doch die, die eigentlich vorneweg düsen sollten, werden ausgebremst. Höchste Zeit, aus Leipzig eine „Stadt für intelligente Mobilität“ zu machen.

Diesmal stammt die Vorlage nicht aus dem Baudezernat, wo im letzten Jahr besonders engagiert für einen moderneren, umweltfreundlicheren Verkehr gekämpft wurde – bekanntlich ja gegen heftigste Widerstände. Diesmal meldet sich das Wirtschaftsdezernat zu Wort mit einer Vorlage, die im September im Fachausschuss Finanzen auf dem Tisch liegt  und im Herbst möglicherweise noch zur Beschlussfassung im Stadtrat landet. Es geht um nichts Geringeres, als einem modernen, umweltfreundlichen Verkehr in Leipzig endlich freie Bahn zu schaffen. Da geht es nicht mehr nur um 25 Mobilitätsstationen, die am 1. August nun alle in Betrieb gehen sollen und vor allem das Teilen von Fahrzeugen zum Inhalt haben.

Es geht darum, die seit Jahren in Leipzig initiierten Projekte für umweltfreundliche Fahrzeuge zu bündeln und daraus endlich mal ein Projekt zu machen, das die Stadt verändert. Richtig verändert. Oder mit den Worten aus dem Wirtschaftsdezernat: “Die Ratsversammlung spricht sich vor diesem Hintergrund dafür aus, Leipzig zur ‘Stadt für intelligente Mobilität’ weiter zu entwickeln. Die Mobilität der Zukunft – abgasarm, leise, effizient, elektrisch, intermodal und wirtschaftlich nachhaltig – gilt es im gesamten Stadtgebiet schrittweise zu integrieren.”

Beschlossen werden soll: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dass – unter Einbeziehung kommunaler Betriebe und Unternehmen, insbesondere des LVV-Konzerns – noch in diesem Jahr ein Maßnahmen- und Umsetzungskonzept erarbeitet wird, mit dem das angestrebte Ziel (…) möglichst frühzeitig erreicht werden kann. Dabei sind auch Beiträge der privaten Wirtschaft zu berücksichtigen und ausdrücklich erwünscht. – Das Maßnahmen- und Umsetzungskonzept ist der Ratsversammlung spätestens im ersten Halbjahr 2016 vorzulegen.”

Im Grunde stellt der vorletzte Satz die Sache auf den Kopf. Denn die Initiative geht mittlerweile von der “privaten Wirtschaft” aus. Das erwähnt die Vorlage auch, wenn sie auf einen zwar erstaunlich stillen, aber wichtigen Vorgang innerhalb des Netzwerks Energie & Umwelt (NEU e.V.) eingeht. Das hat sich 2011 in Leipzig gegründet und seitdem eigentlich in lauter Fleißarbeit alle Institutionen und Unternehmen aus Leipzig eingesammelt, die sich mit modernen Energie- und Umwelttechniken beschäftigen. Denn neue Technologien sind auch immer neue Geschäftsfelder, neue Arbeitsplätze, neue Steuereinnahmen …

Aber sie haben alle zu kämpfen. Mal ist es eine knausrige Landespolitik, oft ist es aber auch das blanke Geld, das fehlt, um ein Projekt endlich sinnvoll umzusetzen. Oder die Strategie, die Vision, das Konzept.

Die Elektromobilität ist das beste Beispiel dafür. Selbst wenn jedes einzelne neue Elektrofahrzeug in der Stadt mit Blasmusik begrüßt werden würde, würde es an vielen Tagen verdammt still sein.

Für die Leipziger Stadtverwaltung listet die Vorlage die hübsche, aber auch doch etwas magere Bilanz auf: “Zusammenfassend wurden: 32 Elektrofahrzeuge beschafft, 19 Fahrzeuge vermittelt, 54 Ladestationen (7 öffentliche, 24 halböffentliche und 23 private) mit 139 Ladepunkten an 39 Standorten in und um Leipzig errichtet. Alle Elektrofahrzeuge fuhren bisher 380.000 km und konnten somit 57 t CO2 einsparen (Stand: März 2015).”

Was für ein lächerlicher Wert das für runde vier Jahre ist, zeigt der Blick auf das jüngst beendete Stadtradeln 2015, wo über 1 Million Kilometer in zwei Wochen zusammenkamen. Natürlich mit mehr Teilnehmern. Aber natürlich geht es auch darum. Eine Vorzeigeflotte allein macht noch keinen Wandel im Verkehr. Der passiert erst, wenn die Infrastrukturen für den Wandel auch akzeptiert und genutzt werden – und wenn nicht nur dutzende, sondern tausende Leipziger ihre Motorenart wechseln. 20.000 zum Beispiel.

Wer jetzt mit der Stadt zusammen den Wandel zu einer intelligenten Verkehrsstadt vorantreiben will, benennt die Vorlage recht genau: “Im Juni 2015 wurde eine e-Allianz von Standort prägenden Unternehmen mit dem Ziel gegründet, gemeinsame Interessen bei der Entwicklung intelligenter e-Mobilität in Leipzig zu bündeln. Es ist nun geplant, die e-Allianz um weitere Unternehmen, Unterstützer und Akteure zu erweitern, um den Status Quo bisheriger Aktivitäten transparent zu machen, Bedarfe zu ermitteln, Realisierungsoptionen und Umsetzungsvorschläge zu diskutieren. Dieser Prozess soll kurzfristig in einem Maßnahmen- und Umsetzungskonzept münden, welches die Aktivitäten der Verwaltung sowie der kommunalen und privaten Wirtschaft insgesamt auflistet und dem Stadtrat zum politischen Willensbildungsprozess im ersten Halbjahr 2016 vorgelegt wird.”

Tatsächlich handelt es sich um das neue Clusterteam „eMobilität“, das sich unter dem Dach des Leipziger Clusters Energie- & Umwelttechnik gegründet hat. “Die Gründung erfolgte u.a. vor dem Hintergrund der Bewerbung von Sachsen und Bayern als Schaufenster für Elektromobilität. Eine Million Elektrofahrzeuge sollen nach dem Willen der Bundesregierung bis 2020 auf Deutschlands Straßen fahren – heruntergebrochen auf die Bevölkerungszahl von Leipzig wären dies rund 20.000 Elektroautos”, heißt es dazu auf der Projektseite des NEU e.V.

„Die Ziele des Clustersteams eMobilität sind vielschichtig und eine Kombination aus der Generierung von Wertschöpfung in der Stadt, der Förderung innovativer Ideen sowie dem Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte dazu Christian Grötsch, der als künftiger Leiter das Clusterteam leiten wird und auch für die Landesvertretung Mitteldeutschland des Bundesverbandes eMobilität e.V. tätig ist.

Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn die Leipziger mitgenommen werden und das Projekt einer verkehrsintelligenten Stadt als das ihre akzeptieren. Also braucht es auch hier ein sinnvolles Beteiligungsverfahren, das Anfang 2016 dann auch durchdekliniert sein soll. In der Vorlage wird es so beschrieben: “Ziel des Mitwirkungs- und Beteiligungsverfahrens sind konkrete Handlungsvereinbarungen von Wirtschaft, Verwaltung und Politik sowie die Erhöhung der Akzeptanz innerhalb der Bürgerschaft. Das Mitwirkungs- und Beteiligungsverfahren soll unter Federführung des Dezernates Wirtschaft und Arbeit sowie der LVV mbH mit externer Moderation stattfinden. Sofern Maßnahmen zur Umsetzung der Zielstellung den LVV-Konzern betreffen, müssen sich diese an dessen finanzieller Leistungsfähigkeit, den Eigentümerzielen und der Daseinsfürsorge orientieren.”

Die Vorlage zur “Stadt für intelligente Mobilität”.

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