LeserclubLangsamfahrstellen künden im Leipziger Schienennetz von Problemstellen. Manchmal sind es Gleis- und Straßenabschnitte, die dringend saniert werden müssen. Manchmal ist auch die Hitze schuld, wie wir gestern berichteten. Aber manchmal gibt es auch Abschnitte, da fragt sich der Straßenbahnnutzer: Ja, warum schleichen wir denn hier? Wie in der Kurt-Schumacher-Straße. Das ist die Straße westlich vom Hauptbahnhof, teilweise Abstellplatz für Busse und Straßenbahnen.

Kurz vor der Berliner Straße gibt’s eine Wendeschleife. Und oft fahren die Bahnen schon hundert Meter vor der Ampel an der Berliner Straße im Schneckentempo, um dann trotzdem bei Rot halten zu müssen. Ist das nun eine Langsamfahrstrecke?

Der Eindruck täuscht, teilen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) mit, es ist keine. Zumindest nicht in dieser Richtung zum Wilhelm-Liebknecht-Platz. Andersherum schon.

“Eine Langsamfahrstelle in stadtauswärtiger Richtung (wie angegeben) ist uns nicht bekannt”, erklärt Marc Backhaus, Pressesprecher der LVB, auf Nachfrage. “In der Gegenrichtung (stadteinwärts) gibt es derzeit jedoch zwischen Berliner Straße und Überfahrt vom Hauptbahnhof Westseite tatsächlich eine Herabsetzung der Geschwindigkeit aufgrund des Gleiszustandes. Hier hat sich das Gleis an einer Stelle gelockert. Um eine weitere Ausbreitung des Schadens – und damit die Reparaturkosten – möglichst gering zu halten, wurde hier die Überfahrgeschwindigkeit verringert.”

Das Gleis ist 16 Jahre alt, aber mit den Linien 9, 10 und 11 (und aktuell auch mal wieder der 1) stark befahren. Aber eine Reparatur hat nicht auch noch in das dicht gepackte Sommerferienbauprogramm der LVB gepasst.

Wann also wird es in Ordnung gebracht?

Marc Backhaus: “Die Beseitigung dieser Einschränkung ist in den verkehrsärmeren Oktoberferien in diesem Jahr eingeplant.”

Schön. Aber die Straße ähnelt ja auch eher einem ausgelagerten Straßenbahnrangierbahnhof. Viele Leipziger kommen hier auch mit dem Fahrrad lang und fahren in einem mehr als abenteuerlichen Hindernis-Parcours zwischen Straßenbahnen und Bussen hindurch. Von der Überfahrt auf der Westseite des Hauptbahnhofs ganz zu schweigen, wo immer wieder Pkw mit Straßenbahnen kollidieren, weil es schlicht keine Übersicht gibt, wer hier nun eigentlich aus welcher Richtung kommt. Eigentlich eine Straßenkonstruktion, die regelrecht verboten wirkt. Haben die LVB eigentlich vor, dieses Chaos irgendwann zu entschärfen und die Straße umzubauen?

Nein, teilt Marc Backhaus mit: “Für den Umbau bzw. eine Neuordnung der gesamten Gleisanlagen in der Kurt-Schumacher-Straße gibt es noch keine Planung und auch keinen Realisierungstermin. Die jetzigen Gleisanlagen wurden im Jahre 1999 errichtet und haben das Ende ihrer Nutzungsdauer noch nicht erreicht.”

Also kümmern wir uns an anderer Stelle weiter um das Thema. Denn sinnvoll geplant wurde hier 1999 ganz bestimmt nicht.

Dafür bauen die LVB so langsam – gerade mit größeren Straßenprojekten wie jetzt in der “KarLi” –  die Langsamfahrstrecken in ihrem Gleisbett ab. 2013 meldete das Leipziger Verkehrsunternehmen noch 17 Kilometer Strecke mit Langsamfahrstellen. Das ist deutlich weniger geworden.

Zum jetzigen Stand erklärt Marc Backhaus: “Insgesamt haben wir aktuell eine Summe von zirka 11,8 km zustandsbedingten Langsamfahrstellen (LFS). Teilweise nur punktuell, teilweise länger. Das entspricht bei unserer Netzlänge einer Quote von zirka 2,5 %. Damit liegen wir im Bundesdurchschnitt.”

Dabei ist Langsamfahrstelle nicht gleich Langsamfahrstelle. Unterschieden wird nach der erlaubten Höchstgeschwindigkeit für die Fahrzeuge der LVB von 10, 15, 20 oder 30 km/h. Reduzierungen von Geschwindigkeiten werden mitunter dort, wo sie geringe Auswirkungen auf den Fahrbetrieb haben, steuernd eingesetzt, um die Lebensdauer der Anlagen im Restnutzungsbereich zu erhöhen. Womit man wieder beim Sanierungsprogramm der LVB wäre. Wenn eine wichtige Straße nicht zeitnah saniert oder gar komplett erneuert werden kann, muss versucht werden, auf diese Weise die Funktionsfähigkeit des Gleisabschnitts bis zum Tag des Umbaus zu erhalten.

Für den Fahrbetrieb von Bedeutung sind im Moment derzeit nur drei Abschnitte, die aber im Fokus der Sanierung stehen, betont Marc Backhaus.

Das eine ist der genannte stadtwärtige Abschnitt in der Kurt-Schumacher-Straße, weil dort besonders viele und vor allem wichtige Linien betroffen sind. Die Instandhaltung in den Oktoberferien soll rund 700.000 Euro Kosten.

Eine Straßenbahn biegt in die Langsamfahrstrecke in der Goethestraße ein.  Foto: Ralf Julke
Eine Straßenbahn biegt in die Langsamfahrstrecke in der Goethestraße ein. Foto: Ralf Julke

Ebenso wichtig ist die Goethestraße – auch dort ist ein ganzes Bündel von Linien betroffen. Die geplante Investition in die Gleiserneuerung ist für 2016 geplant. Das Ganze soll 1,5 Millionen Euro kosten.

Ein anderer Langsamfahrabschnitt befindet sich etwas weiter draußen in der Heiterblickallee in Paunsdorf-Nord, ein richtig langer Abschnitt, den die Leipziger Verkehrsbetriebe auch noch 2016 in Angriff nehmen wollen.

“Da wir uns mit den Investitionen im städtischen Verkehrsraum bewegen, koordinieren wir unsere Maßnahmen nicht nur mit dem Verkehrs- und Tiefbauamt, sondern auch mit den Kommunalen Wasserwerken Leipzig und den Stadtwerken Leipzig”, betont Marc Backhaus. Denn wenn unterschiedliche Unternehmen ihre Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen bündeln, verringern sich logischerweise die Sperrzeiten für den Verkehr. In einer Baustelle können unterschiedliche Modernisierungen “in einem Abwasch” abgearbeitet werden.

“Dazu existiert ein eingespielter Prozess, der es ermöglicht, nicht nur die Gesamtschau über alle Maßnahmen zu bekommen, sondern auch die in den jeweiligen Unternehmen/im Amt erforderlichen Investitionsmittel zu steuern”, sagt Backhaus. “Dabei kann es passieren, dass Maßnahmen auch mal zeitlich nach hinten geschoben werden müssen. Damit dann keine unvorhergesehenen Störungen eintreten, hilft eine Langsamfahrstelle dabei, dass die Anlagen im Ausnahmefall auch mal ein Jahr länger halten. Gleichzeitig sind wir mit dem Fördermittelgeber ständig im Gespräch, um das hohe Investitionsvolumen aufrecht zu halten.”

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