Immer wieder geriet die Mitteldeutsche S-Bahn in letzter Zeit in die Schlagzeilen, weil die Kapazitäten insbesondere auf der stark genutzten Strecke Halle-Leipzig nicht ausreichen. Am Mittwoch erst musste eine S3 geräumt werden, weil zu viele Fahrräder den Gang versperrten. Und weil die Bahn mit einem Triebwagen zu wenig unterwegs war. Nun prasseln aber auch gleich die Lösungsvorschläge in die Welt.
Am Freitag, 12. Juni, präsentierte die LVZ schon mal einen unfertigen Gedanken aus dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV), der für das S-Bahn-Netz zwar nicht zuständig ist – aber ein Teil der Tickets im MDV berechtigt auch zum Benutzen der S-Bahnen. Man könnte ja Tickets für die Fahrräder einführen, ist so eine Überlegung aus dem MDV. Zitat LVZ: “Der Mitteldeutsche Verkehrsverbund prüft ‘verschiedene Lösungsansätze’. Dazu würden auch eine kostenpflichtige Fahrradmitnahme sowie Sperrzeiten für die Fahrradmitnahme gehören, sagt Geschäftsführer Steffen Lehmann.”
Überschrift LVZ: “S-Bahn-Kollaps: Ruf nach zusätzlichen Zügen wird lauter / Sperrzeiten für Fahrradmitnahme und ein Fahrrad-Ticket im Gespräch”.
Die zusätzlichen S-Bahnen resultieren aus der Analyse des Fahrgastverbandes Pro Bahn, der die Einstellung des Zweckverbands Nahverkehr Leipzig (ZVNL) nicht teilt, die Bahn müsste nur alle vorhandenen S-Bahn-Züge auch einsetzen, dann gäbe es keine Engpässe mehr. Nach Einschätzung von Pro Bahn wurden zu wenige Fahrzeuge bestellt. Und sie fehlen vor allem auf der stark genutzten Verbindung Leipzig-Halle.
Dass jetzt der MDV darüber nachdenkt, die Fahrgäste dafür zahlen zu lassen, dass das ganze System zu klein dimensioniert wurde, stößt bei den Leipziger Grünen schlicht auf Unverständnis. Angesichts der Probleme bei der Fahrtgastbeförderung auf der S-Bahn-Strecke Leipzig-Halle fordern sie einen Krisengipfel und fordern die beteiligten Zweckverbände sowie die Bahn AG dazu auf, die Schuldzuweisungen möglichst schnell zu beenden und konstruktiv an einer Lösung im Sinne aller Fahrgäste zu arbeiten.
„Nicht die mitgenommenen Fahrräder sind das Problem, sondern eine völlig unzureichende Bereitstellung von Fahrzeugen auf dieser Strecke“, erklärt dazu Lorenz Bücklein, Vorstandssprecher von Bündnis 90 / Die Grünen Leipzig. Der große Erfolg des S-Bahnnetzes sorge in stark frequentierten Zügen schon alleine durch die hohe Zahl an Berufspendelnden, Reisenden mit Gepäck oder Kinderwägen für mehr als beengte Verhältnisse. „Deshalb kann es nicht sein, dass hier ein Streit auf dem Rücken einzelner Fahrgäste geführt wird. Im Sinne eines starken SPNV in der Metropolregion Leipzig-Halle appelliere ich deshalb an die Entscheidungsträger, auf einem Krisengipfel alle Möglichkeiten einer Kapazitätsausweitung auszuloten.“
Ist natürlich die Frage: Ist ein starker SPNV überhaupt gewollt? Auch der Freistaat Sachsen bremst, wenn man die Auskunft des ZVNL in der LVZ so interpretieren will. Geld für zusätzliche Fahrzeuge ist nicht da.
Aber nun die Fahrgäste in der S-Bahn genauso für die Fahrradmitnahme zahlen zu lassen, wie das bei den Straßenbahnen der LVB schon längst die Norm ist, finden die Grünen regelrecht kontraproduktiv.
Die Verkehrsträger müssten endlich Konsequenzen aus der Einführung des Semestertickets ziehen, stellen sie fest. Denn erst im vergangenen Sommer hatte der MDV gejubelt darüber, dass nun auch die Studierenden der Uni Leipzig das MDV-Semesterticket gewählt haben, mit dem sie auch das S-Bahn-Netz nutzen dürfen. Und das schließt – wie bei den Bussen und Straßenbahnen der LVB – für die Studis die kostenlose Mitnahme der Fahrräder mit ein.
“Wer A sagt, muss auch B sagen. Gerade die zahlreichen Studierenden im Universitätsverbund Leipzig/Halle haben durch die Ausweitung des Semestertickets ein Anrecht auf die Bereitstellung einer funktionierenden Infrastruktur“, stellt Bücklein klar, der als Pendler diese Strecke selbst mehrmals die Woche nutzt. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Stellschrauben für mehr Kapazitäten gibt. Ein kurzfristiger Lösungsansatz kann die Weiterführung der Linie S5 bis Halle sein.“
Diesen Vorschlag hat der Ökolöwe gemacht und dabei auch sein Verwundern darüber deutlich gemacht, dass die S5 in der Regel am Flughafen Leipzig / Halle endet und dort 45 Minuten lang sinnlos herumsteht, obwohl mit der S5 und der S3 ein regelmäßiger Halbstunden-Takt zwischen Halle und Leipzig hergestellt werden könnte. Aber es sind die behördlichen Instanzen, die hier mauern und sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Man ahnt nur, warum: Der ZVNL müsste nämlich zusätzliche Zugkilometer bestellen. Aber dazu braucht er mehr Geld – aber (siehe oben) der Freistaat Sachsen gibt nicht mehr Geld. Das muss sich auch der aktuelle Verkehrsminister ins Tagebuch schreiben lasen. Er kann das Thema Regionalverkehr nicht mehr in die Schuhe seines Amtsvorgängers schieben. Das ist jetzt sein Job.
Die nun vom MDV ins Gespräch gebrachte Einführung von Fahrradtickets lehnen die Leipziger Grünen ab.
„Eine Abschaffung der kostenfreien Fahrradmitnahme wäre ein fatales Signal für den öffentlichen Nahverkehr“, sagt Tobias Peter, Sprecher der AG Stadtentwicklung und Mobilität des Grünen Kreisverbands. Mit der kostenlosen Fahrradmitnahme besitze der MDV einen wirkungsvollen Ansatz zur Verzahnung einzelner Mobilitätsträger. Das sei die Hauptvoraussetzung für eine moderne und funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur, die sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Menschen orientiere.
„Viele Berufspendler können auf die Mitnahme eines Fahrrads nicht verzichten, da die einzelnen Stationen zum Teil schlecht an den ÖPNV angebunden sind”, betont Peter das dahinter schlummernde Dilemma eines streckenweise heruntergesparten ÖPNV. “Die einzige Alternative wäre für Viele nur das Auto. Damit wäre die Rückkehr zum Fahrradticket ein klassisches Eigentor“, findet Peter.
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