Straßenbahn 9 – ja oder nein? So die Frage, die seit Monaten nicht nur die Markkleeberger beschäftigt. Auch viele Leipziger sind an einer guten Anbindung an die Seenregion im Leipziger Südraum interessiert. Die Verkehrsplaner des MDV stellten am Mittwochabend im Markkleeberger Rathaus verschiedene Verkehrskonzepte und ihre favorisierte Lösung vor - für die einen eine „Sensation“, ein „Paradigmenwechsel im ÖPNV“ - für andere nicht die optimale Lösung und kritikwürdig.
Mit der vom Landkreis Leipzig und der Stadt Markkleeberg beauftragten Untersuchung sollten im Verlauf des vergangenen Jahres Möglichkeiten gefunden werden, wie die Qualität des ÖPNV in Markkleeberg und in der Region verbessert werden kann, damit mehr Menschen mit Bus und Bahn fahren. Die Markkleeberger Stadtteile und die im Umkreis befindlichen touristischen Ziele sollten besser miteinander verbunden werden. Das alles unter Berücksichtigung der politischen und finanziellen Rahmenbedingungen, den Gegebenheiten vor Ort und den Bedürfnissen der Fahrgäste.
Die aktuelle Situation
Um den Ist-Zustand festzustellen, wurden die derzeitigen Verkehrsverbindungen mit ihren Taktzeiten in einer Karte dargestellt und Fahrgastzahlen der vergangenen Jahre ausgewertet.
Im März 2014 fand in Markkleeberg eine Haushaltsbefragung statt. 1020 Haushalte nutzten die Möglichkeit, ihre Wünsche und Kritiken zum derzeitigen ÖPNV-Angebot zu äußern. Im April 2014 führte der MDV zusätzlich Fahrgastbefragungen in den Buslinien 107 und 108 durch. Eines der wichtigsten Kriterien war die Ermittlung der Fahrgastzahlen: Mit der Einführung des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes im Dezember 2013 kam es zu enormen Verschiebungen in den Fahrgastzahlen. Immer mehr Markkleeberger nutzen für ihre Fahrten Richtung Leipzig die neuen S-Bahnlinien, der Straßenbahnlinie 9 gingen damit je nach Wochentag zwischen 25 und 32 Prozent der Fahrgäste verloren. Und dieser Fahrgastrückgang war ein weiterer Anlass, die Wirtschaftlichkeit der Linie 9 – aktuell wieder – in Frage zu stellen.
Das derzeitige ÖPNV-Angebot: Markkleeberg wird von der S-Bahn S2, S4, S5 und S5X (Haltepunkte Nord, Mitte, Großstädteln, Gaschwitz), den Straßenbahnlinien 9 und 11 und den Buslinien 65, 100, 107 und 108 bedient. In den Sommermonaten kommt die Linie 79 zum Cospudener See hinzu. Im Osten Markkleebergs verbinden die Linien 141, 143 und 172 die südöstlichen Leipziger Stadtteile (Probstheida, Meusdorf) mit dem Umland (Störmthal, Liebertwolkwitz) und binden im Verlauf der Linienführung das Gewerbegebiet Wachau und Auenhain (Kanupark Markkleeberg) an der Ostseite des Markkleeberger Sees mit ein.
Die Darstellung dieser Linien mit deren Haltestellen in einer Karte ergab ein ziemlich klares Bild: Viele Stadtgebiete sind schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, die Haltestellen entlang der Straßenbahn- und Buslinien befinden sich außerhalb des von den Markkleebergern angenommenen und akzeptierten fußläufigen Bereiches. Diese Erschließungsdefizite vor allem in Oetzsch, Markkleeberg-Ost, Zöbigker und Großstädteln/Gaschwitz führen dazu, dass die Menschen weniger den ÖPNV nutzen und in der Folge doch lieber ins eigene Auto steigen.
Diese Probleme verstärken sich aufgrund der schlechten Taktzeiten vor allem in den Abendstunden und an den Wochenenden. Hier wurden am ehesten die Defizite im aktuellen ÖPNV-Netz sichtbar.
In den Befragungen haben die Befragten klar geäußert, dass sie mit der Erreichbarkeit der Seen und der Einkaufsmöglichkeiten nicht zufrieden sind.
Ableitungen aus den Befragungen und den vorliegenden Zahlen
- Erhöhung der Fahrtenhäufigkeit am Abend und am Wochenende
- Optimierung der Linienführung
- ÖPNV-Bedienung in derzeit nicht erschlossenen Gebieten
- Verbesserung der Erreichbarkeit (Wasserturmsiedlung, Markkleeberg-Ost, Wachau, Auenhain, Gewerbegebiete u. Einkaufscenter sowie Anbindung der Seen)
- Schaffung einer Querverbindung von Mkkl.-Ost nach Mkkl.-West
- Optimierung der Anschlüsse zwischen den Verkehrsträgern (S-Bahn, Tram, Bus)
Im Abgleich mit den von den Bürgern in den Befragungen geäußerten Wünschen und Anforderungen wurden die positiv bewerteten Merkmale der einzelnen untersuchten fünf Varianten in einer jetzt vorgestellten und empfohlenen Variante für das ÖPNV-Konzept Markkleeberg zusammengefasst.
Der favorisierte Vorschlag der Verkehrsplaner
S-Bahn S3: Ab Dezember 2015 wird die Linienführung der Mitteldeutschen S-Bahn verändert. Linie S4 wird in Markkleeberg nicht mehr halten. Mit dem Fahrplanwechsel wird die Linie S3 zwischen Halle (Saale) und Geithain/Borna mit sechs statt bisher fünf Fahrten pro Stunde und Richtung verkehren.
Die Buslinie 70 ersetzt mit gleichem Streckenverlauf im gleichen Takt die Straßenbahnlinie 9.
Die Buslinien 65, 79, 100, 141, 143, 172 sowie die Nachtlinie N9 verkehren unverändert.
Die neue „Stadtbus“-Linie 106 verbindet die Markkleeberger Stadtteile und die touristischen Ziele der Region miteinander und verkehrt im 30-Minuten-Takt zwischen Großstädteln – Zöbigker (Hafen) – Eulenberg – Gautzscher Platz – S-Bf. Markkleeberg – Seenallee – Seepromenade – Goldene Höhe –Wachau und von Wachau aus alle 60 Minuten abwechselnd nach Probstheida bzw. Auenhain, Kanupark.
Die Linie 107 erhält eine veränderte Linienführung und verkehrt im 60-Minuten-Takt von Zwenkau – Städtelner Str. – S.-Bf. Markkleeberg – Leipzig , Connewitz Kreuz.
Linie 108 fährt nicht mehr die bisherige Strecke durch Markkleeberg, sondern verkehrt im 60-Minuten-Takt von Probstheida – GWG Wachau – Leinestr. – Markkleeberg Nord – S-Bf. Markkleeberg.
Vorteile und Potenziale
Mit dieser Vorzugsvariante werden durch veränderte Linienführungen die Erschließungsdefizite deutlich verringert, durch besser abgestimmte Taktzeiten im regionalen ÖPNV kann die Attraktivität für die Fahrgäste erhöht werden. Durch die neu geplante Buslinie 106 als Ost-West-Verbindung werden im 30-Minuten-Takt die Markkleeberger Stadtteile, die touristischen Ziele an den Seen und die Einkaufscenter der Region besser miteinander verbunden – auch und vor allem an den Wochenenden.
Eines der Ziele der Verkehrsplaner war es, das ÖPNV-Angebot für die Fahrgäste bei Einhaltung des bestehenden Kostenrahmens zu optimieren. Die Planer kalkulierten mit Kosten pro gefahrenem Kilometer in Höhe von 6,00 Euro (Straßenbahn) und 2,20 Euro (Busse). So wurden wöchentliche Kosten in Höhe von knapp 50.000 Euro errechnet. Die durch den Wegfall der Straßenbahnlinie 9 gesunkenen Kosten ermöglichen sowohl den Ersatz durch die Buslinie 70 und zusätzliche die Einrichtung der Buslinie 106. Die Planer des MDV gehen in dieser Variante von Fahrgastzahl-Zuwächsen in Höhe von 6 Prozent aus. Die Fahrleistung der Busse und Bahnen steigt durch den Netzausbau und die höhere Taktdichte um 21 Prozent – bei gleichbleibenden Kosten. In Markkleeberg entstehen 15 neue Haltestellen. Auf Leipziger Stadtgebiet würden fünf neue Haltestellen gebaut werden müssen.
Der Weg zum jetzt vorgelegten Konzept: 5 Varianten in der Diskussion
Als Grundlage für die Planungen wurde das bestehende S-Bahn-Netz genommen. Darauf ausgerichtet wurden 5 Planungsvarianten für die angebundenen Straßenbahn- und Buslinien entwickelt. Darin wurden die verschiedenen Verkehrsmittel mit abweichenden Linienführungen untersucht.
Variante 1a (Beibehaltung der Straßenbahnlinie 9):
- Buslinie 65: Linienführung wird vom S-Bahnhof Markkleeberg über Hauptstraße, Seenallee, Markkleeberg-Ost, Seenpromenade Markkleeberger See und Wachau bis nach Auenhain/Kanupark verlängert
- Buslinie 108: fährt nicht mehr über Sonnesiedlung und Seenallee nach Großstädteln, sondern vom S-Bahnhof zum Th.-Körner-Platz nach Markkleeberg-West (Endhaltestelle 9), von dort die Wasserturmstraße entlang zum Einkaufscenter Marktkauf, zum Sportpark und weiter bis nach Großstädteln.
Variante 1b (Beibehaltung der Straßenbahnlinie 9):
- Anstelle der Buslinie 65 (Variante 1) wird die Buslinie 107 von Zwenkau kommend nach dem S-Bahnhof Markkleeberg bis zum Kanupark Markkleeberg in Auenhain verlängert. Die Anbindung der 107 zum Connewitzer Kreuz fällt weg.
- Buslinie 108: fährt nicht mehr über Sonnesiedlung und Seenallee nach Großstädteln, sondern vom S-Bahnhof zum Körner-Platz nach Markkleeberg-West (Endhaltestelle 9), von dort die Wasserturmstraße entlang zum Einkaufscenter Marktkauf, zum Sportpark und weiter bis nach Großstädteln.
Variante 2:
- Straßenbahnlinie 9 fällt weg. Dafür fährt der Bus 70 von Leipzig (Connewitz, Kreuz) kommend auf gleicher Linienführung mit gleichen Taktzeiten.
- Die Buslinien 65 und 107 behalten ihre jetzige Linienführung bis zum S-Bahnhof Markkleeberg, eine neue Buslinie 106 ergänzt das ÖPNV-Angebot und verbindet den S-Bahnhof mit Markkleeberg-Ost, Wachau und Auenhain/Kanupark.
- Buslinie 108: fährt nicht mehr über Sonnesiedlung und Seenallee nach Großstädteln, sondern vom S-Bahnhof zum Körner-Platz nach Markkleeberg-West (Endhaltestelle Bus 70), von dort die Wasserturmstraße entlang zum Einkaufscenter Marktkauf und zum Sportpark. Von dort aus mit der jetzigen Linienführung bis nach Großstädteln.
Variante 3:
- Straßenbahnlinie 9 fällt weg. Dafür fährt der Bus 70 von Leipzig (Connewitz, Kreuz) kommend auf gleicher Linienführung mit gleichen Taktzeiten.
- Buslinie 107: Die Route beginnt nicht in Leipzig am Connewitzer Kreuz, der Bus pendelt im 30-Minuten-Takt zwischen Markkleeberger S-Bahnhof und Großstädteln, ab dort im Stundentakt weiter bis nach Zwenkau.
- Der Verlauf der Buslinie 108 wird verändert. Sie verkehrt nur noch zwischen Leipzig-Probstheida und Gewerbegebiet Wachau. Markkleeberg wird nicht mehr angefahren.
- Die neue Buslinie 106 wird als Ersatz für diese wegfallende Ost-West-Verbindung geplant. Sie fährt im 30-Minuten-Takt vom S-Bahnhof Markkleeberg über Forsthaus Raschwitz, Sonnesiedlung, Markkleeberg-West, Wasserturmstraße, Großstädteln, Seenallee nach Markkleeberg-Ost bis nach Wachau. In Wachau teilt sich die Linie 106 in zwei Richtungen. Im Stundentakt fährt sie in die eine Richtung nach Auenhain zum Kanupark und in die andere Richtung nach Probstheida.
Variante 4:
- Straßenbahnlinie 9 fällt weg. Dafür fährt die Buslinie 107 im 10-Minuten-Takt vom Connewitzer Kreuz über Energiestraße, S-Bahnhof Markkleeberg, Ring bis zur Endhaltestelle am Theodor-Körner-Platz.
- Buslinie 107: Alle 30 Minuten fährt der Bus weiter bis nach Zöbigker und alle 60 Minuten nach Zwenkau. Neu für die Linie 107 ist, dass es eine neu zu errichtende Haltestelle direkt am Pier 1 geben wird. So ist der südliche Cospudener See besser als touristisches Ziel erschlossen.
- Die Buslinien 106 und 108 fahren wie in Variante 4.
Für jede dieser Varianten wurden die Kilometerleistungen für Bus und Straßenbahn ermittelt und die zu erreichenden Fahrgastzahlen prognostiziert. Im Ergebnis zeigten sich bei allen 5 Konzepten Vor- und Nachteile. In manchen Hochrechnungen ergaben sich sogar Fahrgastverluste von bis zu 8 Prozent im Gesamtsystem.
Offene Fragen der Anwohner
Nachdem MDV-Vertreter Ron Böhme den Anwesenden das erstellte Konzept vorgestellt hatte, konnten die Markkleeberger ihre Fragen äußern. Zuerst an vier im Raum verteilten kleineren Stationen, an denen vier MDV-Vertreter Rede und Antwort standen, anschließend wieder gemeinsam im Lindensaal. Hierbei spielten vor allem die folgenden Schwerpunkte eine Rolle:
Ist bei einem Ersatz der Straßenbahn durch einen Bus sichergestellt, dass alle Fahrgäste befördert werden können oder kommt es zu Engpässen?
Die anwesenden Planer von MDV und LVB versuchen zu beruhigen. In einer Straßenbahn finden 120 bis 130 Fahrgäste Platz, in einem Bus zwischen 60 und 70 Personen. Aufgrund der ermittelten zurückgegangenen Fahrgastzahlen (-25 bis -32 Prozent) in der vergangenen Zeit sei hier nicht mit Engpässen zu rechnen. Die Befürchtungen, dass vor allem im Berufsverkehr der Bus nicht reichen würde, könne man seitens des MDV nicht teilen. Man sichere zu, dass man die Auslastung genau beobachten und ggfs. nachbessern werde.
Noch nicht beantwortet werden konnten die Fragen, was passiert, wenn vor allem an den schönen Wochenenden viele Fahrgäste den Wildpark oder die im Südraum besser angebundenen Seen mit dem ÖPNV besuchen wollen und Fahrräder, Kinderwagen, usw. dabei haben. Sind die Busse in der Lage, diesen Bedarf zu decken oder müssen junge Eltern mehrere Busse vorbeifahren lassen, bis sie mitkommen? Was passiert bei Sonderveranstaltungen an den Seen?
Muss man befürchten, dass die Buslinie 70 eingestellt wird, wenn noch mehr Fahrgäste in der Zukunft die S-Bahn nutzen?
Markkleebergs OBM Karsten Schütze berichtet von seinen Gesprächen mit Vertretern der LVB und auch des Leipziger Stadtrates. Er habe keinesfalls den Eindruck, dass irgendjemand darüber nachdenkt. Ganz im Gegenteil: Man sei sehr daran interessiert, den Wildpark, das Forsthaus Raschwitz und das Wohngebiet Am Wolfswinkel (Leipziger Stadtgebiet) gut an das Leipziger ÖPNV-Netz anzubinden. Zumal auch den Leipzigern die mit dem neuen Konzept verbesserte Anbindung der Seen gefallen dürfte.
Ist die Buswendeschleife am Markkleeberger Bahnhof überhaupt in der Lage, die vielen Busse aufzunehmen?
Dies müsse von den Verkehrsplanern nochmals genauer geprüft und abgestimmt werden und sei erst mit der Fahrplangestaltung ab Dezember 2015 möglich.
Wie geht es mit der Linie 11 weiter?
OBM Schütze weist darauf hin, dass man in den Karten die Weiterführung der Linie 11 bis zum Markkleeberger See „als Option“ erhalten habe, vielleicht ergibt sich ja in den folgenden Jahren eine Verlängerung der bestehenden Linienführung. „Sicher nicht in den nächsten 5 Jahren, aber für die Zukunft …“
Was passiert dann beim Wegfall der Straßenbahn mit der Friedrich-Ebert-Straße?
Der Chef der Markkleeberger Stadtverwaltung erläutert den weiteren zeitlichen Ablauf. Wenn das in der Bürgerversammlung vorgeschlagene ÖPNV-Konzept bei den Verkehrsverbänden und im Kreistag Zustimmung findet und so beschlossen wird, könne mit der LVB über den schrittweisen Rückbau der Gleisanlagen verhandelt werden. Dies wird eine Aufgabe für die kommenden Jahre sein. Da durch die ausstehende Entscheidung zum lange diskutierten Wegfall der Straßenbahn der grundhafte Ausbau in der Fr.-Ebert-Straße verschoben wurde, müsse man jetzt dringend nach einer Lösung suchen. Aus seiner Sicht „sollte die Straße beim Rückbau und der Sanierung Priorität haben“. Vor Ort habe er sich selbst ein Bild davon machen können, wie hoch die Lärmbelastung für die Anwohner ist, wenn Pkw und Busse über die im Straßenbelag befindlichen Betonplatten fahren. Eine genaue Zeitplanung könne er aber – aus vorgenannten Gründen – noch nicht machen. Aber klar ist, dass ein Ausbau der Ebert-Straße ansteht, unabhängig von der jetzigen Entscheidung für den Wegfall der Straßenbahn. Bevor es losgeht, wird die Stadtverwaltung die Anwohner zu einem Info-Abend einladen und die geplanten Baumaßnahmen bekannt geben.
Meinungen zum neuen Konzept und zum Abend
Ron Böhme (Fachbereichsleiter Verkehrsplanung beim MDV) spricht beim Vorstellen des vorgeschlagenen Konzeptes von einer „Sensation für Markkleeberg und die Region“. MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann nennt es einen „Paradigmenwechsel im ÖPNV“.
Kritische Stimmen gab es von Seiten einiger Anwohner. Einige begannen ihre Fragen mit „Ein gutes Konzept, aber …“ Es ginge vor allem um die Lärmbelastung der Anwohner auf der Friedrich-Ebert-Straße. (Und immer klang auch die Befürchtung mit, wie stark man als Anlieger in Zukunft an den Kosten für die Sanierung der Straße beteiligt werden würde. Aber das ist ein anderes Thema, für das es zu gegebener Zeit eine eigene Infoveranstaltung geben wird.) Für einige kam das Konzept „20 Jahre zu spät“. Und andere wiederum würden am liebsten eine 14-Tage-Testphase machen, um sich davon zu überzeugen, ob das alles so funktioniert, was sich die Verkehrsplaner ausgedacht haben.
Sehr kritisch ist Carsten Schulze vom Fahrgastverband Pro Bahn e. V., Landesverband Mitteldeutschland, der an diesem Abend die Möglichkeit nutzte, seine Fragen in die Runde zu stellen. Er fände zwar einzelne Teile des vorgestellten Konzeptes durchaus sinnvoll, aber der große Wurf sei das alles in seinen Augen noch nicht. Viele Dinge seien unbedacht geblieben, nicht alle Alternativen bis ins letzte Detail geprüft. Ihn störe vor allem der Wegfall der Straßenbahnverbindung.
Markkleebergs OBM Karsten Schütze zeigt sich nach dem Abend sehr zufrieden – mit dem Konzept und mit der Info-Veranstaltung, bei der ihm vor allem die von den Bürgern an den vier im Raum verteilten Stationen geäußerten Fragen und die mit den MDV-Planern geführten Diskussionen gefallen haben. Alle seine Wünsche, vor allem die Verbindung innerhalb Markkleebergs und die Einbindung der touristischen Ziele im Neuseenland, konnten im neuen ÖPNV-Konzept berücksichtigt werden. Er sehe gute Chancen für eine positive Entwicklung für die Einwohner Markkleebergs und der Region. Nach dem Wechsel müsse man schauen, welche Bustypen die LVB einsetzen, um die von den Bürgern in der Diskussionsrunde angesprochenen übervollen Busse zu vermeiden, aber der Rückgang bei den Fahrgastzahlen sei da.
Was passiert bis zum Start im Dezember 2015?
Die Planer stellen in allen beteiligten Gremien und Stadträten ihr ÖPNV-Konzept vor. Der Kreistag wird über die Umsetzung beraten und beschließen. Die Verkehrsunternehmen (MDV, Regionalbus Leipzig und LVB) müssen Fahrzeuge anschaffen und einplanen, Fahrpläne erstellen und aufeinander abstimmen. Die Städte Markkleeberg und Leipzig müssen die 15 bzw. 5 neuen Haltestellen bauen. Ein straffer Zeitplan, um das alles bis zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2015 umzusetzen.
Es gibt 2 Kommentare
Wenn ich zum Shoppen nach Leipzig fahren möchte, brauche ich keine Buslinie von MKB-West nach MKB-Ost, sondern eine Straßenbahn (bzw. ein Bus), mit dem ich OHNE UMSTEIGEN IN DIE LEIPZIGER INNENSTADT komme.
Ich bin noch in der Lage, den Kilometer von meiner Wohnung zum S-Bahnhof zu laufen, wie sieht es mit
der Generation 60plus aus? Viele steigen dann lieber aufs Auto um, weil es einfacher ist.
Wenn ich nach 8-stündiger (stehender!) Arbeit nach Hause komme, zieht der Kilometer wie Kaugummi,
da der Anschluss nach MKB-West in den seltensten Fällen klappt.
Ich bin vor 10 Jahren nach MKB gezogen, weil ich mir ein Straßenbahnanschluss nach Leipzig wichtiger war als ein Auto.
Jetzt sollte ich wirklich mal darüber nachdenken mir ein Auto zuzulegen oder wieder nach Leipzig zu ziehen!
1. Man hat nicht vergessen, dass der hochweise Markkleeberger Stadtrat die Verlängerung der 11 abgelehnt hat, die von LVB und MDV für fast kostenlos (aufgrund möglicher Akquise von reichlichen Fördermitteln – gänzlich aus Eigenmitteln wird heutzutage auch gar nicht mehr gebaut). Vor diesem Hintergrund ist das “sicher nicht in den nächsten 5 Jahren” des OBM leichter zu verstehen.
2. Die Straßenbahn durch einen Bus zu ersetzen, ist ein Placebo. Man wird Fahrgäste verlieren. Das weiß man eigentlich schon seit 60 Jahren, aber man will hier immer noch alles besser wissen und auf keinen Fall auf gemachte Erfahrunge gebrauchter Großstädte zurückgreifen.
Ich hoffe sehr, dass dann wenigstens die Straßenbahnschienen liegen bleiben; leider kosten auch ruhende Schienen Unterhaltskosten, die die Verkehrplaner in den straßenbahnlosen Varianten sicher nicht eingerechnet haben. Wetten, dass eine Woche nach der Einkürzung der Linie 9 die Tramschienen an der bundesweit bekannten Kreuzung rausgerupft werden?
3. Man hat endlich nach fast zwei Jahren Betrieb eingesehen, dass die S-Bahn für den Stadtverkehr in Markkleeberg bislang überbewertet wurde. Man kommt von der Bahnstrecke ja nicht in die einzelnen Stadtteile hinaus. Das hätte man auch Jahre vorher wissen und zeitgleich mit der CTL-Eröffnung z.B. einfach nur die eine Stadtbuslinie 106 einrichten und fahren lassen können. Für S-Bahnen müssen Zubringerlinien eingerichtet werden, das kann man sich schon als Fahrgast irgendwie mal denken. Oder als absolutes Minimum wenigstens P+R-Plätze, die aber auch gescheit ausgeschildert werden und guten Zugang zum Bahnsteig bieten müssen.
Aber die LVB haben in Leipzig die Entwicklung in Sachen S-Bahn ebenfalls ganz tief verschlafen. Die Busnetzreform 2010 jedenfalls war definitiv nicht für den Tunnel gemacht worden. Das ist den damaligen Verlautbarungen zur Busnetzreform auch nicht zu entnehmen und wurde im aktuellen STEP 2014 nur schnell nachgeschoben. Aber kleine Lügen werden ja für normal gehalten und zur Selbstbeweihräucherung/Selbstreinwaschung verwendet. Dumm nur, dass interessierte Bürger auch solche Lügen aufdecken. Schade nur, dass deswegen keine Leute entlassen werden und man also mit der an den Haltestellen verbrachten Lebenszeit Tausender Menschen unverfroren umgehen kann.
4. Es hätte Carsten Schulze von Pro Bahn verdient, genauer wiedergegeben zu werden als mit derlei ziemlich lapidaren und eher möchtegernrenitenten Zitaten. Aber vermutlich war die Aufmerksamkeit (des Journalisten?) schon erheblich gesunken.
Einiges zum Thema Linie 9 ist hier nachzulesen:
http://www.nahverkehrsforumleipzig.de/index.php/topic,5036.0.html
5. Eine solche Verkehrsgestaltung kommt in der Tat 20 Jahre zu spät. Aber man wollte ja damals (=1995!) im gebrauchten Osten ja die West-Autos haben und erstmal tüchtig ausfahren. Die ganzen ÖPNV-Konzepte, die es im gebrauchten Westen schon gab, wurden ja als total “öko” verhöhnt. Ich wünschte mir, der Vorplatz des Leipziger Hauptbahnhofs quellte einmal so über vor lauter Fahrrädern wie ich es in Heidelberg 1995 gesehen habe.
6. Dass dieser mittelgroße Wurf, so wie in den Plänen dargestellt kommt, glaube ich nicht. Die Markkleeberger Politik hat sich noch bis vor kurzem gegen eine Ausweitung des ÖPNV heftig gewehrt. Nun werden sich Anwohner wehren und sicher auch die Autofahrer. Die haben ja schon Probleme mit einer Fußgängerzone, die keine hundert Meter lang sein wird…