Am Ende hat der Preis darüber entschieden, wer die nächsten Straßenbahnen für Leipzig bauen darf. Den Zuschlag erhielt am Ende eines zum Teil turbulenten Ausschreibungsverfahrens die polnische Solaris Bus & Coach S. A. Den Leipzigern ist Solaris schon ein Begriff: Die LVB fahren seit geraumer Zeit schon mit Solaris-Bussen. Aber Straßenbahnen? Auch das ist bei Solaris nicht ganz neu: Seut 2009 baut man welche.
Und da man Straßenbahnen in der Regel nicht nur für die eigene Stadt baut, hat Solaris auch schon einige Erfahrung in europäischen Ausschreibungsverfahren. Das Leipziger war eines. Denn am Ende geht es um ein Gesamtpaket von 100 Millionen Euro. Bis 2020 wollen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) endlich die alten Tatra-Straßenbahnen ablösen, die noch heute durch Leipzig rumpeln, obwohl ihr letztes Stündlein eigentlich schon 2012 hätte kommen sollen.
Aber die frühere Ablösung scheiterte – wie so oft in Leipzig – am lieben Geld.
Und dass es auch diesmal ums Geld gehen würde, war ebenso klar. “Wir wollten die europaweit beste Bahn zum besten Preis”, benannte Ulf Middelberg, der bei den LVB fürs Geld zuständige Geschäftsführer, am Donnerstag, 26. März, den Spagat. Immerhin drei Anbieter schafften es in diesem über ein Jahr laufenden Verfahren in die Endrunde, legten hochkarätige Bewerbungen vor. Darunter befand sich auch das Bombardier-Werk in Bautzen, mit dessen XXL-Fahrzeugen die LVB seit 2006 schon gute Erfahrungen gesammelt haben.
Doch ganz so groß (45 Meter lang) sollen die neuen Bahnen nicht werden, sondern nur 38 Meter und damit auch eine Lücke im Größensortiment der LVB schließen. Das wäre für die Straßenbahnbauer in Bautzen kein Problem gewesen. Ihre Flexity Class (zu der auch die Leipziger 12-Achser gehören) ist tatsächlich flexibel und in mehreren deutschen Großstädten unterwegs. Am Ende muss es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Bombardier und Solaris gegeben haben. Ihre Angebote waren – von der Erfüllung der Wünsche, die die LVB formuliert hatten – beide gleichwertig, bestätigt Ronald Juhrs, der fürs Technische zuständige Geschäftsführer der LVB.
Und Middelberg betont, man habe die Fairness des Vergabeverfahrens auch im Nachprüfungsverfahren durch die Vergabekammer Leipzig bestätigt bekommen. “Wir haben in allen Punkten grünes Licht für die Vergabe bekommen”, sagt er.
Da mit 100 Millionen Euro ein finanzieller Rahmen für die Beschaffung von 41 Fahrzeugen gesetzt war, war es am Ende nur noch der Preis, der über den Zuschlag entschied. Die nötige Kompetenz hat sich Solaris mittlerweile aufgebaut. Dass man in der eigenen Heimat schon gut unterwegs ist, ist auch in Poznan zu besichtigen, der Heimatstadt von Solaris (auch wenn die Firma ihren Sitz etwas außerhalb in Owinska hat). Aber auch deutsche Verkehrsunternehmen kaufen mittlerweile gern bei Solaris ein: In Jena rollen seit 2013 Tramino-Fahrzeuge aus Poznan, Braunschweig will in diesem Jahr die ersten Tramino-Bahnen aufs Gleis setzen.
Für die Leipziger Verkehrsbetriebe unterschrieben am Donnerstag, 26. März, Ulf Middelberg und Ronald Juhrs (beide LVV) einen Vertrag, der die Bestellung der ersten fünf Straßenbahnen von Solaris beinhaltet. Für Solaris unterschrieben Solange Olszewska (CEO Solaris Bus & Coach) und Zbigniew Palenica (Vorstandsmitglied Solaris Bus & Coach S.A.).
Der Freistaat Sachsen hatte seine Förderzusage schon im Sommer 2014 gegeben. Das hatte damals noch Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) persönlich getan. Aber wie die LVB am Donnerstag verlauten ließen, übernimmt auch die Stadt Leipzig einen Teil der Finanzierung – 4 Millionen Euro insgesamt.
Der Freistaat hatte die Hälfte der Förderung übernommen – 7,7 Millionen Euro.
Wie es dann freilich mit den nächsten Traminos weitergeht, ist noch offen. Im Vertrag festgehalten ist jetzt erst einmal die Option, weitere 36 Fahrzeuge von Solaris zu bestellen.
“Vorgesehen ist, dass wir die nächsten Fahrzeuge – jeweils zehn – immer in Jahresscheiben bestellen können”, sagt Ronald Juhrs. Man will also die nächsten Fahrzeuge schon bestellen, wenn die ersten fünf noch nicht einmal auf den Schienen stehen. Aber man vertraue Solaris da, so Juhrs.
38 Meter lang werden sollen die neuen Fahrzeuge, 2,30 Meter breit. 220 Fahrgäste passen rein. Insofern bedienen die Fahrzeuge auch die Ansprüche einer wachsenden Stadt. Der Niederfluranteil soll bei 65 Prozent liegen. Mit ihren fünf Drehgelenken sind die Fahrzeuge auch in der Lage, die in Leipzig zum Teil engen Kurvenradien von 17 Meter zu meistern.
Und Solaris verspricht, einen großen Teil der Wertschöpfung auch in Ostdeutschland zu platzieren. Das betonte am Donnerstag Zbigniew Palenica, die Kooperation mit Sachsen sei dem Unternehmen wichtig. So werden die neuen Fahrzeuge von einem Konstruktionsbüro in Chemnitz designt, die Motoren kommen aus Dresden, die Drehgelenke aus Vetschau. Gebaut werden die ersten fünf Fahrzeuge komplett in Poznan. Ob das später anders wird und Teile der Produktion gar nach Sachsen verlagert werden, ist noch offen.
Die ersten Bahnen aus Poznan werden in Leipzig Ende 2016 im Gleisnetz zu sehen sein.
Aber danach müsste es eigentlich Schlag auf Schlag gehen, denn bis 2020 wollen die LVB die alten Tatrabahnen ablösen. Möglicherweise auch erst 2021. Denn vorsichtig sprechen sie von einem Beschaffungsprogramm bis 2020. Da kann es auch passieren, dass die letzten Traminos erst 2021 ans Netz gehen. Und danach sollen sie den Leipzigern recht lange erhalten bleiben, verspricht Zbigniew Palenica. Sie sollen 40 Jahre lang bedienungsfreundlich fahren.
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