Kommt es nun am 25. Februar im Stadtrat zum großen Showdown beim Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr und öffentlicher Raum? Kommt es nicht. Auch dann nicht, wenn die Verwaltung dem Vorstoß der drei Stadträte von SPD, Grünen und Linken zustimmt, den ursprünglichen Modal Split wieder in das 100-Seiten-Papier zu schreiben. Auch nicht, wenn die CDU-Fraktion trotzdem ihren Antrag im Verfahren lässt, den Modal Split ganz aus dem STEP zu streichen. Aber die Diskussion beginnt erst.

Gerade weil so vehement um diesen Modal Split gekämpft wurde. “Wir haben uns, seit uns der STEP in seiner neuen Form vorlag, intensiv damit beschäftigt”, betont Frank Tornau, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Und: “Irgendetwas stimmt mit dem Modal Split nicht.”

Dass es ein wissenschaftliches Instrument ist, das die täglich von den Menschen zurückgelegten Wege zuordnet zu ÖPNV, Auto, Rad- und Fußverkehr, das sei selbstverständlich. Aber der Modal Split sei eine Beobachtungsgröße, keine Plangröße und habe deshalb im STEP Verkehr auch nichts zu suchen, sagt Dr. Sabine Heymann, bau- und verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Der Wirtschaftsverkehr werde ja nun einmal vom Modal Split, wie er da steht, nicht abgebildet. Die große Befürchtung der CDU-Fraktion: Dass genau dieser Modal Split, wenn er dann mit dem STEP Verkehr beschlossen ist, von der Verwaltung instrumentalisiert wird, um diverse verkehrsorganisatorische Maßnahmen zu begründen – Parkraumeinschränkungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen usw.

Für die CDU-Stadträtin Andrea Niermann auch eine Einschränkung der Freiheit. Die Stadt könnne nicht vorschreiben, wie Menschen ihre Wege zurücklegen. Erst recht nicht, wenn städtische Rahmenbedingungen Menschen geradezu zwingen, ihre Wege mit dem Auto zurückzulegen – Stichworte: Kita, Schule, STEP Zentren.

Aber was die CDU-Fraktion besonders stört am Modal Split, ist die Tatsache, dass er den gesamten Wirtschaftsverkehr nicht erfasst. Er zeigt ja nur die normalen täglichen Wege der Leipziger: zur Arbeit, zum Einkauf, zur Ausbildung, in der Freizeit.

Das Problem der fehlenden Zahlen

Wenn man sich mit der Sache zwei Monate so intensiv beschäftigt, fällt es dann auf: Leipzig hat gar keine Zahlen zum Wirtschaftsverkehr. Und der umfasse ja mittlerweile deutlich mehr als nur die Lastkraftwagen und Baumaschinen, an die jeder denke, wenn er an Wirtschaftsverkehr denke, so Tornau. Aber da sind Hausmeister unterwegs, stehen Lieferdienste für Pizza und Arzneien im Stau, stecken Handwerker fest oder suchen vergeblich nach einem Parkplatz in der Nähe ihres Einsatzortes. Ein Thema, das der CDU-Fraktion insbesondere ins Auge fiel, waren die zunehmend mehr gefragten Pflegedienste.

“Andere Städte haben schon einen Gesamtmodal-Split”, sagt Heymann. “Das ist durchaus machbar.” Und so etwas habe die CDU jetzt auch beantragt. Wer keine Zahlen habe über den Wirtschaftsverkehr, der könne dazu eigentlich auch keine Planungen machen. Im Entwurf zum STEP Verkehr wird zwar die wichtige Rolle als Oberzentrum beschworen. Aber um die auch zahlenmäßig zu erfassen, brauche es eine ordentliche Erhebung. Kosten: wohl um die 100.000 Euro.

Heymann: “Aber seit gestern haben wir die Zusage der Kammern, dass sie sich an den Kosten beteiligen würden.” Möglicherweise auch jährlich. Was für Leipzig ein immenser Fortschritt wäre. Denn der alte, wissenschaftlich ermittelte Modal Split der Leipziger stammt mittlerweile aus dem Jahr 2008.

“Wir haben da so den Verdacht, dass sich die Zahlen seitdem eher nicht verbessert, sondern verschlechtert haben”, sagt Sabine Heymann. Und meint es auch so. Dass umweltfreundliche Verkehrsarten wie ÖPNV, Radverkehr und Fußgängerverkehr in Leipzig zunehmend bessere Bedingungen finden, findet auch sie gut. Das habe auch die volle Unterstützung der CDU-Fraktion. Aber die neuen Zahlen zum Verkehrsverhalten der Leipziger hätten 2014 schon vorliegen müssen. “Sie müssten die Grundlage für das alles sein”, sagt Frank Tornau. “Die alten Zahlen machen im STEP überhaupt keinen Sinn. Das ist für uns keine Entscheidungsgrundlage.”

Jetzt vermutet nicht nur er, dass  die Verwaltung die neuen Zahlen wohl erst bekannt gibt, wenn der STEP Verkehr beschlossen ist.

Wir brauchen dringend neue Visionen

Dann würde möglicherweise noch deutlicher werden, wie ambitioniert allein schon das Ziel ist, den Anteil des Umweltverbundes von derzeit 60 auf 70 Prozent erhöhen zu wollen, was dann noch 30 Prozent Pkw-Verkehr bedeuten wurde. Das war auch die Vorgabe im ersten Entwurf zum STEP Verkehr aus dem Frühjahr 2014. Die Steigerung auf 75 Prozent für den Umweltverbund kam erst in der November-Fassung vor. Sie stammt aus dem Klimaschutzprogramm der Stadt, das zwischenzeitlich vom Stadtrat beschlossen wurde. “Da macht die Zahl ja noch Sinn”, sagt Tornau. “Aber eindeutig nicht im STEP Verkehr.”

Wobei auch die Senkung des Pkw-Anteils auf 30 Prozent ein sehr ehrgeiziges Ziel sei. Heymann: “Dafür müssen wir uns schon gewaltig anstrengen, wenn wir überhaupt in die Nähe kommen wollen.” Ein unrealistisches Ziel in den STEP zu schreiben, sei aber Unfug.

Das Ergebnis: Man weiß zwei wichtige Dinge einfach nicht. Man kennt den aktuellen Modal Split von 2013/2014 nicht, weiß also auch nicht, ob sich da nicht wichtige Parameter verschlechtert haben (was ein echtes Alarmsignal wäre). Und man weiß nichts über Ausmaß und Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs. Und zwar über den kompletten Wirtschaftsverkehr, nicht nur über die Lkw, die jeder sieht.

Die Arbeit am Runden Tisch empfindet Sabine Heymann denn auch im Nachhinein als wenig fruchtbar. Man habe wohl nur Kapitel für Kapitel durchgearbeitet – aber ein Entwurf für ein neues, modernes Verkehrskonzept sei nicht mal diskutiert worden. “Beim nächsten Mal muss das anders laufen. Wenn wir über einen neuen STEP Verkehr reden, brauchen wir dringend auch neue Visionen, wie wir moderne Mobilität in Leipzig organisieren wollen”, sagt die Stadträtin.

Es ist also durchaus möglich, dass mehrere Änderungsanträge am 25. Februar den Beschluss zum STEP Verkehr noch ein Stück weit verändern. Und dass auch andere Fraktionen das Thema Wirtschaftsverkehr aufgreifen und in ihre Überlegungen einbeziehen.

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