Mit dem ÖPNV hatte es Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) nicht so. Die Regionalisierungsmittel, die der Bund eigentlich zur Sicherung des regionalen Schienenverkehrs und des ÖPNV bereitstellt, hat er zu großen Teilen umgewidmet für andere Belange. Dieses Denken steckt auch noch in der jüngsten ÖPNV-Finanzierungsverordnung für Sachsen, die am 1. Januar 2015 in Kraft tritt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag beantragt nun, die jahrelangen Kürzungen bei den ÖPNV-Aufgabenträgern in Sachsen beenden.
Dazu hat die Fraktion einen Antrag vorgelegt, der am nächsten Donnerstag, 18. Dezember, im Landtag abgestimmt wird.
“Am 1. Januar 2015 tritt die unter CDU und FDP beschlossene ÖPNV-Finanzierungsverordnung in Sachsen inkraft. Wenn die neue Regierung es ernst meint mit einer auskömmlichen Finanzierung von Bus und Bahn in Sachsen, muss sie die vorliegende Verordnung schnell novellieren”, fordert Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. “Dies ist der Lackmustest für Staatsminister Martin Dulig von der SPD. Wenn jetzt nicht umgesteuert wird, drohen sich rapide verschlechternde Fahrplanangebote, die Verschiebung dringend benötigter Investitionen und die Einstellungen weiterer kompletter Linien im gesamten Freistaat Sachsen.”
Die Grüne-Fraktion fordert in ihrem Antrag, die Zuschüsse an die Aufgabenträger auf mindestens 90 Prozent der Regionalisierungsmittel zu erhöhen. Dies sei nötig, damit die regionalen Zweckverbände ein Fahrplanangebot bereitstellen, wie es vor den Kürzungen 2009 vorhanden war, ohne dabei die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich zu belasten. “Diese Forderung haben die Abgeordneten der SPD seit Jahr und Tag gefordert”, sagt Jähnigen.
Zur Sicherung eines leistungsfähigen Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erhält Sachsen jährlich Regionalisierungsmittel vom Bund. Seit 2010 hat die Staatsregierung nur noch 74 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel an die Zweckverbände weitergereicht. 2015 sind zwar 78,7 Prozent vorgesehen, dies fällt allerdings immer noch hinter den Anteil von 80,6 Prozent aus dem Jahr 2009 zur Zeit der letzten CDU/SPD-Regierung zurück. Bundesweit bleibt Sachsen auch mit 78,7 Prozent auf dem letzten Platz.
Die sächsische ÖPNV-Finanzierungsverordnung legt nun fest, dass ab dem 1. Januar 2015 von den vom Bund überwiesenen Regionalisierungsmitteln 54 Millionen Euro in den Ausbildungsverkehr fließen und 8,75 Millionen in die Schmalspurbahnen. Vom Rest der Summe sollen nur 89,5 Prozent an die Zweckverbände gehen, dass wären insgesamt 2015 78,75 Prozent der Gesamtsumme.
Eine Übersicht über die vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmittel für Sachsen und deren Weiterleitung an die Nahverkehrs-Zweckverbände
2009 485,1 Millionen Euro 390,9 Millionen Euro
2010 492,4 Millionen Euro 397,0 Millionen Euro
2011 499,7 Millionen Euro 379,7 Millionen Euro
2012 507,3 Millionen Euro 374,0 Millionen Euro
2013 514,9 Millionen Euro 389,6 Millionen Euro
2014 522,6 Millionen Euro 392,6 Millionen Euro
2015 522,6 Millionen Euro 411,6 Millionen Euro
“Die angedachte, geringe Erhöhung der Förderung ab 2015 ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein”, stellt die Grünen-Abgeordnete klar. “Die Rahmenbedingungen haben sich für Zweckverbände verschärft. Durch den Rückzug der Deutschen Bahn aus dem sogenannten eigenwirtschaftlichen Bahnverkehr auf der Sachsen-Franken-Magistrale und zwischen Görlitz und Dresden müssen jetzt die Zweckverbände diese Verkehrsleistungen kompensieren.”
Darüber hinaus müssen zusätzliche Leistungen wie zum Beispiel die Taktverdichtungen im Raum Dresden – Meißen nach Ausbau der S-Bahnstrecke bestellt werden.
“Wir wollen die auskömmliche und langfristige Finanzierung des touristischen Verkehrs, insbesondere der Schmalspurbahnen, nicht länger durch die Regionalisierungsmittel des ÖPNV-Budgets decken, sondern mit einem eigenen Budget der Wirtschaftsförderung”, formuliert Eva Jähnigen. “Auch die Finanzierung des Schülerverkehrs aus den Regionalisierungsmitteln sieht die Grüne-Landtagsfraktion kritisch. Während Sachsen 2009 nur 15 Millionen Euro für den Schülerverkehr aus den Regionalisierungsmitteln entnahm und den Rest aus eigenen Haushaltsmitteln finanzierte, werden seit 2011 jährlich 54 Millionen Euro für den Schülerverkehr den Regionalisierungsmitteln entzogen.”
Im Ergebnis kamen die Zweckverbände, die in den einzelnen Verkehrsräumen für die Bereitstellung guter regionaler Schienenverbindungen zuständig sind, nicht nur in Sparzwänge, so dass wichtige Investitionen unterblieben, sie mussten oft auch etliche Verkehrsleistungen abbestellen, während der zuständige Verkehrsminister sich mit den abgezweigten Geldern Spielräume für Straßenneubauten freischoss.
“Sachsens Staatsregierung saniert damit den Haushalt auf dem Rücken der Fahrgäste. Anstatt eigene Haushaltsmittel für Schmalspurbahnen und Schülerverkehr einzusetzen, bedient sich die Staatsregierung schamlos an Bundesgeld”, erklärt die Abgeordnete.
Die Regionalisierungsmittel des Bundes sind dafür gedacht, den einst vom Bund auf regionaler Ebene finanzierten Verkehr auch in Regie der nun verantwortlichen regionalen Zweckverbände aufrechtzuerhalten. Mit der Änderung der ÖPNV-Finanzierungsverordnung 2010 bekamen die sächsischen Verkehrsverbünde zwischen 2011 und 2014 132 Millionen Euro weniger. Die Kürzungen für die einzelnen Zweckverbände sind hier aufgelistet:
Kleine Anfrage Eva Jähnigen “Auswirkungen der Kürzungen der Regionalisierungsmittel auf das Leistungsangebot des Zweckverbandes Verkehrsverbund Vogtland (VVV) (Drs. 5/8938)”:
www.mobiles-sachsen.de/fileadmin/user_upload/sachsentakt21/Kleine_Anfragen/Auswirkungen_Kuerzungen_VVV__5_Drs_8938_.pdf
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Änderung der Verordnung zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs vom 7. Januar 2013 (ÖPNVFinVo), die ab 1.1.2015 in Kraft treten soll, im Amtsblatt vom Januar 2013 (auf den Seiten 43-44):
www.landesweb.sachsen.de/angebote_sk/recht/veroeffentlichungsblaetter/GVBl/2013/Gesetzblatt_01_2013.pdf
Der Antrag der Grünen-Fraktion: “Öffentlichen Verkehr Sachsens auskömmlich finanzieren – Kürzungen zurücknehmen, rechtliche Grundlagen für den Eisenbahnverkehr stärken” (Drs.) 6/443:
www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Antraege/6_Drs_443_201_1_1_.pdf
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