Am Donnerstag, 11. Dezember, gab's einen kleinen Geburtstag: Das mitteldeutsche S-Bahn-Netz ist ein Jahr alt geworden und Bahn und ZVNL luden zum Pressegespräch nach Halle ein. Aus gutem Grund: Gerade die S-Bahn von Halle nach Leipzig hat sich (wie zu erwarten war) als Herzstück des ganzen Systems erwiesen. Und es hatte auch die größten Probleme. Die Betreiber hatten die Nachfrage auf dieser Strecke völlig unterschätzt.
Also stand zum Pressegespräch zumindest die Frage auf der Tagesordnung: Bekommen Bahn und ZVNL es hin, hier mehr Kapazitäten aufs Gleis zu kriegen und reagieren damit endlich auf die zahlreichen Beschwerden der Nutzer?
“Wir haben in den letzten Monaten verschiedene Maßnahmen für eine bessere Fahrzeugverfügbarkeit umgesetzt. So sollen insbesondere die S-Bahnen mit besonders hoher Nachfrage auf der S3 immer mit zwei Fahrzeugteilen verkehren”, sagte dazu Frank Klingenhöfer, Vorsitzender der Regionalleitung Südost der DB Regio AG. “Um die bestehenden Fahrzeugengpässe zu minimieren, bauen wir in der DB Regio-Werkstatt in Halle derzeit eine zusätzliche Wartungshalle. Bis zum Sommer werden wir die Fahrzeugverfügbarkeit so spürbar verbessern können.”
Um das Angebot weiter zu optimieren, haben Deutsche Bahn und ZVNL gemeinsam mit ausgewählten Kunden zudem ein sogenanntes Zuglabor durchgeführt, in dem Verbesserungsvorschläge diskutiert wurden. Dabei wurde das neue Angebot insgesamt gelobt. Was die Sache ja noch spannender macht: Denn wenn man schon mal ein wirklich modernes S-Bahn-System auf die Beine stellt, ist es umso ärgerlicher, wenn die Zugkapazitäten auf der wichtigsten Strecke nicht reichen. Einzelne Kritikpunkte bezogen sich auf die Verfügbarkeit von Sitzplätzen und Platz für Fahrräder, Kinderwagen und Rollstühle auf einzelnen Streckenabschnitten – insbesondere in der S3.
Deutsche Bahn und ZVNL seien hier auch mit Interessensverbänden im Gespräch, um gemeinsam Lösungsmöglichkeiten auszuloten, betonen beide. Aber die Beschwerden halten seit Monaten an. Irgendwann braucht es keine Gespräche mehr, sondern Lösungen, sonst ist das beste ÖPNV-System fragwürdig.Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember sollen nun die geplanten Fahrzeugeinsätze für einzelne Fahrten angepasst werden. So sollen beispielsweise auf der S1 und S3 teilweise längere Züge verkehren. Die S 3 verkehrt von Halle über Leipzig-Hauptbahnhof nach Stötteritz, die S 1 hat sich nach ihrer Wiederbelebung als Hauptschlagader zwischen Grünau und Leipzig-Hauptbahnhof wieder etabliert. Östlich von Leipzig fährt sie dann zumeist relativ leer nach Wurzen weiter.
Im Fahrplan gibt es lediglich folgende Änderung: Sonntags werden die Leistungen der S1 zwischen Wurzen und Riesa künftig vom RE 50 übernommen, der dann auch an Sonn- und Feiertagen ab 7 Uhr durchgehend im Stundentakt fährt. Auf der S-Bahn-Linie S7 in Halle wird der Haltepunkt Rosengarten wieder in beiden Richtungen bedient, betont die Bahn. Die S7 ist die einzige S-Bahn-Linie, die nicht in den S-Bahn-Knoten Leipzig eingebunden ist.
Dass das S-Bahn-Netz ein Erfolg werden würde, war eigentlich klar, denn es ist das erste mitteldeutsche ÖPNV-System, das regionalen Schienenverkehr tatsächlich als Vernetzung von Metropole(n) und Region begreift.
Seit der Eröffnung im Dezember 2013 nutzen jeden Tag zirka 55.000 Fahrgäste das 430 Kilometer lange Streckennetz des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes mit insgesamt rund 540 Zugfahrten. Der Start des neugeordneten Nahverkehrs mit den sechs neuen S-Bahn-Linien, die seitdem Leipzigs Innenstadt mit der gesamten Region verbinden, und der ergänzenden S7 in Halle verlief erfolgreich, schätzt auch die Deutsche Bahn ein, die damals den Zuschlag für den Betrieb der Strecken bekam.
Martin Dulig, Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: “Die Investitionen von EU, Bund, Freistaat und Stadt Leipzig in den City-Tunnel waren richtig: Der City-Tunnel ist ein Gewinn – nicht nur für die Bürger von Leipzig, sondern für die gesamte Region. Die neuen Möglichkeiten, von weit außerhalb bequem und direkt in die Leipziger Innenstadt zu fahren, sind für viele ein Anreiz zum Umsteigen in den ÖPNV. Glückwunsch zum Einjährigen!”
“Der City-Tunnel Leipzig und das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz sind mittlerweile aus dem Raum Westsachsen nicht mehr wegzudenken. Das zeigt sich auch an den hohen Fahrgastzahlen, die unsere Prognosen voll erfüllen”, erklärt Landrat Dr. Gerhard Gey, Vorsitzender des Zweckverbandes für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL).
Insgesamt erreichte die S-Bahn Mitteldeutschland im Rahmen einer repräsentativen Kundenzufriedenheitsbefragung durch ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut 79 von 100 möglichen Punkten im Bereich Gesamtzufriedenheit. Besonders positiv im Vergleich zum Vorjahr vor der S-Bahn-Einführung wurden dabei der Reisekomfort, die Pünktlichkeit, Schnelligkeit und Sauberkeit der Züge, das Zugpersonal, die Ansagen im Zug sowie das Sicherheitsgefühl nachts in den Zügen bewertet. Trotz streik- und baustellenbedingter Beeinträchtigungen liegt die Pünktlichkeit der S-Bahn Mitteldeutschland bei einem Wert von rund 96 Prozent auf einem hohen Niveau.
“Natürlich freuen wir uns über das Ergebnis der DB-Kundenbefragung. Wir dürfen uns auf diesen Lorbeeren jedoch nicht ausruhen, sondern müssen gemeinsam daran arbeiten, das Angebot weiter zu verbessern”, meint Oliver Mietzsch, Geschäftsführer des ZVNL. Verbesserungsbedarf sieht er vor allem bei der Fahrzeugverfügbarkeit. Aus verschiedenen Gründen, wie etwa Gewährleistungsarbeiten des Herstellers oder planmäßiger und außerplanmäßiger Wartungsarbeiten, waren in der Vergangenheit mehrere Fahrzeuge ausgefallen. Darüber hinaus sind Fahrzeuge immer wieder Graffiti-Angriffen ausgesetzt und müssen aufwändig gereinigt werden.
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