Gefragt hatte - na wer wohl - Linke-Stadtrat Jens Herrmann-Kambach. Von seinen vielen Fragen, die er noch zum Ende der Amtszeit des alten Stadtrates stellte, tauchen etliche jetzt erst wieder auf, weil die Stadtverwaltung immer ein bisschen Zeit braucht zur Beantwortung. Diesmal ging es um die simple Frage: Haben die Leipziger ein Recht, über die Preissteigerungen im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) mitzureden? Oder müssen sie alles so hinnehmen, wie es ihnen vorgesetzt wird?

Eine nicht ganz einfache Frage. Denn der MDV ist ein Zusammenschluss dutzender Verkehrsunternehmen in unterschiedlicher Trägerschaft – einige davon auch privat. Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sind Mitglied im MDV und der Sinn des Ganzen ist eigentlich nicht, dass die Preise irgendwo in höheren Gremium einfach beschlossen werden, sondern dass sie innerhalb des MDV harmonisiert werden und vor allem auch Synergien gefunden werden und Angebote entstehen, die das Reisen über die Tarifgrenzen hinaus erleichtern. Die letzten beiden Anliegen werden eher kaum noch öffentlich wahrgenommen, während die Preissteigerungen jedes Jahr passieren und auch die Leipziger mit dem Phänomen konfrontieren, dass sie zwar mehr zahlen dürfen, aber eigentlich keine Instanz existiert, mit der sie über Sinn und Höhe der Steigerungen diskutieren können.

Und so fragte denn Jens Herrmann-Kambach, als im Herbst die neuen Preissteigerungen für 2015 publik wurden: “Gibt es gesetzliche Regelungen, die eine vorherige Beteiligung der Öffentlichkeit bei Tarifveränderungen/Tariferhöhungen ausschließen bzw. untersagen? Wenn ja, welche?”

Immerhin hat er ja als Stadtrat auch erlebt, dass die gewählten Vertreter im eigentlich höchsten Leipziger Gremium zwar informiert werden, aber selbst keinen Einfluss auf die Preisgestaltung haben.

Die Antwort, die er nun vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau erhielt, klingt denn auch recht eindeutig: “Im maßgeblichen Personenbeförderungsgesetz (PBefG), § 39 Beförderungsentgelte und -bedingungen, ist festgelegt, dass Beförderungsentgelte und deren Änderung der Zustimmung der Genehmigungsbehörde bedürfen. Diese prüft die vorgelegten Tarife nach verschiedenen Punkten auf deren Angemessenheit. Bestehen seitens der Behörde keine Einwände, sind die Beförderungsentgelte in einem zweiten Schritt vom Unternehmer vor ihrer Einführung ortsüblich bekanntzumachen. Weiterführende gesetzliche Regelungen, die eine vorherige Beteiligung der Öffentlichkeit bedingen oder ausschließen bzw. verbieten, gibt es nicht.”

Der Unternehmer ist in diesem Fall – stellvertretend für die LVB – der MDV. Er hat die neuen Preise am 5. Dezember bekanntgegeben. Aber auch der Stadtrat hat keine Möglichkeit, noch einzugreifen. 2013 hat es die Linksfraktion mal versucht, fand aber keine Mehrheit im Stadtrat.
Und so fragte Herrmann-Kambach auch: “Was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine Beteiligung der Öffentlichkeit vor der Beschlussfassung in den zuständigen Gremien?”

Und siehe da: Eine frühere Ratsversammlung hat dem obersten Leipziger Gremium selbst Zügel angelegt. Die Stadtverwaltung dazu: “Gegen eine Beteiligung der Öffentlichkeit vor der Beschlussfassung der Tarifveränderungen in den zuständigen Gremien spricht der Ratsbeschluss RB-894/97 vom 16.07.1997. In diesem hat die Ratsversammlung beschlossen, dass Preisveränderungen bei städtischen Unternehmen nach ihrem Beschluss in den jeweilig zuständigen Aufsichtsräten dem Gesellschafter Stadt Leipzig anzuzeigen sind. Anschließend erfolgt eine Information des Verwaltungsausschusses.”

Mehr als eine Information bekommt also auch dieser Ausschuss des Stadtrates nicht. Um nicht ganz ratlos im Wind zu stehen, wird ihm das neue Zahlenwerk von den Geschäftsführern der Verkehrsbetriebe noch ein bisschen erläutert, wie das Planungsdezernat mitteilt: “Bezüglich der Tarifveränderungen ab August 2015 sollen die Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) und der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH zum Zweck der Information für die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 07.01.2015 eingeladen werden.”

Gleichzeitig betont das Dezernat, dass man von Seiten der Stadt die eigenen Verkehrsbetriebe konsequent wie die anderen anderen Verkehrsbetriebe im MDV behandelt: “Weiterhin gilt es, die Interessen der zum Teil privaten Verkehrsunternehmen, die ebenfalls den MDV-Tarif anwenden, zu wahren.” Was natürlich auch die stille Erkenntnis mit einschließt, dass vor allem die privaten Unternehmen im Verbund derzeit die größten Finanzierungsschwierigkeiten haben, denn sie betreiben in der Regel die Buslinien in den Landkreisen, wo der Bevölkerungsrückgang auch zu massiven Fahrgastrückgängen und damit aus sinkenden Einnahmen führt. Ein Rezept, wie die ungleichmäßige Entwicklung im MDV (wachsende Großstädte, schrumpfende Landkreise) ausgeglichen werden könnte, hat der MDV bis heute nicht vorgelegt.

Und so klingt auch die letzte Frage von Herrmann-Kambach eher vorsichtig: “Unter welchen Bedingungen könnten Sie, Herr Oberbürgermeister, sich eine vorherige Beteiligung der Öffentlichkeit vorstellen?”

Die Antwort ist eigentlich ein forsches “Gar nicht”, verkleidet in einen etwas verklausulierten Satz: “Derzeit werden durch die Stadt Leipzig keine Vorteile in einer Änderung der Beteiligung der Öffentlichkeit bei Anpassungen des MDV-Tarifs gesehen.”

Was trotzdem auffällt: Es ist kein klares “Nein.” Es ist nur die Bekundung, dass die Verwaltung lieber beim derzeitigen Prozedere bleiben möchte, weil es ihr selbst ein paar Diskussionen und etwas Ärger erspart. Sie sieht halt “keine Vorteile” in einem anderen Verfahren. Was aber auch dazu führt, dass auch der Stadtrat selbst im Grunde ausgeschlossen ist, wenn es um andere Lösungsansätze für die Finanzierung der LVB geht.

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