Einen einzelnen Punkt aus der "Leipziger Bürgerumfrage 2013" hat sich der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) herausgefiltert. Natürlich die Sache mit dem Radverkehr. Jahrelang war der Radverkehr das Stiefkind der Leipziger Verkehrspolitik. Erst in den letzten fünf Jahren gab es tatsächlich erste spürbare Verbesserungen, die einigen motorisierten Leipzigern jetzt schon viel zu weit gehen. Deswegen kämpfen sie mit allen Mitteln gegen die Zielzahlen des neuen "Modal Split" im STEP Verkehr der Stadt. Irgendwann soll der Radverkehr mal 20 Prozent an allen Wegen ausmachen.
Die letzten Zahlen stammen aus dem Jahr 2008. Da waren es etwas über 14 Prozent der täglichen Wege, die die Leipziger mit dem Rad zurücklegten. Das war schon deutlich mehr als in den aufmotorisierten 1990er Jahren. Aber es ist weit von den Zahlen echter Fahrradstädte wie Kopenhagen entfernt. 30 Prozent oder mehr sollten in einer Flachlandstadt wie Leipzig möglich sein. Aber ob das mal so wird, das hängt an zwei Faktoren:
Der erste ist die Einstellung der Leipziger selbst zur Art ihrer Verkehrsmittelwahl. Legt man nun Wege unter 5 Kilometer Entfernung einfach grundsätzlich ohne Auto zurück, tut was für Gesundheit und Stadtklima? Oder holt man Brötchen, Zeitung und Zigaretten weiter mit dem Auto, auch wenn’s nur zwei Ecken sind? Das braucht natürlich ein positives Fahrradklima. Denn das macht man dann, wenn man sich wohl fühlt dabei, es als bequem empfindet und als selbstverständlich. In der Vergangenheit haperte es aber immer an der Kommunikation der Stadt und einiger Medien, die sofort die Kanonen in Stellung brachten, wenn mal wieder ein Fahrrad-Thema zur Sprache kam.
Der zweite Faktor hängt damit zusammen: Wie gut ist das Radwegenetz in Leipzig ausgebaut? Lädt es auch ängstliche, bequeme, unsichere Verkehrsteilnehmer zum Radfahren ein? Oder nicht. Dazu kommen wir gleich.
Auf einem Feld ist das Fahrrad den Leipzigern auf jeden Fall schon wichtig: Das ist das Radeln in der Freizeit. Das ist der Punkt, den der ADFC jetzt als positiv verbucht: “Fahrrad weiterhin Verkehrsmittel Nr. 1 / 36 % der Leipzigerinnen und Leipziger nutzen in der Freizeit das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel”.
Der Vergleich der kommunalen Bürgerumfragen der letzten drei Jahre bestätige, so der ADFC, eine erfreuliche Entwicklung für die Verkehrsmittelwahl in Leipzig: Trotz des besonders fahrradunfreundlichen Wetters 2013 fiel der Wert der täglichen Fahrradnutzung mit 16 Prozent nicht wieder unter das Niveau des Jahres 2011. Zur Erinnerung: Fahrradunfreundlich war erst der ewig lange Winter, der bis in den April dauerte. Und dem folgten mehrere Perioden mit heftigen Regenfällen, die dann auch zum Juni-Hochwasser 2013 führten.
“Leipzig ist auf einem guten Weg zu einer fahrradfreundlichen und somit lebenswerten Stadt,” freut sich Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig.
Die Nutzungszwecke des Fahrrades haben sich zudem leicht verschoben: Im Jahr 2011 fuhren 17 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger mit dem Rad zur Arbeit, im Jahr 2013 waren es 18 Prozent. Bei den Fahrten zur Ausbildungsstätte hat sich der Anteil im Vergleich zu 2011 sogar um 7 Prozentpunkte von 21 auf 28 Prozent erhöht, hebt der ADFC hervor. Die Verschiebung war schon 2012 sichtbar. Es sind vor allem junge Leute und vor allem Studierende, die verstärkt mit dem Fahrrad unterwegs sind, weil es einfach das preiswerteste und flexibelste Verkehrsmittel ist. Man steht nicht im Stau, man leidet nicht unter steigenden Fahrpreisen. Ein Problem sind nur die löcherigen Infrastrukturen. Aber dazu kommen wir ja noch.
Für die anderen Leipziger ist das Fahrrad eher das Lieblingsverkehrsmittel in der Freizeit.
“Mit 36 Prozent ist das Fahrrad in der Freizeit weiterhin das Verkehrsmittel Nr. 1 und auch bei der Fahrt zur Ausbildungsstätte genießt das Fahrrad eine hohe Wertschätzung”, stellt Dr. Christoph Waack fest.
2012 hat das Fahrrad sogar mal unangefochten den ersten Platz bei Wegen in der Freizeit erobert mit 42 Prozent. Der Wert ist 2013 auf 36 Prozent wieder etwas zurückgegangen. Dafür ist der Wert für den Pkw von 27 Prozent wieder auf 36 Prozent hochgeschnellt. Das ist der Punkt, an dem man auf die wichtigen Unterschiede hinweisen muss: Die Bürgerumfrage 2012 startete schon im Oktober, in einem Monat, der eindeutig noch zu den Monaten gehört, in denen man viel Freizeit auf dem Rad beginnt. Die Umfrage 2013 startete erst im November. Das spielt natürlich eine Rolle bei den Angaben in so einer Rubrik.Seit ein paar Jahren versucht die Stadt auch herauszubekommen, wie zufrieden die Leipziger mit dem Radwegeangebot sind. Doch die Vergleichbarkeit ist im Eimer, wenn sich das Frageschema verändert.
Die veränderte Darstellung der Bewertung der Qualität und des Angebotes der Radverkehrsinfrastruktur lässt einen Vergleich zu den Vorjahren leider nicht zu, bemängelt also der ADFC. Es sei zudem nicht erkennbar, ob und welche Radfahrgruppe von Kindern bis Senioren, von Nichtnutzern bis Vielfahrern zufrieden oder unzufrieden mit der Qualität und dem Angebot für Radfahrende und den Radabstellanlagen ist. Erkennbar sei lediglich: Die Befragten sind unterschiedlich (un)zufrieden. In den Stadtteilen mit hohem Radverkehrsanteil ist die Unzufriedenheit am höchsten, in den Stadtteilen mit der geringsten Fahrradnutzung am geringsten.
Die Zufriedenheit mit den Radanlagen hat das Amt für Statistik und Wahlen zwar abgefragt wie in den Vorjahren, doch diesmal keine Auswertung nach Altersgruppen vorgenommen, dafür lieber eine Zufriedenheitstabelle nach Ortsteilen gemacht und auch da nur die Werte für “sehr zufrieden” und “zufrieden” summarisch aufgelistet. Das reicht von minimal 18 Prozent Zufriedenen in Schleußig bis zu 75 Prozent in Probstheida. Die Auswertung zeigt zumindest sehr deutlich, dass die Bewohner am Stadtrand zufriedener sind mit den verfügbaren Radwegen als die in der Innenstadt, wo sich natürlich auch die Verkehrsströme ballen und – wenn man an das Zentrum denkt – die Probleme zum Teil völlig ungelöst sind.
So schätzt auch der ADFC ein: “Das Sorgenkind ist nach wie vor die Leipziger Innenstadt. Trotz der Einrichtung erster Fahrradstraßen und der vielen Freizeitziele für den Radverkehr ist diese für den Radverkehr unattraktiv. Gerade einmal 15 % der Leipzigerinnen und Leipziger fahren mit dem Rad in die Innenstadt.”
Dr. Christoph Waack: “Größte Barriere für den Radverkehr in Leipzig ist der Promenadenring. Solange sich dort die Bedingungen für den Radverkehr nicht erheblich verbessern, werden die als Nachhaltigkeitsziel von OBM Jung bereits 2012 genannten 35 % Radverkehrsanteil im Jahr 2030 sicherlich nicht erreicht.” Das Ziel hat er 2012 mal benannt. Es ist kein utopisches Ziel. Es wirkt nur so, wenn die Denkbarrieren so stark sind wie derzeit. Und die Denkbarrieren stecken auch in den Köpfen der Verwaltung. Denn sie hat in der aktuellen Bürgerumfrage nur ausgewertet, wie zufrieden die Leipziger mit den Radverkehrsanlagen in ihrem eigenen Ortsteil sind. Das ist geradezu irreführend – und man wird das Gefühl nicht los, die Frage wurde ganz gezielt nur so gestellt, um die Probleme des Leipziger Radwegenetzes gar nicht erst sichtbar werden zu lassen.
Das wurde im Vorjahr bei der Innenstadt ganz offensichtlich, denn 99 Prozent der Leipziger, die mit dem Rad hinfahren, wohnen nicht dort, werden aber mit allen Problemen der hinführenden Wege konfrontiert und mit der Tatsache, dass man an keiner Stelle problemlos hindurchfahren kann.
Ist das Ignoranz oder bewusste Augenwischerei?
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Im Jahr 2012 wurden die Leipziger noch nach der Zufriedenheit mit der Qualität der Radverkehrsanlagen, der Dichte des Radwegenetzes und der Abstellmöglichkeiten gefragt. Die Zufriedenheit lag stadtweit unter 30 Prozent und am unzufriedensten waren – verständlicherweise – die älteren Radfahrer.
Aber auch andere Nutzergruppen scheinen mittlerweile so ihre Probleme mit dem Radfahren zu haben. Denn die Ausstattung der Haushalte mit Fahrrädern ist prozentual zurückgegangen. Das kann mit dem starken Zuzug junger Familien aus dem Umland zu tun haben, die auch ihr Auto mitbringen. Gerade bei Singles, Alleinerziehenden und Paaren mit Kindern ist der Fahrradbesitz rückläufig. Da dafür keine Gründe angefragt werden, bleibt offen, warum das so ist. Am Geld liegt es nicht, denn der Rückgang wird vor allem in den Einkommensgruppen 1.100 bis 2.300 Euro und 2.300 bis 3.200 Euro sichtbar. Die Vermutung liegt nahe, dass es auch mit Sicherheitsbedenken zu tun hat. Es wurden zwar einige kleine Fortschritte im Radwegenetz erzielt, die zahlreichen Konfliktstellen aber wurden nicht entschärft. Ein stringentes Arbeiten an einem voll funktionsfähigen Radwegenetz wird an keiner Stelle sichtbar.
Und das Thema Innenstadt ist auch bei einem anderen Verkehrsproblem auffällig. Dazu mehr im nächsten Teil.
Der Bericht ist für 15 Euro (bei Versand zuzüglich Versandgebühr) erhältlich beim Amt für Statistik und Wahlen und steht kostenfrei zum Download auf www.leipzig.de/statistik unter der Rubrik “Veröffentlichungen” zur Verfügung.
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