Die Eiertänze um die Tarifgestaltung im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) und damit auch bei den Leipziger Verkehrsbetrieben gehen weiter. Das vor einem Jahr versprochene Konzept liegt noch nicht vor. Dass selbst die LVB längst mit einer politischen Lösung gerechnet haben, zeigt ein Vorgang, der jetzt Andreas Geisler, Vorsitzender des Stadtelternrates Leipzig (SER), auf die Palme bringt: Klassencards werden nicht mehr im City-Tunnel anerkannt.
Dabei hatte man doch gemeinsam um viel mehr gekämpft – um ein wirklich vernetztes ÖPNV-Netz in Mitteldeutschland. Für Senioren ist es schon längst Wirklichkeit. Sie können vergünstigte MDV-Senioren-Abos nutzen und damit im gesamten Gebiet des MDV fahren – und damit auch im größten Teil des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes. Aber wer berufstätig ist oder gar noch zur Schule geht, kann von solchen Geschenken nur träumen. Wenn es überhaupt welche wären. Denn der komplette ÖPNV in der Region wird sowieso schon von der Allgemeinheit bezahlt. Trotzdem muss, wer eine der vielen Tarifgrenzen überfahren will, ein Ticket nachlösen, wenn er nur ein Abo für eine Tarifzone hat. Selbst wenn es so unlogisch ist wie eine Fahrt nach Markkleeberg oder Taucha.
Tatsächlich verhindern diese wie festgemauert hingesetzten Tarifgrenzen eine höhere Nutzung der Bahnen und Busse. Dass die Straßenbahnlinie 9 überhaupt in die Diskussion kam, hat ja nichts damit zu tun, dass diese Linie unattraktiv wäre – aber das zusätzliche Löhnen an der Stadtgrenze haben sich viele Leipziger und Markkleeberger lieber gespart.
Dass mittlerweile hunderte Schüler aus den beiden angrenzenden Landkreisen zur Schule nach Leipzig pendeln, hat die entscheidenden Gremien wahrscheinlich auch noch nicht erreicht. Sonst würde man über das Anliegen ernsthaft diskutieren, das der SER vorgetragen hat.
Andreas Geisler: “Zur Eröffnung des Leipziger City-Tunnels wurden die Schülercard und die Schülermobilcard großzügig und kulant um die Nutzung der S-Bahnen und des Tunnels erweitert.
Wir Elternräte der Stadt Leipzig begrüßten das ausdrücklich und waren höchstens verwundert, dass die beiden Land-Kreise davon nicht profitieren, denn regionale Mobilität über Stadt- und Kreisgrenzen hinweg ist eine zentrale Forderung der Elternräte der Region Leipzig siehe auch unsere Resolution zum Schülerverkehr. Mittlerweile werden die Kosten dafür auf die Eltern umgelegt und wir zahlen deutlich mehr für die Schülerkarten unserer Kinder aber wir bekommen ja auch mehr.”
Umgekehrt wäre es politisch sinnvoller gewesen. Denn eingeschränkte Mobilität sorgt eben auch dafür, dass ÖPNV-Systeme auch schon von jungen Menschen als kompliziert und restriktiv erlebt werden. Wenn Kommunen dann – ohne die eigentlichen Probleme überhaupt gelöst zu haben – immer wieder den Finanzierungsaspekt vorschieben, wenn sie Angebote zurücknehmen, dann weckt das natürlich Misstrauen, erst recht, wenn das Tarifniveau im Sommer, kurz vor Beginn des Schuljahres, gerade erst wieder erhöht wurde.
Und Schulklassen wollen die Entscheider im MDV augenscheinlich in den silbergrauen S-Bahnen nicht sehen. Jedenfalls nicht ohne Extra-Zahlung.
Andreas Geisler: “Im vergangenen Jahr wurden die Schülerfahrkarten für Unterrichtsgänge für ganze Klassen (Klassencards) der LVB aus Kulanz auch für das S- Bahn- Netz und den Tunnel anerkannt. Wir haben uns sehr darüber gefreut und auch die Schulen waren begeistert, zumal es auch ein Anliegen der Nahverkehrsverbände war, den Schülern die S-Bahn als lukratives Verkehrsmittel zu präsentieren. Mal ehrlich: dieser Werbeeffekt, dass Schulen ihren Schülern die Nutzung der S-Bahn nahebringen und sie auch denen erklären und erlebbar machen, die üblicherweise nicht mit der Bahn fahren, ist eigentlich unbezahlbar, besonders im Grundschulbereich!”Aber irgendjemand hat da wohl wieder den amtlichen Controller gespielt und den Rotstift angesetzt.
“Nun erhielten wir in den Ferien die Nachricht, dass wir die S-Bahn/Tunnel nicht mehr nutzen dürfen mit den Gruppenkarten”, stellt Geisler nüchtern fest. Der SER hat extra im Amt für Jugend, Familie und Bildung nachgefragt, warum hier einfach nach acht Monaten schon wieder gestrichen wurde. Geisler: “Auf Nachfrage … nannte man finanzielle Aspekte als Grund, man konnte sich offensichtlich nicht innerhalb des MDV und mit der Bahn einigen.”
Womit natürlich jener graue Partner genannt ist, der ja irgendwie noch Staatskonzern ist, aber eigentlich auch nicht. Augenscheinlich will die Bahn Geld sehen, bevor die Klassencards des MDV in den S-Bahnen wieder anerkannt werden.
“Wir sind sehr unglücklich, dass mal wieder bei den Kleinsten gespart wird, zumal das ja die potentiellen Kunden von morgen sind”, sagt Geisler.
Der Stadtelternrat SER habe auch extra recherchiert und festgestellt, dass das Nutzungsverhalten der Schulen in Leipzig höchst verschieden ist. Schulen in Zentrumsnähe mit Straßenbahn direkt vor der Schule fühlen sich quasi nicht betroffen, aber besonders die Schulen am Stadtrand, an der Peripherie, in den eingemeindeten Ortsteilen und natürlich die mit einem S-Bahnhaltepunkt in der Nähe der Schule müssen massive Einschränkungen hinnehmen.
“Besonders der Zeitverlust und das Verschwenden teurer Unterrichtszeit wiegen schwer”, sagt Geisler. Der SER Leipzig fordere deshalb alle Beteiligten auf, diese Politik zu überdenken, die unglaublich großen Vorteile, die die Bahn durch Ansprache neuer Kundenkreise erhalte, und die Zeitverluste mit in ihre Beurteilung einfließen zu lassen und Lösungen zu finden.
“Diese können natürlich differenziert sein, denn offensichtlich brauchen nicht alle Schulen die Gruppenkarten inklusive S-Bahn und viele Schüler haben ja ihre eigenen Schülercards, z.B. in weiterführenden Schulen”, meint der Vorsitzende des Stadtelternrates. “Aber um mit allen Schülern einer Schule, besonders in der Grundschule, aber auch am Rande der Großstadt Wege zu erledigen, braucht es der vollumfänglichen Gruppenkarten. Toll wäre, wenn dann noch Wege über die Stadtgrenzen hinweg möglich wären, z.B. ins Technologiezentrum der Handwerkskammer, was bekanntlich im Landkreis Leipzig liegt und für Schüler oft schwierig zu erreichen ist, aber auch zu Berufsbildungsmessen zu Grünen Berufen in die beiden Landkreise. Aus den großen Vorteilen, die die Bahn erhält, plädieren wir für eine weitere kulante Ausgabe der Karten, bis eine tragfähige Lösung gefunden wird.”
Resolution zum Schülerverkehr: www.ser-leipzig.de/index.php?option=com_content&task=view&id=508&Itemid=9
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