Es war Wahlkampf. Und auch Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok war im Wahlkampfmodus. Am 19. August hat er noch einmal das Thema "Elektrifizierung und Streckenausbau Leipzig - Chemnitz" mit einer Extra-Meldung platziert. Die Vorplanung ist nun abgeschlossen. Aber es ist nicht einmal abzusehen, ob und wann die Elektrifizierung der Strecke im Bundesverkehrswegeplan auftauchen wird. Es ist ein nicht ganz billiges Projekt.

Im Juli 2013 schon hatten Sven Morlok und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Dr. Rüdiger Grube, eine Planungsvereinbarung unterzeichnet. Für die Vorplanung hatte der Freistaat rund 2,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse der Vorplanung liegen seit dem 19. August vor.

“Damit sich eigenwirtschaftlicher Fernverkehr auf der Strecke zwischen Chemnitz und Leipzig lohnen kann, müssen die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Mit der Vorplanung haben wir den notwendigen Ausbaubedarf konkretisiert und die Weichen für die weiteren Planungen gestellt”, sagte Staatsminister Sven Morlok zu der Gelegenheit. Jetzt hat man immerhin schon ein paar Planungsunterlagen, mit denen man für das Projekt werben kann. “Der nächste Schritt ist die Beauftragung der Entwurfs- und Genehmigungsplanung. Wir wollen jetzt zügig die Gespräche mit der Bahn weiterführen, mit dem Ziel, im Herbst eine unterschriftsreife Vereinbarung vorliegen zu haben. Der Freistaat bietet hier seine Mitfinanzierung an, die Mittel stehen im Haushalt bereit.”

Aber auch das sind nur Vorarbeiten. Der eigentliche Brocken ist noch nicht mit Geld untersetzt.

Neben der durchgängigen Elektrifizierung der Strecke ist ein teilweiser zweigleisiger Ausbau im Nordabschnitt der Strecke notwendig, um den Regionalverkehr nicht zu beeinträchtigen, so das SMWA. Weitere vier Abschnitte haben sich im Rahmen der Vorplanung als sinnvoll für einen Um- bzw. Ausbau erwiesen, damit dort zukünftig schneller als bisher gefahren werden kann und ein attraktiver Fahrzeitgewinn erzielt wird. Die voraussichtlichen Gesamtkosten belaufen sich aktuell auf rund 250 Millionen Euro.

“Wir haben den Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Chemnitz bereits für den neuen Bundesverkehrswegeplan angemeldet”, betonte Morlok noch einmal. “Die Ergebnisse der Vorplanung liefern nun weitere Argumente, um uns beim Bund für die Aufnahme des Projektes stark zu machen.”

Im Ergebnis von Voruntersuchungen hatten DB Netz AG und SMWA bereits 2013 die Streckenführung über Bad Lausick als Vorzugsvariante des weiteren Ausbaus festgelegt. Die wesentlichen Vorteile dieser Variante sind die konkurrenzfähige Reisezeit von 50 Minuten zwischen Leipzig Hbf und Chemnitz Hbf sowie die fahrgastfreundlichen Umsteigebeziehungen zu den übrigen Fernverkehrslinien im Leipziger Hauptbahnhof. Streckenausbau und Elektrifizierung erlauben perspektivisch auch den Einsatz moderner, elektrisch angetriebener Fahrzeuge im Schienenpersonennahverkehr.Aber ganz so üppig ist der Zeitgewinn nicht, stellt nun der Landesverband Elbe-Saale des Verkehrsclub Deutschland (VCD) fest, nachdem auch neue Ideen, dann auch einen ICE über Chemnitz fahren zu lassen, durch die Medien geistern.

Michael Schmiedel, Vorsitzender des Landesverbandes des VCD, warnt vor falschen Erwartungen: “Die Berechnungen im Rahmen unseres Fernverkehrskonzeptes für Mitteldeutschland haben gezeigt, dass für Verbindungen zwischen Chemnitz und Berlin Fernverkehrszüge nicht in Sicht sind, da sich die Reisezeit gegenüber dem heutigen Regionalexpress praktisch nicht verkürzen lässt. Die sächsische Staatsregierung weckt hier bei den Chemnitzern falsche Erwartungen auf einen baldigen ICE-Anschluss.”

Da Fernverkehrszüge nicht von den Bundesländern bestellt werden, liegt deren Einrichtung im Ermessen der Bahngesellschaften. Selbst wenn die Bahn vereinzelte IC-Züge – etwa aus Hannover – von Leipzig nach Chemnitz verlängern sollte, würden damit bestenfalls vorhandene RE-Züge ersetzt, was die Bedienung der kleineren Städte zwischen Leipzig und Chemnitz lediglich verschlechtert, ohne den Chemnitzern Reisezeitvorteile zu bringen.

Bei der Gelegenheit benennt er die blinde Stelle im Eisenbahn-Konzept der aktuellen Regierung im Freistaat: Sie hat keins. Beharrlich legte das Verkehrsministerium immer neue Ideen und Forderungen für teure Schnellzugverbindungen vor – versäumte aber ihr eigentliches Aufgabengebiet: die Schaffung eines klug vernetzten Regionalverkehrs, der sich mit gut vertakteten Anschlüssen direkt ans ICE-Netz der Deutschen Bahn anbindet.

Der VCD fordert für Sachsen ein Herangehen wie in der Schweiz: Dort wird zuerst entschieden, welche zukünftigen Fahrpläne gelten sollen, dann werden die Gleisanlagen so angepasst, dass die gewünschten Fahrpläne funktionieren. Die sächsische Staatsregierung investiert dagegen offenbar dort, wo sie gern ein rotes Band zur Eröffnung durchschneiden möchte, ohne zu wissen, welche Züge dort später fahren.

Bei den Nahverkehrszügen, deren Finanzierung das Land selbst in der Hand hat, wurden in den letzten Jahren die Gelder für den Betrieb so stark gekürzt, dass es beispielsweise zwischen Döbeln und Meißen ab Dezember 2015 keinen Personenverkehr mehr geben wird.

Der VCD sieht darin das Gegenteil einer vorausschauenden Bahnpolitik.

www.vcd-mitte.de

Die Elektrifizierungsvision des SMWA als PDF zum Download.

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