Im Kommunalwahlkampf, als es um die Sitze im neuen Leipziger Stadtrat ging, da hat sich die Leipziger CDU nicht getraut, die Tariferhöhung bei den LVB zum Thema zu machen. Im Landtagswahlkampf haben nun Konrad Riedel und Peggy Liebscher die teuren Kurzstreckentickets auf den Tisch gepackt. Ihre Idee eines 15-Minuten-Tickets aber löst bei Grünen und Linken nur eine Frage aus: Wo war die CDU eigentlich im Dezember 2013?

Damals wurden die neuen Tariferhöhungen im MDV und damit auch bei den LVB für den 1. August 2014 vom Stadtrat beschlossen. Die CDU-Fraktion stimmte damals zu. Umso seltsamer wirkt es, wenn die CDU neun Monate später entdeckt, dass das Kurzstreckenticket unverschämt teuer geworden ist.

“Ohne Zweifel ist das Kurzstreckenticket der LVB wenig attraktiv, gerade im Vergleich zum Stundenticket”, gesteht auch Michael Schmidt, Stadtrat Bündnis 90/Die Grünen und für die Fraktion als Aufsichtsrat der LVB GmbH tätig, zu. “Dass nun aber, drei Wochen nach der Preiserhöhung, welche bereits im Dezember 2013 beraten und beschlossen wurde, Frau Liebscher und Herr Riedel Änderungen am Tarifsystem fordern, zeigt einmal mehr die Winterträgheit und Augenwischerei der CDU. Natürlich muss man diskutieren, ob vor dem Hintergrund der für die nächsten Jahre geplanten Netzverdichtung in der wachsenden Stadt Leipzig eine Änderung der Kurzstrecke oder die aus meiner Sicht sehr viel sinnvollere Streichung notwendig wird. Der nun unterbreitete Vorschlag läuft nach meiner Ansicht aber ins Leere, da einerseits eine Kontrolle der rechtmäßigen Nutzung dieser dann 15minütigen Kurzstrecke nicht praktikabel ist und andererseits dann durchschnittlich 8 Haltestellen gefahren werden können. Letzteres hätte eine starke Abwanderung vom Stundenticket zur Folge was wiederum Einnahmeverluste bei den LVB bedeutet.”

An diesem Punkt erwartet Schmidt von der Leipziger CDU andere Vorschläge.

“Man kann nicht wie geschehen auf Landesebene als Regierungspartei Bundeszuschüsse für den Regionalverkehr abgreifen, statt sie an die Kommunen weiterzureichen, in Leipzig ein Tarifmoratorium ablehnen und auch einer von meiner Fraktion geforderten Erhöhung des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages um einen Investitionszuschuss die Zustimmung verweigern und auf der anderen Seite Leistungsverbesserungen ohne den dazu notwendigen Finanzierungsvorschlag zu unterbreiten”, benennt er die schillernde Unverbindlichkeit der CDU in Sachen ÖPNV.

Ein anderes Thema ist der MDV, der schon für 2013 Konzepte für die künftige Finanzierung des Verkehrsverbundes angekündigt hatte. Aber statt ein schlüssiges Konzept vorzulegen, servierte er schon im Frühherbst wieder nur ein Tariferhöhungsprogramm, vertröstete mit der Vorlage des Konzept aufs Frühjahr. Aber auch da lag es nicht vor.

Michael Schmidt vermutet – möglicherweise zu recht – dass der MDV die Studie aus wahltaktischen Gründen zurückhält. Sie könnte einige bittere Wahrheiten über die Politik der noch regierenden Parteien in Sachsen erzählen.

“Die vom Verbund angefertigte Studie zur zukünftigen Finanzierung des ÖPNV in Sachsen sollte Alternativen aufzeigen, wie man das jährliche Drehen der Preisspirale endlich stoppen kann. Statt diese Ergebnisse wie geplant im Frühjahr vorzulegen, werden sie bis nach der Landtagswahl unter Verschluss gehalten, um die Regierungsparteien CDU und FDP vor einer berechtigten Kritik innerhalb des Wahlkampfes zu schützen”, vermutet Schmidt. “Kolportiert wird nämlich bereits, dass keinerlei zufriedenstellende Antworten zu erwarten sind und stattdessen jährliche Preissteigerungen fest eingeplant werden. Gerade die in der Landespolitik aktive Frau Liebscher sollte wissen, dass sich der Freistaat immer stärker aus der Kofinanzierung des ÖPNV zulasten der Kommunen zurückgezogen hat und steigende Bundesmittel für den Regionalverkehr nicht eins zu eins an die Kommunen durchreicht, sondern stattdessen einen Teil davon abgreift, um den eigenen Haushalt zu sanieren. Prominentes Beispiel ist der Bau des Technischen Zentrums Heiterblick, welches mit erheblichen Eigenmitteln von Stadt und LVB finanziert werden muss.”

Womit der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) als Gestaltungsmittel der Kommunen in einem eh schon komplizierten Umfeld ausfällt. Das wäre schon peinlich genug – aber typisch für eine Politik, die Parteiinteressen über sachlich notwendige Weichenstellungen stellt.

“Statt sich wie Riedel und Liebscher im Kleinklein zu verlieren, sollten wir über die generelle Finanzierung des ÖPNV diskutieren”, fordert Michael Schmidt. “Die LVB brauchen dringend zusätzliche Investitionszuschüsse, um die Finanzierung der Tatraablösung und die notwendigen Investitionen ins Netz finanzieren und auch hinsichtlich des Lärmschutzes weitere Anstrengungen umsetzen zu können. Hierfür muss sich einerseits die Stadt in der finanziellen Pflicht sehen und andererseits der Freistaat mit angemessenen Fördermittelquoten und auch mit Sonderprogrammen (bspw. für grüne Gleisbette) zur Verfügung stehen.”

Neben den Grünen war es die Linksfraktion, die das intransparente Herumgeeier bei den LVB-Tarifen am schärfsten kritisierte.Und so richtig genervt vom Eiertanz der CDU ist nun Linke-Stadtrat Jens Herrmann-Kambach.

Für ihn wirft der Vorstoß von Peggy Liebscher und Konrad Riedel nur eine Menge Fragen auf:

1. Wann wurden die beiden Aufsichtsräte der LVB über die Vorstellungen von MDV und LVB zur Tarifanpassung (eigentlich Tariferhöhung) im Jahr 2014 informiert?

2. War in dieser Information nicht erkennbar, dass der Kurzstreckentarif in der Zone 110 (Stadt Leipzig) um 20 Cent steigen soll, und wurde nicht schon vor Weihnachten 2013 eine Überprüfung dieser Tariferhöhung und der Tarifbestimmungen für die Kurzstrecke seitens der Bürgerschaft gefordert?

3. War den beiden Aufsichtsräten nicht bekannt, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe die Einrichtung neuer Haltestellen im Bereich des Münzplatzes (Linie 10, 11) oder Härtelstraße (Linie 2, 9, 16) plant?

4. War diesen beiden Aufsichtsräten etwa nicht bewusst, dass bei der Einrichtung zusätzlicher Haltestellen, wie z. B. schon vor Jahren bei der Haltestelle Steinstraße, auch die jeweils neue Haltestelle bei der Zählung der Haltestellen für die Benutzung des Kurzstreckentarifes mitzählt?

5. Was haben die Vertreter der CDU-Fraktion im Stadtrat zu Leipzig als Aufsichtsräte im Aufsichtsrat des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes bzw. bei den Leipziger Verkehrsbetrieben unternommen, um schon 2014 die Kurzstreckenregelung zu ändern? Warum hat Herr Kern als Aufsichtsratsmitglied des MDV und Mitglied der CDU-Fraktion diese Presseerklärung nicht mit unterschrieben?

6. Wie hat sich die Fraktion der CDU im Stadtrat zu Leipzig verhalten, als ein Beschlussantrag zur Überprüfung der ÖPNV-Tarife zur Abstimmung im Stadtrat stand?

7. Warum haben Frau Liebscher und Herr Riedel ihre Position aus dem März 2013 verlassen? Damals erklärten sie im Zusammenhang mit dem Tarifmoratoriumsantrag der Fraktionen Die Linke: “Die grundsätzliche Frage steht: Wie finanzieren wir den ÖPNV”, sagte Peggy Liebscher. “Das müsse auf allen Ebenen geklärt werden.”

“Auf den ersten Blick muss man den Vorschlag der Umwandlung des Kurzstreckenfahrscheines für vier Haltestellen in einen 15-Minuten-Fahrschein begrüßen. Man fragt sich nur, warum der Vorschlag gerade jetzt kommt und eben nicht schon im Dezember 2013 oder sogar im Frühjahr 2013 in die Diskussion gebracht wurde”, stellt Herrmann-Kambach fest. “Auf den zweiten Blick bedarf dieser Vorschlag jedoch einer sehr kritischen Prüfung!” Auch dazu fallen ihm Fragen ein.

1. Welche Auswirkungen wird dieser neue Kurzstreckenfahrschein auf die anderen Tarifprodukte, einschließlich Wochen- und Monatskarten, haben?

2. Wie werden sich die Tarifeinnahmen des MDV/der LVB entwickeln?

3. Soll dieser Fahrschein auch für die Benutzung der S-Bahn gelten? Komme ich mit diesem Fahrschein z. B. vom Hauptbahnhof bis nach Schkeuditz?

“Bei einer Umwandlung des jetzigen Kurzstreckenfahrscheins in einen 15-Minuten-Fahrschein werden viele Fahrgäste, insbesondere welche heute den 60-Minuten-Fahrschein benutzen, natürlich diesen für ihre Fahrt lösen”, nennt er eine der Konsequenzen. “Das führt bei Beibehaltung der jetzigen Tarifstruktur automatisch zu deutlichen Mindereinnahmen. Da aber die Leipziger Verkehrsbetriebe, gegebenenfalls auch die Deutsche Bahn bzw. der Mitteldeutsche Verkehrsverbund, diese Mindereinnahmen sicherlich nicht durch die Stadt Leipzig ausgeglichen bekommen, müssen die Verkehrsunternehmen und der MDV ihre Tarifstruktur ändern. Sämtliche Tarifprodukte müssen deutlich erhöht werden, und selbst der zukünftig 15-Minuten-Fahrschein wird realistisch gesehen nicht unter 2,20 Euro starten können!”

“Ist das wirklich die Lösung für die Probleme des ÖPNV? Wird es dadurch wirklich zu einer Steigerung der Fahrgastzahlen kommen?”, fragt der Stadtrat der Linken. “Im Interesse aller Nutzer des ÖPNV muss endlich der Investitionsstau bei den Nahverkehrsunternehmen abgebaut, die Forderungen des Personenbeförderungsgesetzes nach einer barrierefreien Nutzung des ÖPNV umgesetzt und den ständigen Tarifsteigerungen durch ein alternatives Finanzierungskonzept ein Riegel vorgeschoben werden.”

Sein Vorschlag: “Dazu wäre es gut, wenn alle Mitglieder des Stadtrates und auch des zukünftigen Landtages, einschließlich der CDU-Vertreter, das hoffentlich bald durch den MDV vorgelegte Gutachten von ETC Transport Consultants GmbH zum aktuellen und zukünftigen Finanzierungsbedarf, einschließlich alternativer Finanzierungsmöglichkeiten, studieren und bereit sind, neue Wege zu gehen. Dann würden wirklich revolutionäre Veränderungen für Leipzig, z. B. pro Tag für 1 Euro den gesamten ÖPNV nutzen, oder der fahrscheinlose ÖPNV – analog bestehender Semestertickets – bei gleichzeitiger Mitfinanzierung durch die Nutznießer möglich sein. Ein erster Schritt dahin wäre es auch, künftig vor Wahlen keine großen Versprechen abzugeben, welche man hinterher sowieso nicht umsetzen bzw. einfordern möchte. Die Forderung nach einem 15-Minuten-Fahrschein löst mittel- und langfristig keine Probleme, weder für die Fahrgäste, für die Verkehrsunternehmen, für die Stadt, auch nicht für die Fahrerinnen und Fahrer von Bus und Bahn.”

Der Linke-Antrag zur Überprüfung der Tariferhöhung als PDF zum Download.

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