Eigentlich geht es mal wieder um einen LVZ-Artikel, veröffentlicht am 23. August unter dem Titel "CDU-Stadtrat wirft Linken-Politiker Gedächtnisverlust vor", in dem CDU-Stadtrat Konrad Riedel zu Wort kommt. Es ging um Fußwegekonzept und Abmarkierungen in der Georg-Schumann-Straße. Doch an Gedächtnisverlust scheint nicht der Linke-Stadtrat Jens Herrmann-Kambach zu leiden.

Der Streit wallt in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) nun schon seit Wochen hin und her, hat sich zu einer eigenen Wahlkampf-Dauersendung entwickelt, in der Radfahrer gern als Störfaktor beschrieben werden, Autofahrer als Märtyrer einer Politik, in der eine finstere Lobby irgendwo aus der Grünen- und Linken-Ecke die Stadt im Griff hat. Aber was CDU-Stadtrat Konrad Riedel in diesem LVZ-Beitrag behauptet, bringt selbst den sonst sehr bedächtig agierenden Linke-Stadtrat Jens Herrmann-Kambach so ziemlich aus der Fassung. Zwei von Riedels Behauptungen sind belegbar falsch.

Aber wie korrigiert man so eine Darstellung in der Öffentlichkeit?Sehr geehrter Herr Riedel,

ich habe großes Verständnis, dass es Sie ärgert, wenn ich öffentlich darstelle, dass es in unsere Stadt keine große Lobby für den Fußgängerverkehr und Öffentlichen Personennahverkehr gibt. Schließlich nutzen Sie persönlich tagtäglich die Straßenbahn bzw. den Bus und setzen sich in Ihrer Funktion als Mitglied des Behindertenverbandes der Stadt Leipzig aktiv für verbesserte Bedingungen für Gehbehinderte auf unseren Fußwegen und bei der Benutzung des ÖPNV’s ein.

Trotzdem bleibe ich dabei: In Leipzig hat der Fußgänger und ÖPNV keine machtvolle Lobby. Einige (Haushaltsanträge-)Anträge der letzten Jahre, die das Ziel hatten, Fußwege und Fußgängerquerungen zu verbessern, wurden im Stadtrat abgelehnt. So sind vielerorts die Fußwege nur als mangelhaft zu bezeichnen. Nicht selten wurde argumentiert, dass straßenbegleitende Fußwege erst wieder instandgesetzt werden, wenn auch die Straße grundhaft saniert wird.

Wer aber dafür der Stadtverwaltung, und hier insbesondere dem Verkehrs- und Tiefbauamt, einen Vorwurf macht, vergisst, dass der Stadtrat jahrelange auf Straßenneubau statt Instandsetzung gesetzt hat und es bis zur Beschlussfassung des Antrages A 392 keine Mehrheit für eine separate Haushaltsstelle, einschließlich finanzieller Mittel zur Instandhaltung und Sanierung von Fußwegen, gab (Ausnahme: Fußwege innerhalb der Innenstadt!).

Eine entscheidende Rolle für die Ablehnung der entsprechenden vorherigen Anträge spielte dabei der oder die jeweilige Beigeordnete für Finanzen (seit 1990 nur CDU-Mitglieder). Dies betrifft auch die Maßnahmen für den ÖPNV. So werden es weder die LVB (für die Straßenbahnhaltestellen) noch die Stadt Leipzig (für die Bushaltestelle) nach derzeitigem Stand finanziell schaffen, dass bis zum Jahr 2022 jede Haltestelle entsprechend der Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes behindertengerecht ausgebaut ist. Es gab auch keinen Protest seitens der CDU-Fraktion, als die zuständige Bürgermeisterin erklärt, die entsprechende Ausnahmeregelung des Personenbeförderungsgesetzes in Anspruch zu nehmen.

Sehr bedauere ich aber Ihre, im Artikel der LVZ vom 23.08.14 Seite 18 dem Leser vermittelte Reaktion, da die Behauptung, ich leide unter Gedächtnisverlust nicht nur unwahr ist, sondern eine bewusste (?) Irreführung der Öffentlichkeit darstellt!Zu den einzelnen Themen:

Fußwegekonzept

LVZ vom 23.08.2014

“Vor wenigen Wochen erst”, erinnerte er, “wurde ein von der CDU-Fraktion gefordertes Fußwegekonzept im Stadtrat mehrheitlich auch von der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.”

Ein Blick ins elektronische Ratsinformationssystem der Stadt – Protokoll der Ratsversammlung vom 17.04.2013 – belegt, dass die Fraktion DIE LINKE dem Antrag der CDU-Fraktion für ein Gehweginstandsetzungsprogramm zugestimmt hat. Ein weiterer Antrag zum Fußgängerverkehr der CDU-Fraktion wurde in den letzten Wochen und Monaten nicht abgestimmt.

Georg-Schumann-Straße

LVZ vom 23.08.2014

“Dass die Stadtverwaltung nicht nach Beschluss handelte, sondern die Markierungen ohne Test dauerhaft im teuren Dampfverfahren aufbrachte und von Auswertungen nichts wissen wollte, hätte auch Stadtrat und ÖPNV-Fachmann Herrmann-Kambach unter anderem mit Nachfragen beeinflussen können”, sagte Riedel.

Auch in dieser Sache hilft ein Blick ins eRIS.

Im Antrag der CDU-Fraktion V/A196 aus dem Jahr 2011 steht kein Wort davon, dass die Markierung nicht per Dampfverfahren aufgebracht werden sollte. Im Protokoll der Ratssitzung ist aber nachzulesen, dass Stadtrat Herrmann empfahl, nicht die gesamte Georg-Schumann-Straße zu markieren, sondern abschnittsweise vorzugehen, um so erste Erkenntnisse für weitere Abschnitte zu berücksichtigen.

Ein Blick in den nichtöffentlichen Teil des eRIS unter Protokolle des Fachausschusses Stadtentwicklung und Bau hätte auch belegt, dass das Thema “Behinderung des ÖPNV im Bereich der Georg-Schumann-Straße zwischen Chausseehaus und Lützowstraße” mehrfach durch mich angesprochen wurde.

Sehr geehrter Herr Riedel,

ich würde mich freuen, wenn Sie in Zukunft für ihre Pressemitteilungen besser recherchieren würden. Sehr gerne unterstütze ich Sie auch dabei!

Freundliche Grüße und auf eine gute Zusammenarbeit im Interesse der Bürger der
Stadt Leipzig
Jens Herrmann-Kambach
Stadtrat der Fraktion DIE LINKE und verkehrspolitischer Sprecher

Der Offene Brief mit weiteren weiteren Auszügen aus Ratsprotokollen und dem Artikel aus der LVZ als PDF zum Download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar